Teststellung und Präsentation im Vergabeverfahren – ein Überblick
Mit zunehmender Vielfalt und Komplexität öffentlicher Beschaffungen, insbesondere bei IT-Vergaben, steigt das Bedürfnis, von Bietern und Auftragnehmern angebotene Leistungen vorab zu testen oder präsentieren zu lassen. Wie aber sind Teststellungen und Präsentationen zielgerecht und vergaberechtskonform in den Beschaffungsprozess zu integrieren?
Teststellungen sind vergaberechtlich einer Bemusterung im allgemeinen Sinne gleichzusetzen, die grundsätzlich wie Bietererklärungen zu behandeln sind (VK Sachsen, Beschl. v. 19.05.2009 – 1/SVK/008-09; Beschl. v. 07.03.2008 – 1/SVK/003-08; Beschl. v. 07.01.2008 – 1/SVK/077-07). Ungeachtet der Frage der rechtlichen Einordnung bedarf es aber aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers schon im Rahmen der Vergabevorbereitung einer Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Teststellung überhaupt bereits im Vergabeverfahren oder erst nach Zuschlagserteilung – d.h. vor oder nach Vertragsschluss – erfolgen soll.
Scheitert eine Teststellung, die nach Vertragsschluss vorgesehen war, oder verläuft eine solche fehlerhaft, bestehen ausschließlich die im geschlossenen Vertrag vereinbarten Sanktionen und Möglichkeiten der Fehlerbeseitigung (z.B. Nachbesserung, Mangelbeseitigung oder gar Kündigung). Eine Rückkehr ins vorangegangene Vergabeverfahren – wie der Rückgriff auf den zweitplatzierten Bieter oder der Einstieg in Nachverhandlungen mit anderen Bietern aus dem vorangegangenen Vergabeverfahren – kommt dabei grundsätzlich nicht in Betracht. Vielmehr bedarf es bei Scheitern des Projekts mit einem einmal ausgewählten Projektpartner bei fortgesetzter Beschaffungsabsicht einer Neuausschreibung nach dem jeweils geltenden Vergaberecht.
Für Teststellungen bereits im Vergabeverfahren bestehen verschiedene vergaberechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen zwei Grundarten der Teststellung: Die verifizierende und die wertende Teststellung (VK Sachsen, a.a.O.). Während die verifizierende Teststellung lediglich der Kontrolle dient, ob die angebotene Leistung die in der Leistungsbeschreibung vorgegebenen Kriterien erfüllt, hat die wertende Teststellung selbständige Bedeutung bei der Bewertung nach den Zuschlagskriterien. Soweit in den Vergabeunterlagen vorgesehen, können aus einer Teststellung resultierende Ergebnisse nicht nur in die formale Angebotswertung (insbesondere Prüfung auf unzulässige Änderungen an den Vergabe-/Vertragsunterlagen), sondern auch in die Bewertung nach den bekannt gemachten Zuschlagskriterien (Leistungspunkte im Sinne der UfAB V Version 2.0) einfließen.
In jedem Fall ist sicherzustellen, dass Inhalt und Bedeutung der Teststellung sowie die Auswahl der daran teilnehmenden Bieter im Vergabeverfahren transparent und diskriminierungsfrei festgelegt sind. Ist die Bewertung der Teststellung und ihrer Ergebnisse Bestandteil der Angebotswertung nach den Zuschlagskriterien ist das dafür vorgesehene Bewertungssystem rechtzeitig vor Angebotsabgabe allen Bietern so mitzuteilen, wie es für die Erstellung der Angebote und die Vorbereitung der Teststellung beeinflussen kann. Das für die Teststellung aufgestellte und bekannte gemachte Bewertungssystem (möglicherweise sogar Teststellung als „Entscheidungskriterium“ bei der Erweiterten Richtwertmethode gem. UfAB) muss die Vergleichbarkeit der Angebote und eine vergaberechtskonforme Angebotswertung gewährleisten.
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Präsentationen können sich im Gegensatz zu den meisten Teststellungen im vorgenannten Sinne inhaltlich nicht nur auf herzustellende oder zu liefernde Produkte, Technik oder sonstige qualitative und wirtschaftliche Aspekte der Leistungserbringung (fachlich-inhaltliche Angebotsvorstellung und -darstellung) beziehen, sondern (auch) auf Fragen der Eignung der sich bewerbenden bzw. bietenden Unternehmen.
Bei der Durchführung von Präsentationen in Vergabeverfahren ist daher besondere Sorgfalt bei der Gestaltung deren Inhalts geboten. Einfluss auf die Angebotswertung nach den Zuschlagskriterien dürfen Präsentationen nur insoweit nehmen, wie Inhalte bewertet werden, die die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Angebote betreffen. Fragen und Inhalte, die im Wesentlichen mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhängen (z.B. Erfahrung und Qualifikation des Unternehmens oder des zum Einsatz vorgesehenen Personals), sind als Zuschlagskriterien ausgeschlossen (EuGH, Urt. v. 12.11.2009 – Rs. C-199/07; Urt. v. 24.01.2008 – Rs. 532/06). So wurde jüngst die „Beschreibung des angewendeten Personalkonzepts“ als unzulässiges Zuschlagskriterium angesehen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.07.2011 – 15 Verg 6/11).
Im Übrigen gelten für Präsentationen die zwingenden Mindeststandards an Transparenz und Nichtdiskriminierung gleichermaßen wie bei der Teststellung. Den Bietern muss von vornherein klar sein, welche Bedeutung welche Inhalte der Präsentation für die Angebotswertung und die Vergabeentscheidung haben.
Für Teststellungen und Präsentationen sind stets deren zeitlicher, organisatorischer und personeller Ablauf festzulegen, der den Bietern so früh wie möglich im Vergabeverfahren mitzuteilen ist. Zudem ist ein angemessenes Verhältnis zwischen Aufwand auf Auftraggeber- und auf Bieterseite einerseits und angestrebten Nutzen der Teststellung bzw. Präsentation sicherzustellen. Bei maßgeschneiderter organisatorischer Planung und Einhaltung der vorstehenden rechtlichen Rahmenbedingungen können Teststellungen und Präsentationen in Vergabeverfahren zu einer spürbaren Qualitäts- und Effizienzsteigerung führen.
Die Autoren Dr. Susanne Mertens, LL.M, und Henrik Baumann, HFK Rechtsanwälte LLP, begleiten Auftraggeber und Auftragnehmer in allen Phasen des Beschaffungsprozesses. Ihre Beratung umfasst außerdem die für die Beschaffung im Bereich Verteidigung und Sicherheit relevanten Rechtsgebiete des Öffentlichen Preisrechts sowie des Exportkontroll- und Zollrechts.