Keine Befreiung von der Ausschreibungspflicht bei behördlicher Zuweisung von Aufträgen (VK Schleswig-Holstein, Beschluss v. 26.05.2010 – VK-SH 01/10)
Die Vergabestelle als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger hat mit einem kommunalen Unternehmen im Jahr 1997 einen Abfallentsorgungsvertrag im Wege einer In-House-Vergabe auf unbestimmte Dauer geschlossen. Der Entsorgungsvertrag sieht eine automatische Verlängerungsoption vor. Das kommunale Entsorgungsunternehmen ist im Jahr 2003 teilprivatisiert worden. Nach der Landesverordnung über den Abfallwirtschaftsplan Siedlungsabfälle (Landesverordnung) sind dem Entsorgungsunternehmen die Abfälle aus dem Entsorgungsvertrag zur Entsorgung in seiner Anlage zugewiesen worden.
Die Vergabestelle beschloss unter Verzicht auf das Kündigungsrecht, den Entsorgungsvertrag mit dem Entsorgungsunternehmen fortzuführen. Neben der Frage, ob der Verzicht auf eine Kündigungsoption einen ausschreibungsrelevanten Vorgang darstellt, war streitig, ob infolge der Zuweisung der Abfälle aufgrund Landesverordnung das Kartellvergaberecht keine Anwendung findet.
Keine Ausnahme nach § 100 Abs. 2 lit. g GWB
Die Vergabekammer (VK Schleswig-Holstein, Beschluss v. 26.05.2010 – VK-SH 01/10) sieht in der Zuweisung von Entsorgungsdienstleistungen nach Landesverordnung kein für den Ausnahmetatbestand des § 100 Abs. 2 lit. g GWB erforderliches ausschließliches Recht zur Erbringung der Leistung. Aus diesem Grund würde eine Neuvergabe der Entsorgung einen ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrag darstellen.
Zum einen beschränkt sich die Landesverordnung ohnehin auf die reine Entsorgungsleistung, wohingegen der Entsorgungsvertrag auch darüber hinausgehende Leistungen wie beispielsweise die Einsammlung, Beförderung, Sortierung der Abfälle sowie die Erstellung der jährlichen Abfallbilanz und die Mitwirkung bei der Vorbereitung von Abfallsatzungen betrifft. Schon deshalb ist fraglich, ob ein Ausschließlichkeitsrecht hinsichtlich der vom Entsorgungsvertrag erfassten Leistungen in ihrer Gesamtheit überhaupt in Betracht kommt.
Zum anderen kann aus der Landesverordnung zugunsten des Entsorgungsunternehmens auch kein ausschließliches Recht gefordert werden. Adressat dieser Landesverordnung ist der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, mithin die Vergabestelle. Für die Vergabestelle besteht nach der Landesverordnung die Pflicht, die ihr überlassenen Abfälle ausschließlich in Anlage des Entsorgungsunternehmens zu entsorgen. Nicht aber geht mit dieser Pflicht der Vergabestelle spiegelbildlich ein ausschließliches Recht des Entsorgungsunternehmens zur Leistungserbringung einher. Das eigentliche Recht sowie auch die Pflicht zur Entsorgung erlangt das Entsorgungsunternehmen erst aus dem privatrechtlich geschlossenen Entsorgungsvertrag.
Bestätigung der Auffassung des OLG Düsseldorf
Bestätigt wird durch diese Entscheidung die Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 09.04.2003 – Verg 66/02), wonach aus Landesverordnungen zu Abfallwirtschaftsplänen kein Recht für diejenigen resultiert, denen Abfallbeseitigungsleistungen zur Erbringung zugewiesen werden. Die Rechtswirkungen der Abfallwirtschaftspläne erschöpfen sich vielmehr ausschließlich in der Verpflichtung des Abfallbeseitigungspflichtigen, den Abfall in den im Abfallwirtschaftsplan verbindlich vorgegebenen Anlagen zu entsorgen. Nicht hingegen – wie für § 100 Abs. 2 lit. g GWB erforderlich – wird dem Betreiber der Abfallbeseitigungsanlage ein Recht auf die Erbringung der Abfallentsorgungsleistung eingeräumt.
Zudem ist der Ausnahmetatbestand nur für die Fälle einschlägig, in denen ein Leistungsrecht durch Gesetz oder Rechtsverordnung verschafft wird. Eine ordnungsbehördliche Verordnung erfüllt diese Voraussetzung hingegen nicht.
Mehr Informationen über den Autor Dr. Dominik R. Lück, Köhler & Klett Rechtsanwälte Partnerschaft, Köln, finden Sie im Autorenverzeichnis.