Serie Zuschlagskriterien im Vergabeverfahren – Teil 2: Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien
In Teil 1 der Beitragsreihe wurde bereits dargestellt, dass der Auswahl der Zuschlagskriterien im Vergabeverfahren eine besondere Bedeutung zukommt. Mit Gesichtspunkten wie Preis, Qualität, technischer Wert usw. kann der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Eigenschaften der angebotenen Leistung bewerten und somit sicherstellen, dass er eine seinem Bedarf entsprechende Leistung erhält.
Hiervon zwingend zu unterscheiden ist die nach § 19 Abs. 5 EG VOL/A 2009 bzw. § 16 Abs. 5 VOL/A 2009 erforderliche Prüfung der Eignung der Unternehmen. Eignungsprüfung einerseits und Wirtschaftlichkeitsprüfung andererseits stellen zwei verschiedene Vorgänge dar.
Als Folge der zwingend getrennten Behandlung von Zuschlags- und Eignungsprüfung sind bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung all diejenigen Kriterien ausgeschlossen, die nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen, sondern die im Wesentlichen mit der Beurteilung der Eignung und der Qualifikation des Bieters für die Ausübung des betreffenden Auftrags zusammenhängen (EuGH, Urteil vom 12.11.2009 – Rs. C-199/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.01.2009 – Verg 59/08).
Insbesondere darf im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die gegebenenfalls bessere Eignung eines Bieters grundsätzlich nicht zu Ungunsten eines preisgünstigeren Angebots berücksichtigt werden. Eine „mehr an Eignung“ ist kein zulässiges Wertungskriterium (BGH, Urteil vom 15.04.2008 – X ZR 129/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.09.2009 – Verg 12/09).
Als Zuschlagskriterium unzulässig wurden danach unter anderem angesehen:
– spezielle und allgemeine Erfahrungen in der konkreten Planung ähnlicher Projekte entweder seitens der Berater oder Beratungsfirmen und ihres wissenschaftlichen Personals (EuGH, Urteil vom 21.11.2009 – Rs. C-199/07),
– Erfahrung mit der Projektdurchführung / Mitarbeiterprofile (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.09.2009 – Verg 12/09) sowie
– Plausibilität des Angebots / Machbarkeit der Leistung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.01.2009 – Verg 59/08).
Nur in wenigen Ausnahmefällen darf eine graduell verschiedene Eignung der Bieter bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots vom öffentlichen Auftraggeber berücksichtigt werden. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf setzt dies voraus, dass die Eignungsmerkmale einen spezifischen Bezug zur Auftragsausführung aufweisen, eine ordnungsgemäße Erfüllung der gestellten Anforderungen erwarten lassen und sich nach dem Verlangen des öffentlichen Auftraggebers im Angebot ausdrücklich niederschlagen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.05.2008 – Verg 5/08).
Der EuGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass es bei einem Auftrag über Dienstleistungen mit intellektuellem Charakter zulässig sei, sowohl die Befähigung und Erfahrung der Personen als auch deren beruflichen Werdegang zum Gegenstand eines Zuschlagskriteriums zu machen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien läge nicht vor, wenn sich erstens die Qualität der Auftragsausführung maßgeblich von der beruflichen Qualifikation der mit der Ausführung beauftragten abhängt und zweitens die Erfahrungen derjenigen Personen abgefragt werden, die als ein konkretes Team den Auftrag ausführen sollen (so entschieden für eine Dienstleistung im Bereich der Fortbildung und Beratung, EuGH, Urteil vom 26.03.2015 – Rs. C-601/13).
In diesem Sinne bestimmt § 4 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 VgV für sog. nachrangige Dienstleistungen, dass Eignungsaspekte als Wertungskriterien Berücksichtigung finden können, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese einen erheblichen Einfluss auf die Qualität der Auftragsausführung haben.
Ob es für die Beurteilung früherer Leistungen darauf ankommt, dass das Personal personenidentisch zur Ausführung der fraglichen Ausschreibung eingesetzt wird, hat das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 17.12.2014 – VII Verg 22/14) mit Blick auf laufende Veränderungen der Personalzusammensetzung eines Unternehmens verneint. Anderer Auffassung war diesbezüglich vorgehend die VK Bund (Beschluss vom 16.06.2014 – VK1 38/14).
Grundsätzlich bleibt es allerdings bei dem strikten Gebot der Trennung zwischen Zuschlags- und Eignungskriterien. Die Problematik wurde zwischenzeitlich intensiv und wiederholt in Rechtsprechung, Literatur und Bieterkreisen diskutiert. Daher gehen mittlerweile einige Oberlandesgerichte davon aus, dass ein Verstoß gegen die Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien für durchschnittliche Bieterkreise erkennbar, ein entsprechender Verstoß mithin unverzüglich zu rügen ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.11.2014 – 15 Verg 6/14; OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2013 – 13 Verg 8/13). Das Gebot der Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien gehöre zum allgemeinen und grundlegenden vergaberechtlichen Wissen. Während das OLG München (Beschluss vom 25.07.2013 – Verg 7/13) speziell auf die Kenntnis der dort beteiligten Bieterkreise abstellt, hält das OLG Celle (aaO.) Erkennbarkeit unabhängig davon für gegeben, ob man einen objektiven, oder subjektiven Erkenntnismaßstab zugrunde legt.
Fazit für die Vergabepraxis
Die Prüfung der Eignung und der Wirtschaftlichkeit unterliegt verschiedenen Regeln und erfolgt auf Grundlage unterschiedlicher Kriterien. Sie sind als unterschiedliche Vorgänge klar voneinander zu trennen. Nur ausnahmsweise darf die Eignung der Bieter in die Wirtschaftlichkeitsprüfung eingehen. Im Falle einer unzulässigen Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien ist dies unverzüglich zu rügen, das Vergabeverfahren insgesamt aufzuheben oder aber wenigstens in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen.
Anmerkung der Redaktion
Bei diesem Beitrag handelt es sich um die aktualisierte Fassung, Stand: 26. März 2015.
Dr. Christian-David Wagner
Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.