Nachschlag: Nutzung der juris-Datenbank durch deutsche Behörden nach Ansicht der EU-Kommission vergaberechtswidrig

Als Jurist kennt sie jeder: Die juris-Datenbank. Wohl aufgrund ihres Quasi-Monopols im Bereich der Rechtsinformationsdienste erachtete es die Bundesregierung als auch der Großteil der Länder als nicht erforderlich, vor Vergabe von entsprechenden Aufträgen über Rechtsinformationsdienste an die juris GmbH eine Ausschreibung durchzuführen. Die EU-Kommission dagegen sieht den Binnenmarkt gefährdet und richtete Anfang April eine förmliche Aufforderung in Form einer „mit Gründen versehenen Stellungnahme“ an Deutschland, der zweiten Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag: Danach hätten die Vergaben zwingend ausgeschrieben werden müssen. Erhält die Kommission binnen zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort, kann sie den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Die juris GmbH ist der führende Anbieter von Rechtsinformationsdiensten in Deutschland. Das Unternehmen betreibt die stark frequentierte juris-Datenbank, die einen enormen Bestand an Bundes- und Landesgesetzen, Verwaltungsvorschriften, Urteilen und Artikeln aus juristischen Fachzeitschriften enthält. Nach einer Kooperationsvereinbarung mit der Bundesregierung ist die juris GmbH verpflichtet, das Rechtsinformationssystem zu pflegen und zu betreiben und allen Bundesbehörden in vollem Umfang Zugriff auf die Datenbank zu gewähren. Dafür erhält die juris GmbH eine jährliche Vergütung. Im Gegenzug werden ihr Gesetzesunterlagen und Gerichtsurteile in einer besonderen Form zur exklusiven Nutzung bereitgestellt.

Nach einer Teilprivatisierung im Jahr 2001 hält die Bundesrepublik Deutschland derzeit gut 50 % der Anteile der juris GmbH. Bei dieser Privatisierung wurde die Kooperationsvereinbarung mit der Bundesregierung gründlich überarbeitet und geändert, insbesondere was die Vergütungsbestimmungen betrifft. Nach Ansicht der Kommission hat sich die Vereinbarung dabei in wesentlicher Hinsicht geändert. Sie sei daher als neuer Auftrag anzusehen, der gemäß der Richtlinie 92/50/EWG über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Rahmen einer Ausschreibung hätte erteilt werden müssen. Dabei hätte auch der private Partner für die öffentlich-private Partnerschaft ausgewählt werden können, die bei der Teilprivatisierung der juris GmbH eingerichtet wurde. So hätten die deutschen Behörden sicherstellen können, sowohl bei der Auswahl des privaten Partners als auch beim Abschluss der neuen Kooperationsvereinbarung mit dem Gemeinschaftsunternehmen transparent und wettbewerbsorientiert vorzugehen und die Binnenmarktvorschriften über das öffentliche Auftragswesen einzuhalten.

Im Jahr 2006 haben schließlich die Justizbehörden mehrerer Länder einen Auftrag über Datenbankdienste an die juris GmbH vergeben, nämlich Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Ihre Gerichte und Justizbehörden erhalten damit Zugriff auf die Datenbank. Der Auftrag wurde jedoch in einem Verhandlungsverfahren ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb erteilt.

Nach Angaben der deutschen Regierung haben sich die Dienste der juris GmbH bei einer „wettbewerbsorientierten Marktuntersuchung“ als ideal für die Bedürfnisse der Justizbehörden herausgestellt. Es sei somit gerechtfertigt gewesen, den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Ausschreibung zu vergeben, da ohnehin nur die juris GmbH als Dienstleister in Frage gekommen sei. Die Kommission kann sich dieser Sichtweise jedoch nicht anschließen. Nach ihrer Ansicht war das Vergabeverfahren der Justizbehörden einseitig zugunsten der juris GmbH ausgerichtet, und die Behörden wären verpflichtet gewesen, den Auftrag im Rahmen eines offenen bzw. nicht offenen Verfahrens zu vergeben und dazu eine europaweite Ausschreibung durchzuführen.

Quelle: EU Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen