OLG Düsseldorf: Zur Zulässigkeit von Wahlpositionen (Beschluss v. 13.04.2011 – Verg 58/10)
§ 8 EG Abs. 1 VOL/A
Gemäß § 8 EG Abs. 1 VOL/A ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Der Auftraggeber ist verpflichtet, seine Vorstelllungen von der gewünschten Leistung in Bezug auf technische Merkmale oder Funktionen, Menge und Qualität so deutlich werden zu lassen, dass die Bieter Gegenstand, Art und Umfang der Leistung zweifelsfrei erkennen können. Es gilt der Grundsatz: je detaillierter, desto besser. In der Vergabepraxis kann zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Vergabeunterlagen jedoch oft noch nicht verbindlich festgelegt werden, in welcher Form eine Leistung erbracht werden soll. In diesen Fällen bietet es sich an, neben der Grundposition sog. Wahl- oder Alternativpositionen auszuschreiben. Inwiefern die Ausschreibung von Wahlpositionen vergaberechtlich zulässig ist, hat zuletzt das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 13.04.2011 –Verg 58/10) entschieden.
Sachverhalt
Ein Auftraggeber schrieb das Einsammeln und Befördern von Abfällen europaweit aus. In den Vergabeunterlagen war als einziges Zuschlagskriterium der niedrigste Preis bestimmt. Ferner wurden die Bieter aufgefordert, einen Angebotspreis für eine wöchentliche Leerung und alternativ für eine zweiwöchentliche Leerung abzugeben. Den Vergabeunterlagen war jedoch nicht zu entnehmen, dass der öffentliche Auftraggeber bereits im Zeitpunkt der Beauftragung eine endgültige Entscheidung über einen ein- oder zweiwöchigen Abfuhrrhytmus treffen wollte und dass diese Entscheidung allein vom Preis abhängig gemacht werden sollte.
Begriff der Wahlpositionen
Einführend stellt das OLG Düsseldorf fest, dass es sich bei der Preisabfrage um eine echte Wahl- oder Alternativposition handelt. Wahlpositionen seien dadurch gekennzeichnet, dass sich der Auftraggeber noch nicht auf einen bestimmtem Leistungs- oder Ausführungsinhalt festgelegt habe, sondern mehrere Alternativen der Leistungserbringung ausschreibe, von denen er nach Kenntnisnahme der Angebotsinhalte eine Alternative für den Zuschlag auswählt. Im Falle der Ausschreibung von Wahlpositionen behalte sich der Auftraggeber mithin vor, die Grundposition durch die Wahl- oder Alternativposition zu ersetzen.
Davon zu unterscheiden seien sog. Bedarfspositionen. Solche Positionen würden Leistungen enthalten, bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung der Leistungsbeschreibung noch nicht feststehe, inwieweit sie tatsächlich zur Ausführung kommen werden. Darüber werde erst im Rahmen der Ausführung, mithin nach der Zuschlagserteilung, entschieden.
Zulässigkeit und formale Anforderungen
Nach Ansicht des Vergabesenats ist der Ansatz von Wahlpositionen jedoch nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Die Aufnahme von Wahlpositionen in das Leistungsverzeichnis tangiere die Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung sowie die Transparenz des Vergabeverfahrens. Es müsse daher auf Seiten des Auftraggebers ein berechtigtes Interesse bestehen, die Leistung in den betreffenden Punkten einstweilig offen zu halten. Dies könne beispielsweise dann angenommen werden, wenn mithilfe der Wahlposition die Kosten für verschiedene Ausführungsvarianten erfahren und die kostengünstigste bezuschlagt werden soll.
Allerdings müsse der Auftraggeber den Bietern vorab bekannt machen, welche Kriterien für die Inanspruchnahme der ausgeschriebenen Wahlpositionen maßgebend sein sollen. Andernfalls sei ein transparentes Vergabeverfahren nicht gewährleistet.
Nach Ansicht des OLG Düsseldorf war der Auftraggeber im konkreten Fall daher verpflichtet, in den Vergabeunterlagen auf den Preis als entscheidenden Maßstab für die Inanspruchnahme der Wahlpositionen hinzuweisen. Das Vergabeverfahren sei daher bis zum Zeitpunkt der Übersendung der Leistungsbeschreibung nebst Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen.
Fazit für die Vergabepraxis
Die Ausschreibung von Wahlpositionen ist grundsätzlich zulässig. Mit Blick auf das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung ist die Aufnahme von Wahlpositionen in das Leistungsverzeichnis jedoch an enge Voraussetzungen geknüpft. Zum einen muss der Auftraggeber einen sachlich gerechtfertigten Grund dafür nachweisen, weshalb er die zu beauftragende Leistung in den betreffenden Punkten einstweilig offen hält. Zum anderen muss dem Bieterkreis vorab bekannt gemacht werden, welche Kriterien für die Inanspruchnahme der ausgeschriebenen Wahlpositionen maßgebend sein sollen.
Darüber hinaus ist der Anteil der Wahlpositionen an der Gesamtleistung auf ein Minimum zu beschränken. Leider lässt der Vergabesenat insoweit offen, welchen Umfang bzw. welches Ausmaß an Wahlpositionen er für zulässig ansieht. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass zum Teil es eine feste prozentuale Begrenzung von höchstens 10% für das Verhältnis von Wahlpositionen im Verhältnis zu den Grundpositionen für zulässig erachtet wird bzw. nach anderer Ansicht der Umfang der Wahlpositionen dann unzulässigerweise überschritten ist, wenn sie so gehäuft auftreten und ein solches Gewicht in der Wertung erlangen, dass sie die Grundpositionen mengenmäßig verdrängen.
Der Autor Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt bei der Sozietät Scharlemann Rechtsanwälte in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber. Mehr informationen finden Sie im Autorenverzeichnis.