Wie gewonnnen so zeronnen: Vergabe des Berliner Stadtschloss-Wiederaufbaus für nichtig erklärt (VK 3 – 157/09)

Marstall bei Nacht, Front (Filmmuseum Potsdam) S-Bahn Chaos, gescheiterte Vergabe der öffentlichen Straßenbeleuchtung und nun das: Die 3. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt – seit 1999 zuständig für die Nachprüfungen von Vergabeverfahren des Bundes und der dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Auftraggeber – hat am Freitag den Planungsvertrag mit dem italienischen Architekten Franco Stella über den Bau des sogenannten Humboldtforums – ein Neubau im Gewand des ehemaligen Berliner Stadtschlosses –  gem. § 13 VgV a.F. für nichtig erklärt (Beschluss v. 11.09.2009, VK 3 – 157/09). Der Italiener war im November 2008 einstimmig als Sieger eines für den Wiederaufbau durchgeführten Architektenwettbewerbs hervorgegangen. Die VK belehrte nun darüber, dass eine Preisverleihung noch lange keine Vergabeentscheidung sei, sondern dieser vielmehr vorausgehe und es daher auf deren Bekanntheit nicht ankomme. Eine lesenswerte und ausdifferenzierte Entscheidung. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung will dagegen sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf einlegen.

Es ist der bekannteste Bauplatz der Stadt, das Gelände des inzwischen vollends abgerissenen Palastes der Republik. Baubeginn sollte 2010, Fertigstellung schon 2013 sein. Der Berliner Architekt Kollhoff belegte den 3. Platz im Architektenwettbewerb, einen zweiten Platz gab es nicht. Gegen die Auftragsvergabe an Stella legte Kollhoff Beschwerde vor der Vergabekammer ein.

Die Liste der geltend gemachten Verstöße ist lang: Vergabefehlerhaft sei bereits die fehlende Vorabinformation nach § 13 VgV a.F. an die unterlegenen Mitstreiter des Wettbewerbs gewesen. Zudem hätte die Auftraggeberin bereits bei den Auftragsverhandlungen Zweifel daran gehabt, dass Stella allein mit den von ihm beschäftigten Mitarbeitern das zu realisierende Projekt einwandfrei ausführen könne, ohne in erheblichem Maße auf Nachunternehmer zurückgreifen zu müssen. „Ein Büro, das durchweg [unkenntlich], im Jahr 2005 sogar [unkenntlich] festangestellte Architekten beschäftigte, könne sich bei einem Umsatzschnitt von unter 300.000 € jährlich existentiell gar nicht halten“, so Kollhoff. Die Auftragserteilung ohne eine vorherige Nachforderung von Nachweisen zu den im Teilnahmeantrag gemachten Angaben zur Mitarbeiterzahl und zum Mindestumsatz verstoße gegen § 97 Abs. 4 GWB.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet, entschied nun die 3. Vergabekammer des Bundes. Der Auftrag sei nicht wirksam an Stella vergeben worden und das Verfahren somit ab dem Zeitpunkt nach Preisgerichtsentscheidung zu wiederholen. – Ab Zeitpunkt der Preisgerichtsentscheidung?

