Rückblick: Tag der öffentlichen Auftraggeber in Berlin
Am Dienstag fand in Berlin zum inzwischen 8. Mal im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) der „Tag der öffentlichen Auftraggeber“ statt. In dessen Rahmen verliehen BMWi und der Bundesverband Materialwirtschaft Einkauf und Logistik e.V. (BME) den Preis „Innovation schafft Vorsprung“ für besonders innovative Lösungen im Beschaffungswesen. Im voll besetzen Konferenzzentrum des Ministeriums wurde dem interessierten Fachpublikum – vorwiegend Fach- und Führungskräfte aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie öffentlich-rechtlichen Unternehmen – neben den Gewinnern eine hochkarätige Auswahl an Vorträgen geboten, die von einem Blick in die nicht mehr ganz so trübe Glaskugel der kommenden vergaberechtlichen Entwicklungen über die strategische Steuerung in der öffentlichen Beschaffung bis zum noch jungen Präqualifizierungsverfahren für den VOL-Bereich reichte. Am Rande der Konferenz demonstrierten eine Handvoll Umweltschützer für die Berücksichtigung des Klimaschutzes bei der öffentlichen Auftragsvergabe – allerdings vorm falschen Eingang in der Scharnhorststraße…
BMWi und BME treten gemeinsam für mehr Innovationen im öffentlichen Beschaffungswesen und für die Mobilisierung des erheblichen Potenzials des Staates als Nachfrager von neuen Technologien ein. Die Preisverleihung soll zeigen, dass es Innovationen gibt, die dem öffentlichen Auftraggeber Vorteile verschaffen und gleichzeitig einer wirtschaftlichen öffentlichen Beschaffung dienen. In diesem Jahr sind die Preisträger der Verband Region Rhein-Neckar, Mannheim, und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes – Fachstelle Maschinenwesen Süd, Nürnberg.
Bei der prämierten Lösung des Verbands Region Rhein-Neckar, Mannheim, handelt es sich um eine im föderalen eGovernment-Flickenteppich lobenswerte, drei Bundesländer übergreifende einheitliche eVergabe-Lösung für Kommunen. Bieter aus diesen drei Ländern können auf einer webbasierten Plattform nach Ausschreibungen der angeschlossenen Kommunen aus Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz suchen und ihre Angebote elektronisch abgeben. Ein Schritt in die richtige Richtung und gerade für KMU besonders wichtig. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass im Gegensatz dazu gleichzeitig auf Landesebene in jedem dieser drei Bundesländer eine andere und zueinander inkompatible eVergabe-Lösung zum Einsatz kommt. Nun hat es eine vierte noch dazu. Ein Schritt vor, zwei zurück? Zur prämierten Plattform geht es hier.
Frau Dr. Waldmann, Referatsleiterin Öffentliche Aufträge, Vergabeprüfstelle im BMWi berichtete zu den aktuellen Entwicklungen im Vergaberecht um dem, was das Haus gemäß des Koalitionsvertrages noch umzusetzen habe. Das ist jedenfalls ausweislich des Textes des Koalitionsvertrags auch ein Rechtsschutz im Unterschwellenbereich sowie eine Überprüfung der erst im April letzen Jahres mit § 97 Abs. 4, Satz 2 GWB eingeführten Berücksichtigung vergabefremder Aspekte. Für die Nahe Zukunft sei die neue Vergabeverordnung für Ende März zu erwarten. Und auch von Seiten der EU seien bereits die nächsten Schritte in der Pipeline, so ein Entwurf einer Richtlinie für Dienstleistungskonzessionen. Zum Hintergrund: Dienstleistungskonzessionen sind bislang vom Anwendungsbereich der Vergabekoordinierungsrichtlinien ausgenommen. Bei diesen sind nur die Vergaberechtsgrundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz zu beachten. Noch.
Dr. Clemens Maier, Bürgermeister der Stadt Trossingen berichtete zu den Auswirkungen der vergaberechtlichen Vereinfachungen des Konjunkturpakets II auf die Markt- und Wettbewerbssituation aus kommunaler Sicht. Klaus-Peter Tiedtke, Direktor des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Innern, referierte zur strategischen Steuerung in der öffentlichen Beschaffung und dem Ausbau des Beschaffungsamtes als Kompetenz- und Dienstleistungszentrum. Prof. Dr. Michael Eßig, Forschungszentrum für Recht und Management öffentlicher Beschaffung, Universität der Bundeswehr München, brachte es auf den Punkt: „Angesichts der Summen, die ein Einkäufer bewegt, sind Investitionen in die Beschaffungsstelle das Beste, was Sie machen können.“
Annette Karstedt-Meierrieks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin stellte das noch junge Präqualifizierungssystem für den VOL-Bereich vor. Präqualifizierung (PQ), also die vorgelagerte, auftragsunabhängige Prüfung der Eignungsnachweise soll den Unternehmen erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse bringen. Als erstes bundesweites PQ-System für den Liefer- und Dienstleistungsbereich haben die Industrie- und Handelskammern bzw. die von ihnen getragenen Auftragsberatungsstellen im September 2009 die “bundesweite Präqualifizierungsdatenbank für den Liefer- und Dienstleistungsbereich” ins Leben gerufen. In der Datenbank, im Internet abrufbar unter pq-vol.de, finden sich deutschlandweit VOL-präqualifizierte Unternehmen.
In der zeitgleich zur Konferenz veröffentlichten Pressemitteilung des BMWi wird der Parlamentarische Staatssekretär beim BMWi, Hans-Joachim Otto zitiert: „Nicht nur bei Beschaffern, auch bei den politischen Entscheidungsträgern sollte die innovationsorientierte wirtschaftliche Beschaffung mehr Aufmerksamkeit bekommen.“ Eben das mahnte die kleine Schar der Demonstranten vor dem BMWi an, die mit Flugzetteln darauf hinwiesen, das der Zuschlag des Hauses bei seiner europaweiten Ausschreibung für die eigene Stromversorgung im vergangenen Jahr die RWE-Tochter Envia für „den billigsten Strom ohne Umweltvorgaben“ erhielt.
§ 97 Abs. 4, Satz 2 GWB steht ja auch auf dem Prüfstand.