Alle Jahre wieder: EU-Kommission will eVergabe unterstützen
Es ist Mitte 2011. Diesen Beitragstitel hätten Sie ebenso gut 2010, 2009, 2008, 2007, 2006 usw. hier lesen können. Alle reden über die eVergabe, aber was passiert wirklich? Nach wie vor sind es deutlich unter 10 % vollelektronischer öffentlicher Beschaffung in Deutschland. Nun lässt die EU-Kommission verlauten, man wolle “die Einführung der elektronischen Auftragsvergabe unterstützen”. Sie kündigt dazu eine Reihe von Maßnahmen an, mit deren Hilfe die Einführung der eVergabe in der EU beschleunigt werden soll.
Wenn Sie bis hier her weitergelesen haben, dann spricht das immerhin dafür, dass Sie der Kommission eine wirksame Unterstützung der eVergabe noch zutrauen. Die anstehende Überarbeitung der EU-Regeln für die öffentliche Beschaffung soll auch die elektronische Beschaffung betreffen. Was genau will man dazu in Brüssel unternehmen?
Informelle Sachverständigengruppe
Die Kommission will eine “informelle Sachverständigengruppe” zu eVergabe aufsetzen: Diese soll führende Sachverständige auf dem Gebiet der eVergabe – zu technischen Konzepten ebenso wie zu politischen Strategien – umfassen. Bis Ende 2012 soll die Gruppe Funktionsanforderungen (sog. „Blueprint“) für nach einheitlichen Grundsätzen gestaltete eVergabelösungen ausarbeiten. Die Kommission fordert qualifizierte Sachverständige auf, sich zur Teilnahme an dieser Gruppe zu bewerben (Einsendeschluss für Bewerbungen ist der 30.9.2011).
Analyse der Ist-Situation
Zudem beginnt die Kommission mit der Analyse der Nutzung der eVergabe in allen Mitgliedstaaten, um hier Best-Practise-Lösungen zu identifizieren und diese zu fördern. Dazu hat die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen im Juli eine “Studie über Messung und Benchmarking im elektronischen Beschaffungswesen” ausgeschrieben. Ergebnis soll eine “Fallsammlung vorbildlicher Verfahren mit den aktivsten/erfolgreichsten e-Beschaffungslösungen in Europa” sein, damit andere Mitgliedsstaaten “statt das Rad neu zu erfinden oder in unproduktive Lösungen zu investieren” sich hieran orientieren können.
Unterstützung aus den Mitgliedsstaaten
Aus den inzwischen veröffentlichten Stellungnahmen zum Grünbuch der EU-Kommission zur Novellierung der europäischen Vergaberechtsrichtlinien gehe hervor, “dass die obligatorische Nutzung von e-Beschaffung in der EU großen Anklang findet”. Danach finde ein Tätigwerden auf EU-Ebene, wozu auch Rechtsvorschriften zur Erleichterung standardisierter eVergabelösungen zählen, breite Unterstützung. Eine knappe Mehrheit der insgesamt 77 eingegangenen Kommentare zum Grünbuch spreche sich sogar dafür aus, die Nutzung der eVergabe auf EU-Ebene verbindlich vorzuschreiben.
Vertraute Worte
Begleitet wird das ganze vom üblichen Brüsseler Lametta. Kommissar Barnier in einer aktuellen Pressemitteilung, die ebenso gut aus dem Jahr 2006 stammen könnte:
„e-Beschaffung ist die Zukunft des öffentlichen Auftragswesens. […] In fünf bis zehn Jahren wird der Großteil der Verwaltung der öffentlichen Beschaffung elektronisch abgewickelt werden. Wir müssen uns bereits jetzt auf diesen Wandel vorbereiten. Auf EU-Ebene müssen wir sicherstellen, dass der Umstieg durch das rechtliche und politische Umfeld gefördert wird. Die Grundlagen, mit deren Schaffung heute begonnen wird, stellen einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung auf den Einsatz neuer Technologien für eine bessere Beschaffung dar.“
Die geplante informelle Sachverständigenrunde ist nicht die erste “Task Force” zur eVergabe. Sie wird ganz sicher auch nicht die Letzte sein.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.
Der Autor Marco Junk ist Rechtsanwalt und war bis 2011 als Bereichsleiter Vergaberecht beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) Mitglied im DVAL und im Beraterkreis eVergabe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Er ist Herausgeber des Vergabeblog und leitet seit März 2011 die Online-Redaktion des Verlags C. H. Beck.