BGH: Rückforderung von Investitionszuschüssen wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist rechtmäßig (Urteil vom 17.11.2011 – Az. III ZR 234/10)
Die Rückforderung von Zuwendungen (Investitionszuschüsse oder Subventionen) auf Grund vergaberechtlicher Verstöße ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den Blickpunkt der Rechtspraxis geraten. Im Zusammenhang mit der Auferlegung von zuwendungsrechtlichen Vergabepflichten in Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen gab es bereits in den letzten Jahren einige viel beachtete Gerichtsentscheidungen mit zum Teil erheblichen finanziellen Konsequenzen. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 17. November 2011 (Az.: III ZR 234/10) die Rückforderung eines Investitionszuschusses als rechtmäßig erachtet, weil der Zuwendungsempfänger bei der Verwirklichung des geförderten Projekts gegen Vergaberecht verstoßen hat.
Hintergrund
Das Vergaberecht und das Zuwendungs- bzw. Subventionsrecht sind grundsätzlich getrennte Rechtsmaterien. Während die Öffentliche Hand bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für ihre Geldleistungen eine bestimmte Gegenleistung bekommt, stellen Investitionszuschüsse oder Subventionen freiwillige – wenngleich zweckgebundene – vermögenswerte Leistungen des Staates zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dar, ohne dass dem ein Leistungsaustausch zu Grunde liegt. Schnittmengen zwischen Zuwendungsrecht und Vergaberecht ergeben sich jedoch dann, wenn die Rechtsordnung Zuwendungsempfänger zur Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften verpflichtet. Eine solche Verpflichtung liegt in zwei Fallkonstellationen vor:
– Zum einen werden gemäß § 98 Nr. 5 GWB auch Personen des Privatrechts wegen überwiegender öffentlicher Finanzierung als öffentlicher Auftraggeber behandelt, weil sie für bestimmte dort aufgezählte Bauvorhaben von öffentlichen Auftraggebern Mittel erhalten, mit denen diese Bauvorhaben zu mehr als 50 % finanziert werden.
– Zum anderen sehen allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen als Teil der Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO bzw. den §§ 44 ff. Haushaltsordnungen der Länder vor, dass ab einer bestimmten Schwelle bei der Vergabe von Aufträgen die Bestimmungen der VOB/A bzw. VOL/A anzuwenden sind.
Bei genauerer Betrachtung verfolgen § 98 Nr. 5 GWB und Nebenbestimmungen für Zuwendungen indes unterschiedliche rechtliche Zielstellungen, die im Zusammenhang mit der vom BGH entschiedenen Problemstellung von zentraler Bedeutung sind. Die Vorschrift des § 98 Nr. 5 GWB erweitert nämlich den personalen Anwendungsbereich des Vergaberechts, während die allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen nicht Teil des Vergaberechts, sondern des Zuwendungsrechts sind. Als Verwaltungsvorschriften entfalten letztere keine Außenwirkung; rechtliche Verbindlichkeit im Außenverhältnis erlagen sie erst als Nebenbestimmungen zum Zuwendungsbescheid.
Sachverhalt
Der Zuwendungsempfänger, ein Sondervermögen, beantragte beim zuständigen Wirtschaftsministerium eines Bundeslandes Investitionszuschüsse (öffentliche Fördermittel) für die Durchführung mehrerer Bauvorhaben. Diese Zuschüsse wurden von der landeseigenen Investitionsbank, einer Anstalt des Öffentlichen Rechts, gewährt und ausbezahlt. Die mit der Gewährung der Investitionszuschüsse verbundenen Auflagen und Hinweise forderten von dem Zuwendungsempfänger bei der Auftragsvergabe die Beachtung der VOB/A und der VOL/A. Nach einem in dem Zuwendungsbescheid näher bezeichneten Erlass des Finanzministeriums des betreffenden Bundeslandes können Zuwendungen bei Verstößen gegen Vergaberecht von der Bewilligungsbehörde ganz oder teilweise zurückgefordert werden. Sofern ein schwerer Verstoß gegen Vergaberecht vorliege, sei in der Regel eine vollständige Rückforderung der Zuwendung angezeigt. Ein schwerer Verstoß käme den Zuwendungsbedingungen zufolge insbesondere dann in Betracht, wenn gegen die zutreffende Vergabeart der Vergabe- und Vertragsordnungen verstoßen werde. In einer weiteren Ziffer der Zuwendungsbedingungen war außerdem festgelegt, dass das Rechtsverhältnis zwischen der Investitionsbank und dem Zuwendungsempfänger dem privaten Recht unterliege.
Nach einer Überprüfung der Auftragsvergaben stellte sich heraus, dass der Zuwendungsempfänger „Beschränkte Ausschreibungen“ durchgeführt hatte, obwohl jeweils die Wahl des „Offenen Verfahrens“ geboten gewesen wäre. Darin erkannte die Prüfbehörde einen schweren Verstoß gegen die Zuwendungsbedingungen und forderte die Rückzahlung der gewährten Zuschüsse.
Auffassung des Berufungsgerichts
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Rückzahlung der Investitionszuschüsse wegen Verstoßes gegen die Vergabevorschriften verneint. Die Verpflichtung zur Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften sei als Auflage zu den jeweiligen Bewilligungen der Fördermittel zu bewerten, so dass es sich nicht um rechtsgeschäftliche Vereinbarungen von Vertragspartnern handele. Da im Zeitpunkt der Bewilligung der Zuwendungen die Bauvorhaben bereits teilweise durchgeführt worden waren, habe der Zuwendungsempfänger gegen die Auflage der Beachtung des Vergaberechts nicht verstoßen. Eine Auflage entfalte nämlich erst Außenwirkung mit der Bekanntgabe des Bescheids. Des Weiteren steht dem Rückforderungsanspruch entgegen, dass der Zuwendungsgeber (die Investitionsbank) ihr Ermessen nicht ausgeübt habe. Eine Nachholung dieses Ermessens im gerichtlichen Verfahren sei nicht möglich.
