Commerzbank AG und Hypo Real Estate ausschreibungspflichtig?
Das Vergaberecht beherrscht derzeit die Schlagzeilen. Erst beschließt das Bundeskabinett die massive Anhebung der Schwellenwerte für Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben und eröffnet so den Unternehmen kurzfristig neue Chancen auf lukrative Aufträge. Ende vergangener Woche folgte dann der nächste Paukenschlag: Der Bundesrat stimmte dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts zu, womit es zu erheblichen Veränderungen der vergaberechtlichen Vorschriften kommen wird.
Wirtschaftlich ebenso interessant, aber nahezu unbeachtet blieb jedoch bisher, dass bereits das 500 Milliarden-Bankenrettungspaket erhebliche Auswirkungen auf das Vergaberecht hatte. Es geht dabei um die Frage, ob Bankinstitute, die unter den staatlichen Rettungsschirm getreten sind, nunmehr auch das Vergaberecht beachten müssen. Gute Gründe sprechen dafür, diese Frage mit „Ja“ zu beantworten.
Nach § 98 GWB fallen unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers nicht nur Bund, Länder und Kommunen, sondern auch juristische Personen des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Zudem ist eine besondere Staatsnähe des Unternehmens erforderlich.
Nach der Rechtsprechung des EuGH können unternehmerische Tätigkeiten bereits dann als im Allgemeininteresse liegende Aufgaben angesehen werden, wenn sie eine Impulswirkung für den Handel und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung haben.
Inwieweit die übernommenen Aufgaben nichtgewerblicher Art sind, hängt insbesondere davon ab, ob das Unternehmen seine Tätigkeit unter normalen Marktbedingungen ausübt. Nach Ansicht des EuGH ist ein Indiz für die Ausübung einer Aufgabe nichtgewerblicher Art, dass das Unternehmen die mit der Tätigkeit verbundenen Risiken nicht selbst trägt, sondern die Risiken vom Staat übernommen werden.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Rettungspaket die Bürger und insbesondere mittelständische Unternehmen vor den negativen Folgen der internationalen Finanzmarktkrise schützen. Ziel ist die Aufrechterhaltung der Kreditversorgung, ohne die eine Volkswirtschaft nicht funktioniert. Bankinstitute, die den Rettungsschirm in Anspruch nehmen, erfüllen mithin zukünftig eine der Gesamtbevölkerung dienende staatliche Aufgabe.
Spätestens mit der Beteiligung des Bundes an der Commerzbank AG mit einem Anteil von 25 Prozent plus einer Aktie wurde auch deutlich, dass die staatlich gestützten Bankinstitute nicht mehr unter normalen Bedingungen am Markt tätig sind. Es gilt vielmehr die Devise: Keine Insolvenz, koste es, was es wolle. Die nunmehr 100 Milliarden Euro staatliche Hilfe für die Hypo Real Estate bestätigen dies nachdrücklich.
Auch das Merkmal der besonderen Staatsnähe lässt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Zwar werden die begünstigten Bankinstitute weder überwiegend vom Bund finanziert noch bestimmt der Bund mehr als die Hälfte der Mitglieder zur Geschäftsführung oder der zur Aufsicht berufenen Organe. Für die Annahme einer besonderen Staatsnähe reichte es in der Vergangenheit allerdings bereits aus, dass ein öffentlicher Auftraggeber detaillierte Regeln der Geschäftsführung überwachen bzw. ein bestimmtes Geschäftsführungsprofil vorgeben konnte.
Entsprechende Instrumente stellt das Rettungspaket zur Verfügung. An die begünstigten Finanzinstitute können Anforderungen gestellt werden, um eine solide und umsichtige Geschäftspolitik zu gewährleisten. Dies betrifft insbesondere risikoreiche Geschäfte und die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen.
Kommt eine unmittelbare Aktienbeteiligung des Bundes hinzu, kann dieser zudem über den Aufsichtsrat Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen.
Zusammenfassend gilt: Bei einem Zusammentreffen sämtlicher Regelungsinstrumente des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes und einer gleichzeitigen Kapitalbeteiligung des Bundes spricht vieles dafür, diese Bankinstitute als öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB zu qualifizieren.