Änderung des Leistungsumfangs nach Submission erfordert Preisanpassung der Bieter (OLG Düsseldorf, 05.01.2011 – VII-Verg 46/10)
Öffentliche Auftraggeber dürfen auch nach Öffnung der Angebote (Submission) eine Anpassung des Leistungsumfangs vornehmen. Allerdings ist den Bietern Gelegenheit zu geben, ihre Angebote entsprechend zu ändern. Ansonsten verstößt der Auftraggeber nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 5. Januar 2011 (Az.: VII-Verg 46/10) gegen das in der VOB/A geregelte Gebot, den Bietern eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen. Der Vergabesenat unterstreicht hiermit die Bedeutung der dem Auftraggeber obliegenden Pflicht zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung.
Gegenstand der Entscheidung
Der Auftraggeber schrieb Verkehrssicherungsarbeiten an einer Bundesautobahn europaweit gemäß VOB/A aus. Der zu vergebende Leistungsgegenstand gehört zu einer größeren Baumaßnahme, die in mehrere Bauabschnitte gegliedert ist. Die Verkehrssicherungsleistungen aus der vorangegangenen Bauphase hatte die Antragstellerin als Auftragnehmerin durchgeführt. Nach Submission beauftragte der Auftraggeber die Antragsstellerin im Wege des Nachtrags zum Vorauftrag mit Teilleistungen der laufenden Ausschreibung. Trotz reduzierten Leistungsinhalts wurde der Zuschlag auf das unverändert gebliebene Angebot des bisherigen Bestbieters erteilt.
In ihrem Nachprüfungsantrag machte die Antragstellerin geltend, dass sich durch die Beauftragung eines Teils der ausgeschriebenen Leistungen die Kalkulationsgrundlagen erheblich verändert haben. Die Bieter hätten Gelegenheit erhalten müssen, auf die Veränderung des Leistungsumfangs durch Überarbeitung ihrer Angebote zu reagieren.
Inhalt der Entscheidung
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist den Bietern in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit zu geben, auf eine Änderung des Leistungsumfangs zu reagieren. Stellt der Auftraggeber – auch noch nach Submission – fest, dass sich der Beschaffungsbedarf verändert hat, so müssen die Bieter auf Basis des angepassten Leistungsverzeichnisses ihre Angebote neu kalkulieren können. Diese Auslegung ergebe sich aus § 9 Nr. 1 Satz 1, Nr. 3 Absatz 1 VOB/A 2006 (§ 7 Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 2 VOB/A 2009). Danach ist die Leistung eindeutig und erschöpfend so zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und ihre Preise sicher berechnen können. Außerdem sind sämtliche die Preisermittlung beeinflussenden Umstände vom Auftraggeber festzustellen und in den Vergabeunterlagen anzugeben. Diese Vorschriften konkretisierten den vergaberechtlichen Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach die Bieter bei der Abfassung der Angebote den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen.
Die Vergabekammer war der Auffassung, dass eine uneingeschränkte Durchsetzung der Grundsätze des § 9 Nr. 1 Satz 1, Nr. 3 Absatz 1 VOB/A 2006 wettbewerblich nicht geboten sei. Bei einer erneuten Angebotsabgabe wäre nämlich nicht eine erhebliche Veränderung des Leistungsgefüges erstmals zu kalkulieren, sondern es käme angesichts der bereits bekannten Sumissionsergebnisse zu einem spekulativen Preiskampf der Bieter.
Einer gebotenen Wiederholung der Angebotsabgabe steht nach Überzeugung des OLG Düsseldorf hingegen auch eine für den Auftraggeber theoretisch bestehende Manipulationsmöglichkeit nicht entgegen. Zwar sei ein transparenter Wettbewerb nicht mit einer im Belieben des Auftraggebers stehenden Wiederholung der Angebotsabgabe nach Submission zu vereinbaren. Ob eine Änderung des Leistungsumfangs auf willkürlichen und sachfremden Erwägungen beruht, könne jedoch von den Vergabenachprüfungsinstanzen uneingeschränkt kontrolliert werden. Die von der Vergabekammer und dem Auftraggeber beschriebene Manipulationsgefahr bestehe daher tatsächlich nicht.
Der Nachprüfungsantrag war jedoch auch in der Beschwerdeinstanz nicht erfolgreich, weil die Reduzierung des Auftragsumfangs geringer ausfiel als der Preisvorsprung des Bestbieters. Die Kenntnis des Wegfalls der nachträglich beauftragten Positionen des Leistungsverzeichnisses konnte damit die Kalkulation in einer die Angebotsreihenfolge ändernden Weise nicht beeinflussen.
Fazit und Praxishinweis
Ergeben sich im Rahmen eines Vergabeverfahrens Änderungen im Leistungsumfang, muss den beteiligten Bietern stets die Möglichkeit gegeben werden, ihre Angebote anzupassen. Dem OLG Düsseldorf zufolge gilt dies auch für Änderungen, die erst nach Submission eintreten. Unzulässig soll eine Änderung erst dann sein, wenn der Auftraggeber sachfremde Erwägungen anstellt oder willkürlich handelt. Obwohl die Entscheidung Auftraggebern in gewisser Hinsicht neue Spielräume eröffnet, obliegt diesen nach wie vor die Pflicht, bereits vor Einleitung des Vergabeverfahrens die zu beschaffende Leistung abschließend zu beschreiben. Eine Änderung des Leistungsinhalts ohne Beteiligung aller betroffenen Bieter dürfte nur in begrenztem Umfang zulässig sein. Sofern eine Anpassung in größerem Umfang notwendig wird, muss außerdem die Identität des Beschaffungsvorhabens gewahrt bleiben.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Dort berät und vertritt er insbesondere öffentliche Auftraggeber, aber auch Unternehmen, in allen Fragen des Vergaberechts, ein Schwerpunkt liegt hierbei im Dienstleistungsbereich. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.