Bundesregierung zum Zahlungsverzug öffentlicher Auftraggeber
Der Entwurf einer neuen EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (KOM(2009) 126) sieht vor, dass öffentliche Auftraggeber verpflichtet werden, Forderungen innerhalb von 30 Tagen zu begleichen. Andernfalls drohen nicht nur Verzugszinsen und Ersatz der Beitreibungskosten, sondern zur Abschreckung auch eine pauschale Entschädigung in Höhe von 5 Prozent des geschuldeten Betrages ab dem ersten Tag des Verzugs. Für private Auftraggeber soll diese Regelung nicht gelten. Nachdem die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände die geplante Richtlinie bereits scharf kritisiert hatte, erkundigte sich nun die Bundestagsfraktion der Linken in einer Kleinen Anfrage nach der Position der Regierung.
Etwas unscharf heißt es in der Antwort der Bundesregierung, die Schaffung von Sonderregelungen für die öffentliche Hand sei jedenfalls „kritisch zu hinterfragen“. Diese könnten u.a. zu Haushaltsmehrbelastungen führen, da nach Auffassung der Regierung der vorgesehene pauschalierte Schadensersatz zur Folge haben kann, dass die öffentliche Hand im Rahmen einer Beurteilung von Risiken tendenziell eher den vom Gläubiger geforderten Betrag zahlen wird – selbst wenn Bedenken hinsichtlich der Berechtigung der Forderung bestehen.
Das zuständige Referat im Bundesministerium der Justiz (BMJ) kritisierte den Richtlinienentwurf bereits in einem Ressortbericht vom 6. Mai 2009 und in einer umfassenden Bewertung vom 3. Juni 2009: Es widerspreche deutscher Rechtsanschauung, zivilrechtliche Regelungen zur Abschreckung einzuführen. Dem schließt sich die Bundesregierung an: „Die der Abschreckung dienende Pauschale in Höhe von fünf Prozent des geschuldeten Betrages bei Verzug der öffentlichen Hand widerspricht der deutschen Rechtsanschauung, wonach Schadensersatz einen nur ausgleichenden und keinen pönalen Charakter haben soll.“
Zudem erscheint es der Regerierung auch zweifelhaft, durch die Festlegung von weitgehend unveränderlichen Abnahme-, Überprüfungs- und Zahlungsfristen die Vertragsfreiheit der Parteien einzuschränken, denn „für die öffentliche Auftragsvergabe gibt es keine speziellen gesetzlichen Zahlungsfristen.“ Nach § 16 VOB/B seien grundsätzlich alle Zahlungen aufs Äußerste zu beschleunigen. Die Frist betrage für Abschlagszahlungen 18 Werktage nach Zugang einer prüfbaren Aufstellung der erbrachten Leistungen, für die Schlussrechnung zwei Monate ab Zugang der prüfbaren Schlussrechnung. Nach § 17 Abs. 1 VOL/B erfolge die Zahlung des Rechnungsbetrages – sofern keine anderen Vereinbarungen getroffen werden – binnen 30 Tagen nach Eingang der prüfbaren Rechnung. Dabei betont die Bundesregierung sicher nicht zu Unrecht, dass sowohl VOB als auch VOL in den hierfür zuständigen Verdingungsausschüssen, dem Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) bzw. dem Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Lieferungen und Dienstleistungen (DVAL) gemeinsam mit Spitzenverbänden der Wirtschaft erarbeitet worden seien.
Interessant vor allem die Frage der Linken, ob die Regelungen der Richtlinie für öffentliche Auftraggeber auch für öffentliche bzw. kommunale Unternehmen oder solche mit Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand gelten. Die Regierung beantwortet dies etwas ausweichend mit dem Hinweis, dass öffentliche Stellen im Sinne von Artikel 5 der Richtlinie „alle öffentlichen Auftraggeber im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG“ seien. Daher zur Klarstellung: Ja.
Der Bundesregierung lägen keine Informationen darüber vor, wieviele Unternehmen in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren durch verspätete Zahlungen der öffentlichen Hand insolvent wurden. Es sei ihr mit zumutbarem Aufwand auch nicht möglich, entsprechende Informationen in Erfahrung zu bringen. Sie erwarte jedenfalls nicht, dass durch die vorgeschlagenen Regelungen alle Probleme mit Zahlungsverzug ausgeräumt werden können. Denn dessen Ursachen seien vielfältig, worauf bereits die Europäische Kommission in der Begründung ihres Richtlinienvorschlages hinweise.
Zu der Frage, ob sich denn die Zahlungsmoral der öffentlichen Stellen oder der privaten Auftragsgeber verschlechtert habe, ”bestehen jeweils eigene Erfahrungen eines jeden Gläubigers“. Die Regierung verfüge über keine Erkenntnisse.