Rückblick auf die Speyerer ÖPP-Tage 2010 und die Speyerer Vergaberechtstage 2010
Auch dieses Jahr hatte die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer unter Leitung und Organisation von Herrn Prof. Dr. Jan Ziekow wieder zu den Speyerer ÖPP-Tagen (22./23.09.2010) und unmittelbar im Anschluss zu den Speyerer Vergaberechtstagen (23./24.09.2010) mit namhaften Referenten zu aktuellen Themen geladen. Aus Platzgründen kann an dieser Stelle lediglich ein selektiver Überblick geboten werden, ohne hiermit die Relevanz der nicht erwähnten Vorträge in Abrede zu stellen.
Die Speyerer ÖPP-Tage wurden eingeleitet durch zwei anschauliche Referate von RA Dr. Mathias Finke sowie RA Matthias Berger zu Verfahrensfragen von ÖPP-Ausschreibungen aus Auftraggebersicht. Dabei standen weniger rechtliche Themen im Vordergrund als vielmehr die Darstellung der zahlreichen organisatorischen und projektablaufbezogenen Anforderungen, denen sich Rechtsberater auch und gerade bei ÖPP-Projekten zu stellen haben, um der Vergabe zum Erfolg zu verhelfen. Beide Referenten bestätigten die Notwendigkeit einer vorausschauenden Organisation des Vergabeprozesses, um den Transaktionsaufwand möglichst gering zu halten. Herr Hermann Altmeppen und Herr Horst Behr beleuchteten im Anschluss mit ihren Ausführungen zur Immobilienbewertung und Nachhaltigkeit immobilienwirtschaftliche und -technische Aspekte, die die öffentliche Hand bei der Gestaltung von ÖPP-Projekten berücksichtigen sollte.
Der Nachmittag und der folgende Vormittag gehörten dann im Wesentlichen Erfahrungsberichten zu verschiedenen aktuellen ÖPP-Projekten, angefangen von der kleinen Sportanlage bis zu partnerschaftlich aufgesetzten städtebaulichen Projekten. Von besonderem Interesse waren in diesem Zusammenhang die Darstellungen zu den ÖPP-Projekten Fürst-Wrede-Kaserne in München und der JVA in Burg. Bezüglich der Kaserne schilderte für den Auftraggeber Herr Matthias Leckel, Präsident des Bundesamtes für Wehrverwaltung, die Hintergründe der Entstehung und Abwicklung dieses Hochbau-PPP-Pilotprojekts des Bundes, für den Auftragnehmer sprach im Anschluss Herr Christian Burrichter, Leiter technisches Management der Hochtief AG, Essen. Beide Referenten vermittelten den Eindruck eines gelungenen Projekts, ohne die Schilderung praktischer Schwierigkeiten auszusparen, die sich aber offenbar als ohne weiteres handhabbar darstellen. In die praktischen Einzelheiten ging auch der überaus unterhaltsame Vortrag von Arne Speer, Direktor Bilfinger Berger Project Investments, Wiesbaden, zu den Erfahrungen des Auftragnehmers mit Bau und Betrieb der JVA Burg. Aus diesem Vortrag durfte der Zuhörer mitnehmen, dass in einer JVA der PPP-Auftragnehmer nicht nur verantwortliche Aufgaben bei der Insassenbetreuung hat, sondern auch bezüglich der vorrangigen Erhaltung des Emblems der gefängniseigenen Fußballmannschaft, eines Eichenbaums, sowie des Schokoriegelnachschubs. Malusregelungen im PPP-Vertrag können eben rigoros sein.
Unmittelbar im Anschluss begannen dann die Speyerer Vergaberechtstage mit deutlich größerem Zuhörerkreis. Hier ging es gleich wesentlich juristischer zu. Zunächst zeichnete Herr RA Dr. Peter Schäfer, Referent beim BDI, ein vergleichsweise düsteres Bild von den laufenden und anstehenden Rechtsentwicklungen im Vergaberecht auf europäischer Ebene, insbesondere zur fortschreitenden Fragmentierung des europäischen Rechtsrahmens. Im Anschluss schilderte Frau RiOLG Frister vom Düsseldorfer Vergabesenat die Ansätze der Judikative zur Entrechtlichung und Vereinfachung des Vergaberechts auf Rechtsanwendungsebene. Einige dieser Ansätze erfuhren in der Folge eine kritische Würdigung durch Herrn RA Dr. Clemens Antweiler, der hierin verschiedentliche Gefahren für den Bieterrechtsschutz ausmachte. Leider kam es aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits stark überdehnten Zeitplans nicht mehr zu der ausgiebigen Diskussion der von beiden Referenten angesprochenen Themen, welche diese verdient hätten.
Den Abschluss dieses Tages, jedenfalls des nicht-kulinarischen Teils, sowie den Beginn des letzten Tages markierten zwei den Blick über den Tellerrand öffnende Referate von Prof. Dr. Ming-Hsin Lin von der National Taiwan University, Taipei, zum taiwanesischen Vergaberecht, sowie von Herrn RA Priv.-Doz. Dr. Bernhard Müller aus Wien zur österreichischen Bundesvergabegesetznovelle 2009 und ihren Unterschiede zum deutschen Recht, insbesondere in den Bereichen Vertragsnichtigkeit bei Direktvergabe und Eignungsnachweisen.
Im Anschluss behandelten die Referenten bis zum Ende der Veranstaltung in ihren Vorträgen eine aktuelle Fragestellung nach der anderen: Sind bei kommunalen Grundstücksgeschäften nach der Entscheidung des EuGH vom 25.03.2010 alle Unklarheiten beseitigt? Mitnichten. Muss der Bieter nach den Urteilen des EuGH vom 28.01.2010 noch nach § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB rügen? Es ist ihm zu empfehlen. Was ändert sich durch die Neufassung des § 97 Abs. 3 GWB in Bezug auf die Losvergabe? Wohl wenig. Auch die aktuellen Fragestellungen im SPNV nach dem Inkrafttreten der VO 1370/2007 und die Zukunft der Krankenkassenausschreibungen nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz werden noch eingehend beleuchtet.
Bei pünktlich zum Wochenende einsetzenden Regen verließen die Teilnehmer versorgt mit umfassenden Betrachtungen zu aktuellen Themen in den jeweiligen Bereichen den Tagungsort Speyer. Beide Veranstaltungen haben erneut belegt, dass sie ihren Platz im spätsommerlich/frühherbstlich dicht gedrängten vergaberechtlichen Veranstaltungskalender verdient haben.
Mehr Informationen über den Autor Dr. Mathias Mantler, Kaufmann Lutz Rechtsanwaltsgesellschaft mbh, München, finden Sie im Autorenverzeichnis.