Vergaberechtsreform verabschiedet: Inhouse-Vergabe gestrichen
19. Dezember: Der Bundestag hat heute die Vergaberechtsreform verabschiedet. In zweiter und dritter Lesung stimmte das Parlament mit den Stimmen der Koalition dem noch einmal geänderten Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts zu. FDP und die Die Linke stimmten dagegen, Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Besonders heiß diskutiert war dabei bis zu letzt die geplante Inhouse-Regelung, die in letzter Minute ersatzlos gestrichen wurde.
Die geplante Regelung zur sog. „Inhouse-Vergabe“ (§ 99 I, S. 2 GWB-E) hätte es der öffentlichen Hand erstmals ermöglicht die Zusammenarbeit der öffentlichen Hand – in der Praxis damit vornehmlich der Kommunen (”interkommunale Zusammenarbeit”) – in weiten Teilen von den Regelungen des Vergaberechts auszuschliessen. Öffentliche Auftraggeber hätten auf dieser Grundlage Leistungen ohne Ausschreibung, d.h. gänzlich ohne Beteiligung des Marktes, durch andere Stellen der öffentlichen Hand erbringen lassen können. Neben der Abfallwirtschaft, die sich bereits seit Jahren einem Kampf gegen Windmühlen gleich der immer stärkeren Leistungsübertragung auf öffentliche Dientleister entgegenstellt, wäre insbesondere die ITK-Wirtschaft hiervon besonders stark betroffen worden. Keine anderen Dienstleistungen lassen sich so einfach und ohne besonderen Aufwand überregional und verwaltungsübergreifend erbringen. So hätten kommunale Rechenzentren von der Regelung massiv profitiert. Die gesamtdeutsche Wirtschaft und insbesondere die ITK-Wirtschaft hatte sich daher vehement für eine Streichung der Inhouse-Vergabe eingesetzt. Dementsprechend erwartungsgemäß reagierten die kommunalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) mit Kritik und Unverständnis: Kommunale Zusammenarbeit sei „eine reine Organisationsentscheidung der Kommunen“, weshalb das für Einkäufe der öffentlichen Hand geschaffene Vergaberecht hierauf nicht angewendet werden könne.
Der Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Nüsslein, betonte in seiner Rede im Bundestag insbesondere die aus Sicht der Union bedeutsame „Mittelstandsklausel“ des reformierten § 97 III GWB. Die bisherige Soll-Vorschrift („sind vornehmlich“) zur Aufteilung großer Aufträge in Lose wird damit zur grundsätzlichen Pflicht.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßte zwar ausdrücklich, dass das Gesetz nunmehr die Möglichkeit der Berücksichtigung sozialer oder ökologischer Belange bei der Auftragsvergabe vorsehe (§ 97 IV GWB-E). „Es fehlt aber jede Arbeitshilfe für die Kommunen, die sie anwenden wollen. Das provoziert Rechtsstreitigkeiten, die der Sache nicht dienlich sind und abschreckend wirken“, so die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, Kerstin Andreae. Nach dem „Rüffert-Urteil“ des EuGH gebe es bei der Anwendung von Tariftreueregelungen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen massive rechtliche Unsicherheiten. Umso wichtiger wäre eine Initiative der Bundesregierung für ein bundesweites Tariftreuegesetz gewesen, so Andreae. Zudem kritisierte die Fraktion den nach wie vor fehlenden Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte. Im Ergebnis enthielt sich daher die Fraktion.
Die FDP setzte sich – zwar nicht formal, da ihr inhaltsgleicher Antrag abgelehnt wurde – mit ihrer Forderung nach Einführung eines bundesweit einheitlichen Präqualifizierungssystem für Leistungen durch. Der neue § 97 Abs. 4a GWB-E sieht vor, „Auftraggeber können Präqualifikationssysteme einrichten oder zulassen, mit denen die Eignung von Unternehmen nachgewiesen werden kann“.
Man mag über eine gesetzliche Pflicht zur Berücksichtung des Mittelstands oder vergabefremder Kriterien denken wie man will. Aber: Die Möglichkeit der „Inhouse-Vergabe“ hätte einen massiven Eingriff in funktionierende Märkte bedeutet und einen Verzicht auf Wettbewerb als Garant einer effizienten Verwendung von Steuermitteln. Insbesondere die mittelständische Wirtschaft, die im hohen Maße von öffentlichen Aufträgen abhängig ist, wäre hierdurch überproportional belastet worden. Auch der von den kommunalen Spitzenverbänden ins Feld geführte Verweis auf die Organisationshoheit der Kommunen trägt gerade nicht: Wie ein Blick ins Grundgesetz beweist, endet diese genau dort, wo Art. 28 II GG endet: Sie umfasst gewiss die Organisation der eigenen gemeindlichen Einrichtungen – nicht aber auch die Einbeziehung solcher der Nachbargemeinde. Letztlich hat auch der europäische Gerichtshof (EuGH) solche Inhouse-Vergaben in ständiger Rechtsprechung (sog. Teckal-Rechtsprechung) an sehr enge Voraussetzungen gebunden, die sich nicht im Gesetzesentwurf widerspiegelten. Kommunen hätten sich mit solchen Inhouse-Vergaben daher großer Rechtsunsicherheit ausgesetzt.
Nun muß noch der Bundesrat zustimmen.