Entscheidung des BGH
Der BGH vertritt anders als die Vorinstanzen die Auffassung, dass es sich bei der zwischen der Investitionsbank und dem Zuwendungsempfänger geschlossenen Vereinbarungen um einen privatrechtlichen Vertrag handelt. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, es liege eine Auflage im Sinne des § 36 VwVfG NW vor, so dass die Beachtung des Vergaberecht mangels ausdrücklicher Anordnung keine rückwirkende Kraft entfalten könne, sei daher rechtsfehlerhaft. Die verwendeten Nebenbestimmungen und Auflagen stellten vielmehr Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, welche nach zivilrechtlichen Maßstäben auszulegen seien. Der Zuwendungsempfänger sei in seinem Antrag außerdem selbst von einer Verpflichtung zur Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften ausgegangen.
Einem Rückforderungsanspruch steht nach Ansicht des BGH auch nicht entgegen, dass die Investitionsbank bei ihrem Rückforderungsverlangen das ihr obliegende Ermessen nicht ausgeübt habe. Dass diese sich ihres Ermessens bewusst gewesen sei, zeige bereits die Formulierung im Rückforderungsbescheid, wonach die Rückforderung als „angezeigt“ bewertet wurde. Die zuwendungsgebende Investitionsbank habe sich in dem Rückforderungsbescheid zudem darauf bezogen, dass ein schwerer Verstoß gegen Vergabevorschriften im Sinne der Verwaltungsvorschrift vorliege und daher die Rückforderung gerechtfertigt sei.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entscheidet in ähnlicher Weise
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat in einer aktuellen Entscheidung vom 28. September 2011 (Az.: 9 S 1273/10) ebenfalls festgestellt, dass die teilweise Rückforderung von Zuwendungen rechtmäßig ist, wenn der Zuwendungsempfänger gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat. Im entschiedenen Fall hatte ein Unternehmen, das für die Verlegung seines Betriebs Fördermittel in Millionenhöhe erhalten hatte, Aufträge freihändig vergeben, ohne dass es hierfür sachliche Gründe anführen konnte. Der Zuwendungsempfänger war – vergleichbar der vom BGH entschiedenen Fallkonstellation – im Zuwendungsbescheid auf die „Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung“ hingewiesen worden, welche die Verpflichtung enthielten, bei der Vergabe von Aufträgen die Vorgaben der VOB/A und der VOL/A einzuhalten.
Fazit und Praxishinweise
Die Entscheidung des BGH ist ebenso überzeugend begründet wie das Urteil des VGH Baden-Württemberg. Zuwendungsempfängern ist daher dringend zu raten, bei der Verwirklichung von geförderten Vorhaben das Vergaberecht genauestens einzuhalten. Dies gilt umso mehr für solche Zuwendungsempfänger, die grundsätzlich keine öffentlichen Auftraggeber sind und denen das Vergaberecht in der Regel wenig vertraut sein dürfte. Nach der Rechtsauffassung des BGH können nämlich sogar Verstöße gegen das Vergaberecht, die in der Vergangenheit liegen, die Rückforderung von gewährten Investitionszuschüssen, Fördermitteln oder sonstigen Subventionen begründen. Eine wichtige „Weichenstellung“ liegt in der Rechtsnatur der zwischen dem Zuwendungsgeber und dem Zuwendungsempfänger geschlossenen Vereinbarung. Ob es sich bei der dieser Vereinbarung beigefügten Nebenbestimmungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen nach Maßgabe des Zivilrechts oder um verwaltungsrechtliche Auflagen handelt, ist jeweils im Einzelfall zu ermitteln.
Ein Problem, das in der Regel durch die entsprechenden Erlasse der zuständigen Ministerien begründet ist, dürfte die Praxis bei der Rückforderung gewährter Zuschüsse künftig ebenfalls beschäftigen: Eine Rückforderung von Zuwendungen ist in der Regel gerechtfertigt, sofern ein „schwerer“ Verstoß gegen des Vergaberecht vorliegt. Zwar lässt sich noch einsehen, nicht jeden Verstoß gegen das Vergaberecht zu sanktionieren; die „Schwere“ eines Verstoßes ist hierfür jedoch eine gänzlich untaugliche Kategorie. Zum einen gibt es im Vergaberecht keine solche Einordnung. Zum anderen ist es für die Praxis nicht zweckmäßig, auf die abstrakte „Schwere“ eines Verstoßes abzustellen. Entscheidend muss vielmehr sein, ob der Zuwendungszweck durch den Vergaberechtsverstoß gefährdet worden ist. Der Zuwendungszweck liegt in der Regel darin, die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu wahren. Wenn das wirtschaftlichste Angebot bezuschlagt wurde, ist diesem Zweck auch dann Rechnung getragen, wenn (später) ein Vergabeverstoß festgestellt wird.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Dort berät und vertritt er insbesondere öffentliche Auftraggeber, aber auch Unternehmen, in allen Fragen des Vergaberechts, ein Schwerpunkt liegt hierbei im Dienstleistungsbereich. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.