Offiziell: NRW, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin vereinfachen das Vergaberecht zur Ankurbelung der Konjunktur

Gerüchteweise hatten man es schon vernommen, nun ist es offiziell: NRW, Niedersachsen, Sachen, Sachsen-Anhalt und Berlin folgen der Empfehlung der Bundesregierung und vereinfachen angesichts der Konjunkturkrise als erste Bundesländer das Vergaberecht. Nachfolgend finden Sie hierzu die offiziellen Presseerklärungen der jeweiligen Bundesländer.

Nordrhein-Westfalen

Das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes NRW informiert:

Düsseldorf. Das Landeskabinett hat heute, 3. Februar 2009, auf Vorschlag von Wirtschaftsministerin Christa Thoben erhebliche Vereinfachungen des Vergaberechts beschlossen. Die Wirtschaftsministerin erklärte dazu heute in Düsseldorf: „Ziel ist es vor allem, die von der Bundesregierung beschlossenen konjunkturellen Maßnahmen mit dem vereinfachten Verfahren zügig umzusetzen und damit deren Wirksamkeit zu erhöhen.“ Die Maßnahmen im Einzelnen:

Die Landesregierung wird durch eine zügige Vereinfachung des Vergaberechts Investitionen beschleunigen. Hierzu beabsichtigt die Landesregierung, in Übereinstimmung mit dem Beschluss der Bundesregierung zum Konjunkturpaket II durch Erlass die Voraussetzungen zu schaffen, dass sowohl die Landesverwaltung als auch die kommunalen Gebietskörperschaften bis Ende 2010 Bauleistungen bis 100.000 Euro Auftragswert freihändig vergeben und bis zu eine Million Euro beschränkt ausschreiben können. Für Liefer- und Dienstleistungen soll bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro die Wahlmöglichkeit zwischen freihändiger Vergabe und beschränkter Ausschreibung bestehen.

Durch diesen Verzicht auf die aufwändigen Verfahren der öffentlichen Ausschreibung bzw. eines Teilnahmewettbewerbs werden die Spielräume der öffentlichen Auftraggeber im Land Nordrhein-Westfalen, Beschaffungsvorgänge spürbar zu beschleunigen bzw. zu vereinfachen, erheblich erweitert.

Gleichzeitig wird das Präqualifizierungssystem gestärkt, indem vorrangig auf solche Unternehmen zur Angebotsabgabe zurückgegriffen werden soll, die sich in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen haben eintragen lassen. Der vorrangige Rückgriff wird den Gemeinden und Hochschulen aus Respekt vor den Selbstverwaltungsrechten zur Anwendung empfohlen.

Für den Bereich der Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte (5.125.000 Euro für Bauleistungen, 206.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungen) wird die Landesregierung die öffentlichen Auftraggeber im Land Nordrhein-Westfalen darauf hinweisen, dass sie wegen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise berechtigt sind, die Fristen für Teilnahmeanträge und die Einreichung von Angeboten regelmäßig soweit verkürzen können, dass die Gesamtdauer von Ausschreibungen im nichtoffenen Verfahren von 87 auf 30 Tage verkürzt werden kann.

Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWME), Presseinfo vom 4.2.2009

Niedersachsen

Hirche: Wirtschaft durch beschleunigte Vergabeverfahren unterstützen

HANNOVER. Wirtschaftsminister Walter Hirche hat heute eine zügige Vereinfachung des Vergaberechts in Niedersachsen angekündigt: „Wir werden den durch das zweite Konjunkturprogramm des Bundes eröffneten Spielraum für beschleunigte Verfahren bei öffentlichen Ausschreibungen vollständig nutzen. Dazu wird die Landesregierung kurzfristig die bestehenden Wertgrenzen bei der Vergabe von Bauleistungen und von Liefer- bzw. Dienstleistungen anheben. Damit können staatliche Investitionen deutlich schneller erfolgen und die im Rahmen des Konjunkturpaketes vorgesehenen zusätzlichen Mittel zum Ausbau der Infrastruktur zügig eingesetzt werden. Davon werden unsere Unternehmen profitieren und damit auch der gesamte Wirtschaftsstandort Niedersachsen.“

Hirche nannte folgende Eckpunkte eines vereinfachten Vergaberechts:

  • Der Schwellenwert bei der Vergabe von Bauleistungen für beschränkte Ausschreibungen soll von derzeit 200.000 Euro auf eine Million Euro angehoben werden.
  • Freihändige Vergaben sollen künftig bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro zugelassen werden. Bisher liegt die Schwelle bei 30.000 Euro.
  • Beim Einkauf von Dienst- und Lieferleistungen wird ein einheitlicher Wert für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben von 100.000 Euro festgesetzt. Bisher gelten hier die Wertgrenzen von 25.000 bzw. 15.000 Euro.

