Nachreichen fehlender Preisangaben auch nach neuer VOL/A nicht möglich (VK Nordbayern, Beschluss v. 03.02.2011 – 21. VK-3194-50/10)
§ 19 EG VOL/A
Seit Inkrafttreten der VOL/A 2009 hat der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, fehlende Nachweise und Erklärungen von den Bietern nachzufordern. Diese Nachforderungsmöglichkeit gilt jedoch grundsätzlich nicht für fehlende Preisangaben. Dies hat die VK Nordbayern in ihrer Entscheidung vom 03.02.2011 (Az 21. VK-3194-50/10) nunmehr ausdrücklich bestätigt. Sie kam dabei zu dem Ergebnis, dass das Angebot wegen der fehlenden Preisangabe zwingend auszuschließen war.
Grundsätzliche Nachforderungsmöglichkeit nach der VOL/A 2009
Wie bereits im Vergabeblog diskutiert, ist eine Nachforderung fehlender Nachweise und Erklärungen durch die öffentliche Hand nunmehr nach Maßgabe der Vorschriften in § 19 EG Abs. 2 VOL/A möglich. Während die VOB/A hierbei sogar eine Nachforderungspflicht der öffentlichen Hand vorsieht (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A), steht die Entscheidung zur Nachforderung im Bereich der Dienst-und Lieferaufträge im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers.
Eine wesentliche Einschränkung zur Nachforderungsmöglichkeit findet sich jedoch in § 19 EG Abs. 2 S. 2 VOL/A. Danach gilt die Nachforderungsmöglichkeit nicht
„für Preisangaben, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.“
VK Nordbayern: Fehlende Preisangabe führt zu zwingendem Angebotsausschluss
Die VK Nordbayern hat in ihrem Beschluss vom 03.02.2011 das Fehlen einer wesentlichen Preisangabe angenommen. Konkret ging es einen Teilwartungsvertrag, den der Bieter entgegen der Forderung des öffentlichen Auftraggebers nicht mit dem Angebot eingereicht hatte. In diesen Teilwartungsvertrag waren u.a. auch Preise für die verschiedenen Wartungsaufgaben anzugeben, die mangels Vertrag (natürlich) auch fehlten. Für eine Wesentlichkeit dieser fehlenden Preisangaben stellte die Vergabekammer nicht auf deren Einfluss auf den Gesamtpreis oder das Wertungsergebnis ab. Vielmehr reichte nach ihrer Auffassung der Umstand, dass die ausschreibende Stelle in den Vergabeunterlagen selbst zum Ausdruck gebracht habe, dass diese Preisangaben für sie wesentlich seien.
Fehlen wesentliche Preisangaben, muss der öffentliche Auftraggeber das Angebot des betroffenen Bieters ausschließen, selbst wenn dieser Mangel erst im Zuge der Prüfung durch die Vergabekammer zu Tage tritt. Denn, so die VK Nordbayern, die Vollständigkeitsprüfung nach § 19 EG Abs. 1 VOL/A liegt nicht im Ermessen des Auftraggebers; er ist zu ihrer Durchführung verpflichtet.
VK Hessen: anderer Lösungsweg mit gleichem Ergebnis
In einem vergleichbaren Fall kam die VK Hessen in ihrem Beschluss vom 10.12.2010 (Az: 69d VgK – 38/2010) über einen anderen Lösungsweg ebenfalls zum zwingenden Angebotsausschluss. Grundlage dieser Entscheidung war ein Angebot für einen Bauauftrag, in welchem eine ganze Leistungsverzeichnisposition fehlte. Die VK Hessen entschied, dass in diesem Mangel weder eine fehlende Preisangabe noch ein fehlender Nachweis zu sehen wäre, sondern eine unzulässige Abänderung der Vergabeunterlagen. Mit der fehlenden Leistungsverzeichnisposition hat der Bieter eine andere Leistung angeboten, als der Auftraggeber mit seinen Vergabeunterlagen ausgeschrieben hatte. Aus diesem Grund war das Angebot gemäß § 16 Abs. 1 Nr.1 lit. b) iVm § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A (entspricht § 19 Abs. 3 lit. d) EG VOL/A) zwingend von der weiteren Wertung auszuschließen.
Vielleicht wäre dieser Lösungsansatz auch in dem der Entscheidung der VK Nordbayern zu Grunde liegenden Fall passender gewesen. Auch dort fehlte nicht nur eine einzelne Preisangabe, sondern mit dem gesamten Teilwartungsvertrag ein nicht unwesentlicher Teil des ausgeschriebenen Auftrages. Im Fehlen des Vertrages lag auch der wesentliche Mangel des Angebots und nicht etwa darin, dass mit dem Vertrag (zwangsläufig) auch die darin anzugebenden Preise fehlten.
Fazit:
Auch wenn die VOL/A 2009 nunmehr grundsätzlich eine Nachforderungsmöglichkeit für fehlende Nachweise und Erklärungen vorsieht, ist dies für die Bieter noch kein Grund zur übermäßigen Entspannung. Neben der Tatsache, dass im Rahmen der VOL/A die Nachforderung ohnehin im Ermessen des Auftraggebers steht, kann bei einem unvollständigen Angebot auch leicht eine Konstellation gegeben sein, in der die Voraussetzungen für eine Nachforderungsmöglichkeit gar nicht erst vorliegen. Wie gezeigt, wäre dies zum Beispiel der Fall, wenn mit einem fehlenden Dokument auch darin abgefragte Preisangaben nicht gemacht wurden oder aber die Unvollständigkeit zu einer unzulässigen Abweichung des Angebots von den Vergabeunterlagen führt.
Die Autorin Julie Wiehler, LL.M., ist bei der Bitkom Servicegesellschaft mbH im Bereich Vergaberecht für „Bitkom Consult – Öffentliche Aufträge“ zuständig. Sie ist Rechtsanwältin und berät und unterstützt Unternehmen der ITK-Branche bei öffentlichen Ausschreibungen. Mehr Informationen finden Sie im Autorenverzeichnis.