Flughafen Berlin Brandenburg: Verhältnis von ursprünglichem und optimiertem Angebot (OLG Brandenburg, Beschluss v. 16.02.2012 – Verg W 1/12)
Lässt ein Auftraggeber im Verhandlungsverfahren die Optimierung ursprünglicher Angebote zu, müssen sich die Bieter entscheiden. Sie können sich bei Änderungen an ihrem Angebot nur dann auf den ursprünglichen Inhalt berufen, wenn sie dies innerhalb der Optimierungsfrist ausdrücklich klarstellen, so das OLG Brandenburg in seinem Beschluss vom 16.02.2012 (Verg W 1/12). Daneben gibt das Gericht weitere Hinweise zur Unzulässigkeit von Rügen und zur Zulässigkeit einer Bietergemeinschaft. Im Fall des OLG Brandenburg standen Entsorgungsleistungen für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg im Streit.
Entsorgungsleistungen für Flughafen
Die Auftraggeberin hatte ein Verhandlungsverfahren nach der SektVO gewählt und in den Vergabeunterlagen festgelegt, dass im Anschluss an die Angebotsabgabe ein Verhandlungstermin stattfinden solle, in dem auch der gesamte Leistungsumfang verhandelt und die angebotenen Preise optimiert werden könnten. Anschließend sollten alle Bieter aufgefordert werden, unter Berücksichtigung der Verhandlungstermine ein abschließendes Angebot einzureichen.
Die Antragstellerin gab ihr Angebot ab, wurde zum Verhandlungstermin geladen und anschließend aufgefordert, ein optimiertes Angebot abzugeben. Dem kam die Antragstellerin nach. Im Rahmen der Wertung wurde ihr optimiertes Angebot aus formalen Gründen ausgeschlossen. Dagegen wandte sich die Antragstellerin mit dem Argument, ihr ursprüngliches Angebot habe der Wertung zugrunde gelegt werden müssen. Zudem rügte sie die Unvollständigkeit des Vorinformationsschreibens und die Ordnungsgemäßheit der Dokumentation. Schließlich machte sie den Ausschluss der erfolgreichen Bietergemeinschaft wegen wettbewerbsbeschränkender Abrede geltend.
Vorinformation: nur Name, keine Anschrift
Das OLG Brandenburg hat zunächst den Einwand des Bieters verworfen, das Vorinformationsschreiben gemäß § 101a GWB habe nur den Namen, nicht aber auch die Anschrift der erfolgreichen Bietergemeinschaft und die Anteile und Aufgaben der Mitglieder im Innenverhältnis enthalten. Durch das Fehlen dieser Informationen könne einem Bieter kein Schaden entstehen oder drohen, so dass der Nachprüfungsantrag in diesem Punkt gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB unzulässig war. Ein Auftraggeber sei zudem gesetzlich nicht verpflichtet, unterlegenen Bietern derartige Informationen mitzuteilen.
Bestreiten ordnungsgemäßer Dokumentation: substantiierter Vortrag nötig
Ebenfalls als unzulässig hat das OLG Brandenburg die Rüge angesehen, der Auftraggeber habe seine Dokumentationspflicht verletzt. Die Antragstellerin hatte pauschal angezweifelt, dass es eine ordnungsgemäße Dokumentation des gesamten Vergabeverfahrens gegeben habe; konkrete Anhaltspunkte hatte er indes nicht genannt. Dies reicht dem Gericht zufolge nicht aus. Um zu vermeiden, dass Rügen ohne Substanz „ins Blaue hinein“ erhoben würden, seien vielmehr zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorzutragen.
Verhältnis von ursprünglichem zu optimiertem Angebot
Der zentrale Punkt der Entscheidung ist das Verhältnis vom ursprünglichen Angebot der Antragstellerin zur optimierten Version. Das OLG Brandenburg stellt klar, dass es in Vergabeverfahren immer nur ein Angebot gelten kann. Lässt ein Auftraggeber optimierte Angebote zu und gibt ein Bieter ein optimiertes Angebot ab, hebt er damit konkludent sein ursprüngliches Angebot auf.
