Inhouse-Vergabe: Wirtschaft kritisiert scharf geplanten § 99 Abs. 1 GWB-E

Unter Federführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. (BDE) haben sich insgesamt 18 Wirtschaftsverbände in einem gemeinsamen Positionspapier entschieden gegen die geplante gesetzliche Einführung einer Inhouse-Vergabe ausgesprochen. Durch die Möglichkeit, nachgefragte Leistungen nicht am Markt beschaffen zu müssen, sondern ohne öffentliche Ausschreibungen durch andere Einrichtungen der öffentlichen Hand erbringen zu lassen, werde ein fairer Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Unternehmen verhindert. Dies führte letztlich zur Verdrängung der Privatwirtschaft und zu erhöhten Preisen für den Kunden.

Der neugestaltete § 99 Abs. 1 Satz 2 GWB soll es der öffentlichen Hand – erstmals rechtssicher – ermöglichen, Leistungen “inhouse”, also zwischen und durch Einrichtungen der öffentlichen Hand selbst zu erbringen, ohne diese am Markt ausschreiben zu müssen. Für den Bereich der Kommunen spricht man hier von interkommunaler Zusammenarbeit (IKZ). In der Vergangenheit hatten sich insbesondere die Kommunalen Spitzenverbände für diese Regelung stark gemacht. Die Befürworter einer solchen Regelungen führen vor allem ins Feld, dass es sich hierbei nicht um öffentliche (und damit ausschreibungspflichtige) Auftragsvergabe handele, sondern vielmehr um einen innerstaatlichen Organisationsakt, der nicht den europäischen Vergaberichtlinien unterfalle.

Wir erinnern uns: Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat solche Inhouse-Vergaben in ständiger Rechtsprechung (sog. Teckal-Rechtsprechung) an sehr enge Voraussetzungen gebunden. Der jetzige Regierungsentwurf (s.u.) greift diese zwar auf, jedoch unvollständig. Es fehlt das sog. Kontrollkriterium, nach dem die Ausschreibungspflicht nur dann entfällt, wenn die beauftragende Dienststelle über die den Auftrag ausführende „eine Kontrolle ausübt wie über eine eigene Dienststelle“. Das dürfte in Deutschland, gerade bei interkommunaler Zusammenarbeit, mit Blick auf die kommunale Selbstverwaltungshoheit des Art. 28 II GG auch so gut wie nie der Fall sein.

Zurück zur Kritik der Wirtschaft:

Aufgrund der Marktabschottung fehle bei einer Inhouse-Vergabe das wettbewerbliche Korrektiv und damit die Gewähr für eine wirtschaftliche Beschaffung. Das Vergaberecht diene aber vor allem einer wirtschaftlichen Beschaffung der Öffentlichen Hand und der sparsamen Verwendung von Steuergeldern. Auch sei die vorgesehene Regelung mittelstandsfeindlich, da gerade die mittelständische Wirtschaft im hohen Maße von öffentlichen Aufträgen abhängig sei. lm Übrigen sei nicht ersichtlich, warum sich der deutsche Gesetzgeber sehenden Auges in Widerspruch zur gefestigten Rechtsprechung des EuGH setze.

Der Hauptkritikpunkt: Aus Sicht der Wirtschaft gestatte es § 99 Abs. 1 Satz 2 GWB der öffentlichen Hand, massiv in funktionierende Märke einzugreifen und so einen wirksamen Wettbewerb zu Gunsten der Bürger und Unternehmen auszuhebeln. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) weist ergänzend darauf hin, dass dies nicht nur für die bereits jetzt durch die öffentliche Hand wahrgenommenen Aufgaben gelte, sondern auch hinsichtlich neuer Betätigungsfelder, wie z.B. ITK-Dienstleistungen durch kommunale Rechenzentren. Der – ohnehin schwierige – Markt für öffentliche Aufträge werde sich weiter verengen, einzelne kleine Unternehmen sich ggfs. gänzlich hieraus zurückziehen. Der so geschmälerte Wettbewerb werde am Ende auch den öffentlichen Auftragnehmern zu schaffen machen. Überdies sei nicht auszuschließen, dass eine solche Regelung Missbrauch im Sinne einer wechselseitigen Beauftragung von Eigenbetrieben der öffentlichen Hand Vorschub leistet.

Tatsächlich dürfte § 99 Abs. 1 GWB-E z.B. kommunalen IT-Dienstleistern einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil um öffentliche Aufträge bringen, und dies über die kommunalen Gebietsgrenzen hinaus. So könnte beispielsweise eine bayerische Kommune ohne eine ­Ausschreibung ein kommunales ­Rechenzentrum aus Westfalen-Lippe beauftragen. Schon jetzt ist eine immer stärkere Leistungserfüllung durch kommunale IT-Dienstleister, die in ihrer Region ein Quasi-Monopol im öffentlichen Sektor einnehmen, zu beobachten. Auch die Abfallentsorgungswirtschaft kann hiervon ein Lied singen.

Die geplante Einführung der Inhouse-Vergabe ist daher sicherlich keine juristisch Frage, sondern eine ordnungspolitische. Mehr Staat oder weniger, mehr Wettbewerb (und Innovation) oder weniger? Und man braucht gar nicht lange zu suchen: Schon die meisten Gemeindeordnungen wissen, dass die wirtschaftliche Betätigung durch die öffentliche Hand nur dann gerechtfertigt ist, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann (vgl. beispielhaft § 85 Abs. 1 Nr. 3 GemO Rheinland-Pfalz oder § 107 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW).

Den Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts finden Sie hier.

§ 99 Abs. 1 GWB-E lautet

„Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen. Ein öffentlicher Auftrag liegt nicht vor, wenn öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 1, 2 oder 3 Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen durch eine oder mehrere juristische Personen erbringen lassen, die selbst öffentliche Auftraggeber sind und an denen privates Kapital nicht beteiligt ist, sofern diese juristischen Personen die zu erbringende Leistung überhaupt nicht auf dem Markt anbieten oder im wesentlichen für öffentliche Auftraggeber tätig sind.“