"Bei einer Auftragsvergabe ist der Vorrang der Hilfsorganisationen zu beachten": Aktuelle EU-weite Ausschreibung zu Rettungsdienstleistungen nennt die gewünschten Auftragnehmer gleich mit – ein Gastbeitrag von Dr. Roderic Ortner
Ob und inwieweit die Vergabe von Rettungsdienstleistungen unter das Vergaberecht fällt, wird nach wie vor intensiv diskutiert. Im Juli hatte das OLG München diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Die Antwort abwarten will der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Straubing offenbar nicht: Mit Bekanntmachung vom 18.11.2009 (ABl. S. 222) schreibt er eine Dienstleistungskonzession zum Betrieb eines Verlegungsarzt-Einsatzfahrzeugs (VEF) am Standort Deggendorf zwar EU-weit aus. In dem Bekanntmachungstext heißt es allerdings unverblümt: „Bei einer Auftragsvergabe ist der Vorrang der Hilfsorganisationen zu beachten. Diese sind das Bayerische Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund, der Malteser Hilfsdienst, die Johanniter-Unfallhilfe oder vergleichbare Hilfsorganisationen“. Rechtsanwalt Dr. Roderic Ortner von der Kanzlei BHO Legal nimmt den Fall für Vergabeblog unter die rechtliche Lupe (Anm. d. Red.).
Auf den ersten Blick mag letztere Beschränkung überraschen, da allgemein bekannt ist, dass bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession zumindest die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und Transparenz zu beachten sind. Die Beschränkung auf die genannten Hilfsorganisationen könnte diskriminierend sein. Es ist jedoch zunächst in Erinnerung zu rufen, dass der EuGH in einer Entscheidung vom 25.10.2001 festgestellt hat, dass eine derartige Beschränkung vor dem Hintergrund der Art der Dienstleistung (nämlich eine im allgemein wirtschaftlichen Interesse liegende) gerechtfertigt ist, „soweit sie nicht ausschließt, dass unabhängigen Unternehmern eine Genehmigung erteilt wird, falls die mit dem Rettungsdienst betrauten Sanitätsorganisationen offensichtlich nicht in der Lage sind, die Nachfrage im Bereich der Leistungen des Notfall- und des Krankentransports zu decken“ (Rs. C-475/99).
Die Entscheidung des EuGH bezog sich zwar auf die Genehmigung, nicht auf die Vergabe von Rettungsdienstleistungen; da beides jedoch miteinander verknüpft ist (keine Vergabe ohne Genehmigung), scheint eine Übertragung der Entscheidung des EuGH auf das Modell in Bayern möglich. Allerdings geht der Ausschreibungstext des Zweckverbandes zu weit, da unklar ist, weshalb ein genereller „Vorrang“ der Hilfsorganisationen „zu beachten“ ist. Diese Einschränkung könnte Unternehmen abhalten, sich überhaupt zu bewerben. Schließlich ergibt sich ein solcher „Vorrang“ auch nicht aus der oben zitierten EuGH-Entscheidung. In dieser wird genau dargestellt, unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung auf Sanitätsorganisationen möglich ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Zweckverband darzulegen; sie fehlen im Ausschreibungstext.
Unzulässig erscheint aber vor allem ein anderer Punkt: Die Ausschreibung als Dienstleistungskonzession an sich. Wie gelange ich zu dieser Einschätzung? Das OLG München hat mit Beschluss vom 02.07.2009 (Verg 5/09) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob – verkürzt – ein Vertrag auf Grundlage einer Vergabe von Rettungsdienstleistungen nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz (BayRDG) einen Dienstleistungsauftrag oder eine Dienstleistungskonzession darstellt. Hierüber hat der EuGH noch nicht entschieden. Es ist jedoch vergaberechtlich anerkannt, dass im Zweifel stets das strengere Regime anzuwenden ist. Im Verhältnis zur Dienstleistungskonzession und zum Dienstleistungsauftrag unterliegt letzterer dem strengeren Regime, da etwa nur dann das streng formalisierte Verfahren gilt und vor allem Primärrechtsschutz vor den Vergabenachprüfungsinstanzen. Wenn hier bereits der Vergabesenat in München Zweifel über das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession geäußert hat, darf sich der Zweckverband in Straubing über diese Zweifel nicht hinwegsetzen, er hätte die Verlegungsarzt-Einsatzfahrzeuge als Dienstleistungsauftrag ausschreiben müssen, zumal der EuGH über die Frage noch nicht entschieden hat.
Die fragliche Vorgehensweise des Zweckverbandes wird noch durch einen weiteren Umstand manifestiert: In der Vorlagefrage stellt das OLG München unstreitig fest, dass der Auftragnehmer (Konzessionär) nur ein eingeschränktes Risiko übernimmt. In einem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des EuGH in anderer Sache stellt der EuGH klar, dass für die Annahme einer Dienstleistungskonzession erforderlich ist, dass der Auftraggeber das volle Betriebsrisiko oder zumindest einen wesentlichen Teil davon auf den Konzessionär überträgt (Urteil vom 10.09.2009, Rs. C-206/08). Damit steht aus meiner Sicht fest, dass die Vorlagefrage des OLG München vom 02.07.2009 bereits überholt ist, da diese strengen Anforderungen an die Risikoübertragung unstreitig in dem Fall des OLG München nicht erfüllt werden. Ähnlich wird es sich bei der Risikoverteilung bei der Ausschreibung der Verlegungsarzt-Einsatzfahrzeuge verhalten. Es ist nach alledem nicht – jedenfalls juristisch nicht – nachvollziehbar, weshalb der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung gleichwohl immer noch an der Dienstleistungskonzession festhält.
Die EU-weite Ausschreibung des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Straubing finden Sie hier.