Vergaberechtsreform: Bundesrat stimmt zu
Was lange währt, wird deswegen noch lange nicht gut, werden nun sicherlich viele Stimmen lauten: Der Bundesrat hat am Freitag den 13. Februar dem Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts zugestimmt. Der Entwurf aus der Feder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hat das ansonsten eher als wenig spannend bekannte Vergaberecht erstmals einer breiten politischen Diskussion unterworfen: Eine grundsätzliche Pflicht zur losweisen Aufteilung großer Aufträge zur Förderung des Mittelstands, die Möglichkeit „zusätzliche Anforderungen” an den Auftragnehmer zu stellen, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen und vor allem die Inhouse-Vergabe, also die Auftragsvergabe an andere öffentliche Stellen unter Ausschluss des Marktes, die vom Bundestag nach massiver Kritik der Wirtschaft in buchstäblich letzter Minute gestrichen wurde. Bis zuletzt war fraglich, ob der Bundesrat den Verzicht auf die insbesondere von den Kommunalen Spitzenverbänden geforderte Inhouse-Vergabe mittragen würde – ein Entschließungsantrag aus Baden-Württemberg machte hierfür schließlich den Weg frei.
Nach der Koalitionsvereinbarung und dem Kabinettsbeschluss vom 28. Juni 2006 war das Vergaberecht „substantiell zu vereinfachen und zu modernisieren“. Der jetzt verabschiedete Gesetzentwurf betrifft allein das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die nicht minder bedeutsamen Verdingungsordnungen (VOL, VOB und VOF) werden von dem hierfür zuständigen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) und dem Verdingungsausschuss für Liefer- und Dienstleistungen (DVAL) reformiert.
Viel ist am Ende nicht übrig geblieben, von der einstigen großen Idee der Abschaffung des sog. Kaskadenprinzips aus GWB, Vergabeverordnung (VgV) und den Verdingungsordnungen. Schon Anfang 2006 wurden diese noch von der alten Regierung stammenden mutigen Pläne gestrichen und statt dessen eine „Modernisierung im bestehenden System“, also unter Beibehaltung des Kaskadenprinzips, beschlossen. Eine wohlmöglich auf Jahrzehnte hinaus vertane Chance und vielleicht auch eine allzu deutsche Eigenart, die Dinge lieber zu belassen, wie sie sind, wie sich an anderer Stelle aktuell beim damit durchaus vergleichbaren und ebenso gescheiterten Projekt Umweltgesetzbuch gezeigt hat.
Was sich dann im Verlauf der Ressortabstimmungen, der Verbändeanhörungen und Konsultationen derer vom Vergaberecht Betroffenen in den letzen drei Jahren an Diskussionsstoff ergeben würde, hatte wohl niemand erwartet. Angefangen vom reformierten § 97 Abs. 3 GWB, der aus dem bislang zahnlosen „Mittelständische Interessen sind vornehmlich…angemessen zu berücksichtigen“ eine grundsätzliche Pflicht zur Aufteilung großer Aufträge in Lose macht – mit Ausnahmemöglichkeit, versteht sich. Oder der gänzliche neue § 97 Abs. 4 GWB mit seiner Möglichkeit “zusätzliche Anforderungen” an den Auftragnehmer zu stellen, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wie z.B. einleuchtende Lebenszykluskosten, Energieeffizienz oder bestimmte umweltschonende Produktionsverfahren, bis hin zu weniger einfach zu erfüllenden Forderungen wie z.B. nach Beschäftigung von Auszubildenden oder Langzeitarbeitslosen oder einer angemessene Vergütung.
Der bei weiten größte Streitpunkt war und blieb aber bis zuletzt die vorgesehende Möglichkeit der Inhouse-Vergabe. Der neue § 99 I, S.2 GBW-E hätte es der öffentlichen Hand erstmals rechtssicher ermöglicht, Leistungen „inhouse“, d.h. zwischen und durch Einrichtungen der öffentlichen Hand selbst zu erbringen. Die deutsche Wirtschaft übte hieran aus wohl nachvollziehbareren Gründen heftige Kritik. Am Ende strich der Deutsche Bundestag Ende letzten Jahres und in damit sprichwörtlich letzter Minute mit den Stimmen der großen Koalition und gegen den heftigen Widerstand der kommunalen Spitzenverbände die Regelung, die nach Ansicht vieler Vergaberechtsexperten ohnehin einer europarechtlichen Überprüfung durch den europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht lange Stand gehalten hätte. Der Bundesrat beließ es nun bei dieser Streichung und stimmte dem Gesetzentwurf in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung zu, obgleich er von diesem Mitte letzten Jahres eine noch deutlichere Freistellung der interkommunalen Zusammenarbeit vom Anwendungsbereich des Vergaberecht eingefordert hatte. Auch eine Empfehlung des Bundesratsausschusses für Innere Angelegenheiten, die zumindest eine in ihrem Anwendungsbereich geschmälerte und damit wirtschaftsverträglichere Variante der Inhouse-Vergabe vorgesehen hatte, kam am Ende nicht zum Zug. Grund des versöhnlichen Ausgangs war die Annahme eines Antrags aus Baden-Württemberg: Die Problematik soll dort gelöst werden, wo sie her kommt, nämlich auf europäischer Ebene. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, „bestehende Rechtsunsicherheiten bei der interkommunalen Zusammenarbeit und anderen innerstaatlichen Kooperationen im Hinblick auf das EU-Vergaberecht zu beseitigen und bei der Europäischen Kommission auf eine entsprechende Klarstellung hinzuwirken“. Bei der nächsten Novellierung des § 99 GWB soll dieser durch einen entsprechenden neuen Absatz ergänzt werden.
Mit der Zustimmung des Bundesrats geht eines der am längsten andauerden Gesetzgebungsvorhaben seinem Ende entgegen. Man muss dem stillen Vater der Reform, Herrn Ministerialdirigent Dr. Fridhelm Marx, BMWi, wohl allen Respekt Zollen, dies störrische Kind so lange nicht aufgegeben zu haben. Wie es der Zufall so wollte, ist Herr Dr. Marx Anfang Februar in den Ruhestand getreten. Zweifellos einen mehr als verdienten.
Auf Vergabeblog beginnen wir in Kürze mit einer Reihe zu den mit der Reform verbundenen Änderungen für Auftraggeber und Auftragnehmer.