Der Minister kündigte eine zügige Beratung in der Landesregierung an: „Mein Ziel ist die Umsetzung der neuen Regelungen bereits zu Anfang Februar.“

Gleichzeitig soll auch das Niedersächsische Landesvergabegesetz an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Bis zum Abschluss des einzuleitenden Gesetzgebungsverfahrens wird das Wirtschaftsministerium entsprechende Hinweise für die Anwender herausgeben.

Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Pressesprecher Christian Haegele, Presseinfo vom 16.1.2009

Sachsen

Jurk: „Regionale Unternehmen profitieren“

„Wir wollen, dass die Gelder aus dem Konjunkturpaket II der Bundesregierung schnell die regionale Wirtschaft ankurbeln“, begründet Wirtschafts- und Arbeitsminister Thomas Jurk (SPD) die Lockerung der Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge. „Konjunkturfördernde Maßnahmen können schneller und einfacher in Angriff genommen werden. Davon werden vor allem die regionalen Unternehmen profitieren“, so Jurk.

Durch eine gemeinsame Verwaltungsvorschrift aller Staatsministerien werden für Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben folgende Schwellenwerte festgesetzt:

– Für die Vergabe von Bauleistungen: 1 Mio. € für beschränkte Ausschreibungen und 100.000 € für freihändige Vergaben (die Grenze liegt sonst bei 25.000 Euro).
– Für Dienst- und Lieferleistungen gilt der Schwellenwert 100.000 € für freihändige Vergaben und beschränkte Ausschreibungen (Grenzwert liegt sonst bei 13.000 Euro).

Das heißt, die Vergabestellen im Freistaat Sachsen können Aufträge im Wege einer beschränkten Ausschreibung oder freihändig vergeben, sind also unterhalb der genannten Schwellenwerte nicht mehr verpflichtet, öffentlich auszuschreiben. Gleichwohl bleiben die öffentlichen Auftraggeber wie bisher verpflichtet, auf fairen Wettbewerb durch Wechsel der Auftragnehmer zu achten. Auf die Einholung von Vergleichsangeboten darf auch künftig nur im Ausnahmefall verzichtet werden. Neu ist, dass die nach dieser Verwaltungsvorschrift vergebenen Aufträge zukünftig veröffentlicht werden sollen.

Die Verwaltungsvorschrift empfiehlt, dass auch kommunale Auftraggeber diese Lockerungen anwenden.

Die Erleichterungen gelten bis 31.12.2010.
Die Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Sächsischen Amtsblatt in Kraft, voraussichtlich am 27. 02.

Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit, Pressesprecherin Lea Mock, Meldung vom 16.2.2009

Sachsen-Anhalt

Zur Beschleunigung investiver Maßnahmen hat das Kabinett heute einen Vorschlag des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit zu Änderungen im Vergaberecht gebilligt. Befristet auf 2 Jahre werden Schwellenwerte für Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben (jeweils ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb) eingeführt. „Angesichts des Ausnahmecharakters der aktuellen Wirtschaftslage soll diese Regelung 2009 und 2010 für alle öffentlichen Projekte gelten. Damit wird eine Beschleunigung der Auftragsvergabe und vor allem eine gezielte Auswahl mlttelständischer Unternehmen ermöglicht. Das ist von uns gewollt als eine weitere Form der Mittelstandsförderung“, sagte Wirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff.

Höhe der Schwellenwerte für Bauleistungen

Beschränkte Ausschreibung: 1 Million Euro

Feihändige Vergabe: 100.000 Euro

Höhe der Schwellenwerte für Dienst- und Lieferleistungen

Für Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergabe:

100.000 Euro

Der entsprechende Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit tritt am Tage der Veröffentlichung Im „Ministerialblatt für das Land Sachsen-Anhalt“ in Kraft.#

Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, Presse und Informationsamt der Landesregierung, Pressemitteilung Nr. 035/2009 vom 20.01.2009

Berlin

Senat vereinfacht und beschleunigt Vergabeverfahren.