Der am 17./18. Juni 2009 zwischen dem Bund und Stella abgeschlossene Vertrag sei nach § 13 S. 6 VgV a.F. nichtig. Es wäre notwendig gewesen, die anderen Preisträger nach § 13 VgV a.F. dahin zu informieren, dass Stella mit den weiteren Planungsleistungen beauftragt werden sollte. Zwar habe der eigentliche Architektenwettbewerb mit der Preisgerichtsentscheidung seinen Abschluss gefunden, nicht aber das sich anschließende Verfahren zur Vergabe der weiteren Planungsleistungen: Die Vergabe der Ausführung der Architektenleistungen liege nämlich nicht bereits in der Entscheidung des Preisgerichts. Zum einen werde in § 25 Abs. 9 VOF, Ziffer 7.1 GRW gerade nicht festgelegt, dass zwingend der erste Preisträger mit der Ausführung zu beauftragen ist. Vor allem aber: „Eine definitive und abschließende Festlegung bereits in der Wettbewerbsbekanntmachung auf den ersten Preisträger und damit eine implizite Auftragsvergabe mit der Preisgerichtsentscheidung an diesen wäre im Übrigen auch nicht vergaberechtskonform, da die Befähigung, am [Preis-]Wettbewerb teilzunehmen, nicht gleichzusetzen ist mit der Befähigung, den Auftrag auch durchzuführen. Hier muss der öffentliche Auftraggeber bereits aus zwingenden Rechtsgründen des § 97 Abs. 4 GWB eine zunächst einmal ergebnisoffene Eignungsprüfung durchführen.“ Erst nachdem die Eignung eines Preisträgers positiv festgestellt wurde und des Weiteren die Vertragsverhandlungen auch inhaltlich zu einem positiven Abschluss geführt wurden, stehe fest, wer den Durchführungsauftrag erhalten soll.

m.a.W.: Die Preisentscheidung ist nicht die Vergabeentscheidung, und daher wurde diese auch nicht wie erforderlich nach § 13 VgV a.F. an die anderen Mitstreiter bekanntgemacht, folglich ist der Vertrag gem. § 13 VgV a.F. nichtig.

Dabei gibt sich die VK einige Mühe darzulegen, dass es der europarechtliche Hintergrund gebiete, dass Bewerber sowie Preisträger eines Architektenwettbewerbs in den Schutzbereich des § 13 VgV a.F. einbezogen sind, auch wenn sie im Wortlaut der Vorschrift nicht ausdrücklich benannt sind.

Lesenswert: „Ebenso mag es zutreffen, dass im Regelfall der erste Preisträger eines Architektenwettbewerbs mit den weiteren Planungsleistungen beauftragt wird…Hieraus kann aber nicht der verallgemeinernde Schluss gezogen werden, es gäbe bei Architektenwettbewerben generell keinen Bedarf für die Anwendung von § 13 VgV, da das Procedere der weiteren Beauftragung nach Preisgerichtsentscheidung ohnehin allen Teilnehmern am Wettbewerb bekannt sei. Zu trennen sind hier die Fragen nach der materiellen Rechtmäßigkeit des Verfahrens – durfte allein mit dem ausgewählten Preisträger verhandelt und dieser beauftragt werden? – und der Anwendbarkeit von § 13 VgV.“ Auch wenn, wie die Antragsgegnerin behauptet, die Nichtbeteiligung von Kollhoff rechtmäßig gewesen sein sollte, „ist die Anwendbarkeit von § 13 VgV nicht davon abhängig, ob das Vergabeverfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist.“

Doch damit nicht genug. Die Antragsgegnerin habe es auch unterlassen, eine ordnungsgemäße Eignungsprüfung in Bezug auf Stella durchzuführen. Sie habe damit gegen § 97 Abs. 4 GWB verstoßen, wonach öffentliche Aufträge nur an Unternehmen erteilt werden dürfen, deren Eignung positiv festgestellt wurde. Hierdurch werde Kollhoff als einer der dritten Preisträger, der eine realistische Option auf Beteiligung an Verhandlungen auf Erhalt des Auftrags hatte, in seinen Rechten verletzt, § 114 Abs. 1 S. 1 GWB.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gibt sich in einer eiligen Pressemeldung uneingeschüchtert und auch etwas trotzig, man werde die sofortige Überprüfung der Entscheidung durch das OLG Düsseldorf in die Wege leiten. Das Ministerium „geht davon aus, dass dieses Gericht die seit langem bewährte und nie in Frage gestellte Vergabepraxis des Bundes bestätigen wird“. Nun ja.

Die Kosten für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses sind auf 552 Millionen Euro festgelegt, davon 80 Millionen für den Nachbau der barocken Fassade. Das im Krieg teilzerstörte Gebäude war 1950 von der DDR-Führung gesprengt worden.

Die Entscheidung im Volltext finden Sie hier.