Daran änderte vorliegend auch der Umstand nichts, dass der Auftraggeber bereits für die ursprüngliche Version „verbindliche, vollständige und zuschlagsfähige“ Angebote gefordert hatte. Die Verbindlichkeit beziehe sich erkennbar nur darauf, dass sich die Bieter an ihre Angebote gemäß § 145 BGB bis zum Ende der Bindefrist gebunden hielten, so dass der Zuschlag auf ihr ursprüngliches Angebot hätte erteilt werden können, aber nicht müssen.
Klarstellend ergänzt das Gericht: wenn ein Bieter von den zugelassenen Optimierungen keinen Gebrauch machen und an seinem ursprünglichen Angebot festhalten will, muss er dies innerhalb der Optimierungsfrist erklären. Diese Aussage begegnet indes in ihrer Allgemeinheit rechtlichen Zweifeln, da auch die bloße Nichtabgabe eines überarbeiteten Angebots ohne ausdrückliche Erklärung reichen muss, das Festhalten am ursprünglichen Angebot hinreichend zu manifestieren. Dieser Aspekt spielte im Fall des OLG Brandenburg indes keine Rolle, da die Antragstellerin hier ein überarbeitetes Angebot abgegeben und in einem Schreiben Bezug hierauf genommen hatte; in diesem Fall wäre in der Tat eine ausdrückliche Bezugnahme erforderlich gewesen.
Bietergemeinschaft als wettbewerbsbeschränkende Abrede?
Schließlich stellt dem Gericht zufolge auch der Zusammenschluss der erfolgreichen Bietergemeinschaft keine wettbewerbsbeschränkende Abrede dar. Die Antragstellerin hatte geltend gemacht, die Beteiligung der erfolgreichen Bietergemeinschaft stelle aufgrund ihrer Marktbeherrschung eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB dar.
Eine solche Abrede kommt nach Ansicht des OLG Brandenburg jedoch nur in Betracht, wenn sie gesichert nachgewiesen werden könne. Nicht ausreichend ist der Vortrag, die beteiligten Unternehmen wären objektiv wirtschaftlich auch allein in der Lage, den Auftrag auszuführen. Im Gegenteil ist das Eingehen einer Bietergemeinschaft bereits dann zulässig, wenn die unternehmerische Entscheidung gegen eine Alleinbewerbung nachvollziehbar ist. Die von der erfolgreichen Bietergemeisnchaft vorgetragenen Gründe (fehlende Logistik und operative Voraussetzungen) seien achvollziehbar. Zudem habe die Beteiligung von acht Unternehmen an der Ausschreibung gezeigt, dass eine spürbare Marktbeeinträchtigung nicht vorliege.
Zusammenhang zur Sektorentätigkeit
Nicht näher erläutert wird die Anwendbarkeit des Sektorenvergaberechts. Vielmehr begnügt sich das Gericht mit dem Hinweis, die vergebenen Entsorgungsleistungen stünden in Zusammenhang mit Tätigkeiten auf dem Gebiet des Verkehrs. Nach der hier vertretenen Ansicht ist jedoch für die Frage des „Zusammenhangs“, deren Beantwortung über die Anwendbarkeit der SektVO entscheidet (§ 1 SektVO), ein enger Maßstab anzulegen; es muss sich um spezifische, gerade aus der Sektorentätigkeit fließende Leistungen handeln. Bei der Abfallentsorgung, die in jedem Unternehmen unabhängig von Sektorentätigkeiten anfällt, kann ist daher ein spezifischer Sektorenzusammenhang nicht ohne Weiteres erkennbar. Anders wäre dies, wenn es sich um spezielle, nur bei einer Verkehrstätigkeit (hier Betrieb eines Flughafens) anfallende Abfälle handelt. Hier wären nähere Ausführungen wünschenswert gewesen.
Der Autor Dr. Jan Seidel ist Rechtsanwalt im Düsseldorfer und Nürnberger Büro der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Dort berät er öffentliche Auftraggeber und Bieter in Vergabeprojekten mit einem Schwerpunkt auf der kommunalen Infrastruktur (insbesondere Ver- und Entsorgung sowie ÖPNV). Mehr Informationen finden Sie im Autorenverzeichnis.