Aus der Sitzung des Senats am 24. Februar 2009: Ab heute gelten bis zum 31.12.2010 neue Regeln bei der Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge, die ein schnelles und unbürokratisches Verfahren ermöglichen sollen. Dies kündigten die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen in einem gemeinsamen Rundschreiben an.

Hintergrund ist das Konjunkturprogramm II der Bundesregierung, das Vorschläge enthält, die Investitionsmittel über ein vereinfachtes Vergaberecht schnellstmöglich konjunkturfördernd einzusetzen. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer: „Die geplanten Investitionen des Konjunkturpaketes müssen schnell und unbürokratisch in die Unternehmen fließen, um tatsächlich spürbare Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu bewirken. Wir werden besonders darauf achten, mittelständische Unternehmen bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen und den Kreis der Bieter regelmäßig wechseln, um die Mittelvergabe fair und zum Nutzen aller Bauunternehmen in Berlin zu gestalten.“ Die vereinfachten Bedingungen werden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bspw. durch die Senatsverwaltungen, Bezirksämter, Krankenhausbetriebe sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen Berlin überwiegend beteiligt ist, genutzt. „Insbesondere die Bezirke können nun schnell handeln und den bereits durch den Investitionspakt 2008 festgestellten Sanierungsbedarf öffentlicher Bildungseinrichtungen angehen. Berlin ist auf die Mittel des Konjukturpakets II gut vorbereitet und wird die vereinfachten Regelungen im Vergaberecht intensiv nutzen“, so Junge-Reyer.

Die Erleichterung im Vergaberecht wird durch eine Anhebung der Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben erreicht sowie durch verkürzte Fristen für EU-Vergaben von Bauleistungen (VOB), Liefer- und Dienstleistungen (VOL) im Nichtoffenen Verfahren und die Vergabe freiberuflicher Leistungen (VOF).

Im Baubereich werden die Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen auf 1.000.000 EUR (bislang: 100.000 EUR) festgelegt, für die freihändige Vergabe auf 100.000 EUR (bislang 5.000 EUR). Im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen wird die Wertgrenze für beschränkte Ausschreibungen und für die freihändige Vergabe auf jeweils 100.000 EUR (bislang 25.000 EUR/7.500 EUR) gesetzt. Unterhalb dieser Wertgrenzen kann die Vergabestelle ohne Nachweis eines Ausnahmetatbestandes beschränkte Ausschreibungen oder freihändige Vergaben durchführen. Die Neuregelungen gelten für alle öffentlichen Aufträge auch außerhalb des Konjunkturpaketes.

Die beschränkte Ausschreibung ist ein förmliches Vergabeverfahren, bei dem ein Verhandeln über Angebot oder Preis nicht stattfindet. Dabei wird einer beschränkten Anzahl von Bewerbern (in der Regel fünf bis acht) die Vergabeunterlagen zugesandt, mit der Aufforderung ein Angebot abzugeben. Bei der freihändigen Vergabe werden bis zu drei geeigneten Bietern die Vergabeunterlagen zugesandt. Zu einem Verhandlungstermin ist es dann möglich, über Preise und Angebot zu verhandeln.

Das bisher in Berlin geltende vereinfachte Verfahren für kleine investive Hochbaumaßnahmen bis 1 Mio. EUR wird befristet bis zum 31.12.2010 erweitert auf Maßnahmen mit einem Volumen von bis zu 5 Mio. EUR. Das bedeutet, dass an Stelle eines Bedarfsprogramms nur ein abgestimmtes Raum- und Funktionsprogramm zu Grunde zu legen ist. Entsprechend der Art der Baumaßnahme können Planungsinhalte der Vor- und Bauplanungsunterlagen reduziert und / oder zusammengefasst werden. Wenn die beabsichtigte Baumaßnahme keine wesentlichen räumlichen und funktionalen Änderungen zum Inhalt hat, kann auf das Raum- und Funktionsprogramm als Grundlage der Planungsunterlage verzichtet werden.

Bei den Vergaben ab den EU-Schwellenwerten halten es der Europäische Rat sowie die Europäische Kommission auf Grund des außergewöhnlichen Charakters der gegenwärtigen Wirtschaftslage für gerechtfertigt, in den Jahren 2009 und 2010 die beschleunigten Verfahren der Richtlinien über das öffentliche Beschaffungswesen anzuwenden. Die Anwendung der   beschleunigten Verfahren ist daher ohne Nachweis eines Ausnahmetatbestands gerechtfertigt.

Pressemitteilung vom 24.02.2009, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Telefon: 9012-5800