EuGH-Urteil: Gesetzliche Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber
Zwei Tage nach seinem überraschenden Urteil zur Ausschreibungsfreiheit interkommunaler Kooperationen hat der EuGH am 11. Juni 2009 eine Entscheidung (Rs C-300/07) getroffen, die weit mehr den allgemeinen Erwartungen der Fachwelt entspricht: Gesetzliche Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des EU-Vergaberechts und als solche zur öffentlichen Ausschreibung ihrer Beschaffungen verpflichtet.
Alles begann mit Orthopädie-Schuhen. Die AOK veröffentlichte eine Anzeige, in welcher sie Orthopädie-Schuhtechniker zur Abgabe von Angeboten zur Spezialanfertigung von Schuhen für AOK-Kassenpatienten aufforderte. Ein Bieter rügte nach Abgabe eines Angebots verschiedene Verstöße gegen das EU-Vergaberecht.
Auf eine Vorlagefrage des OLG Düsseldorf bestätigte der EuGH nun, daß auch gesetzliche Krankenkassen die Voraussetzungen eines öffentlichen Auftraggebers im Sinne der EU-Richtlinie 2004/18/EG erfüllen und ihre Beschaffungen damit grundsätzlich nach den Vorschriften des EU-Vergaberechts zu erfolgen haben. Im Gegensatz zur Kommission folgerte der EuGH dies jedoch nicht bereits aus der Tatsache, daß gesetzliche Krankenkassen in dem „Verzeichnis der Einrichtungen öffentlichen Rechts“ in Anhang III der Richtlinie 2004/18/EG aufgeführt sind. Der EuGH sieht sich vielmehr berufen, anhand der Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu prüfen, ob die Nennung der Einrichtungen in der Anlage III jeweils zutreffend erfolgt ist, da der Anhang selbst kein materielles Recht, sondern lediglich Maßnahmen zur Durchführung dieses Rechts darstelle.
Wie in seinem Urteil zur Ausschreibungspflicht öffentlicher Rundfunkanstalten vom 13. Dezember 2007 (C-337/06 „Bayerischer Rundfunk“) hat sich der EuGH auch hier im Kern mit der Frage auseinander gesetzt, ob gesetzliche Krankenkassen überwiegend durch den Staat finanziert werden, wobei er erneut betonte, daß eine direkte staatliche Finanzierung dafür nicht erforderlich ist. Als Indiz für eine überwiegende Finanzierung durch den Staat sah der EuGH unter anderem, daß neben den Mitgliedsbeiträgen auch Zahlungen durch Bundesbehörden erfolgen und ein Ausgleichssystem der Kassen untereinander besteht. Des weiteren, so der EuGH, spricht für die staatliche Finanzierung, daß die Beiträge der Mitglieder einer gesetzlichen Beitragspflicht entspringen und unabhängig von der Gegenleistung der Kassen berechnet werden.
In der Summe folge daraus eine überwiegende Finanzierung durch den Staat, da diese „in der Praxis durch die Träger der öffentlichen Gewalt garantiert wird und durch eine öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterliegende Art der Erhebung der sich hierauf beziehenden Beiträge sichergestellt wird“.