VOB/B 2012 löst VOB/B 2009 ab

kräne und sonnenaufgang

Ein Gastbeitrag von Dr. Stephan Götze, HFK Rechtsanwälte, Berlin

Das BMVBS hat im Bundesanzeiger vom Freitag, 13. Juli 2012 (BAnz AT 13.07.2012 B3) die Bekanntmachung zur Änderung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) – Ausgabe 2012 – veröffentlicht. Die VOB/B 2012 tritt damit an die Stelle der VOB/B 2009 (zuletzt geändert durch Berichtigung vom 19.02.2010, BAnz. S. 940). Zugleich kündigte das BMVBS an, eine Gesamtausgabe der VOB 2012 mit den Teilen A, B und C voraussichtlich im Oktober 2012 herauszugeben.

I. Welche VOB/B gilt aktuell?

Nicht einheitlich zu beantworten ist aktuell nach die Frage, für wen die VOB/B 2012 bereits gilt. Dies führt insbesondere dann zu Problemen, wenn aktuell in Verträgen auf die VOB/B in der „derzeit geltenden Fassung“ Bezug genommen wird.

Für öffentliche Auftraggeber ist die Verwendung der VOB/B 2012 erst dann verbindlich, wenn entsprechende Einführungserlasse im Unterschwellenbereich auf Bundes- und Landesebene zur Anwendung des I. Abschnitts der VOB/A ergehen. Im Oberschwellenbereich des II. und III. Abschnitts der VOB/A wird die Anwendung der VOB/B 2012 verbindlich, wenn die entsprechende Änderung der VgV bekannt gemacht wird. Obwohl also bereits bekannt gemacht, müssen weite Teile der öffentliche Hand die VOB/B 2012 noch nicht anwenden bzw. wird dies erst schrittweise verbindlich.

Für private Auftraggeber/Vertragspartner entsteht eine Rechtsunsicherheit, weil der Beschluss zur Änderung der VOB/B bereits am 13.07.2012 bekannt gemacht wurde und die VOB/B 2012 damit ab dem 14.07.2012 gilt, zugleich aber die neue Gesamtausgabe der VOB 2012 mit den Teilen A, B und C erst für den Oktober 2012 angekündigt wurde.

Generell gilt also: Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, ist aktuell dringend anzuraten, bei Vertragsschluss exakt die Fassung der VOB/B anzugeben, die in Bezug genommen werden soll.

II. Warum eine neue VOB/B 2012?

Geändert wurde nur § 16 VOB/B. Dies wurde erforderlich, weil Deutschland die Richtlinie 2011/7/EU vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Zahlungsverzugsrichtlinie) in nationales Recht umsetzen muss.

Diese schreibt zunächst vor, dass der Gläubiger Anspruch auf Verzugszinsen hat, ohne dass es einer Mahnung bedarf, wenn der Gläubiger seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt und den fälligen Betrag dennoch nicht rechtzeitig erhalten hat, es sei denn, dass der Schuldner für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich ist. Damit entfällt also das Erfordernis einer Nachfristsetzung oder Mahnung. Der Schuldner muss i.Ü. beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.

Weiter sieht die Zahlungsverzugsrichtlinie bei einem Abnahme- oder Überprüfungsverfahren zur Übereinstimmung der Waren oder Dienstleistungen mit dem Vertrag vor, dass die Höchstdauer dieses Verfahrens nicht mehr als 30 Kalendertage ab dem Zeitpunkt des Empfangs der Waren oder Dienstleistungen betragen darf, es sei denn im Vertrag wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart und der Gläubiger wird dadurch nicht grob benachteiligt. Die vertraglich festgelegte Zahlungsfrist darf jedoch 60 Kalendertage in keinem Fall überschreiten.

All dies wird durch die Änderungen des § 16 VOB/B umgesetzt. Zunächst liegt der späteste Fälligkeitszeitpunkt künftig grundsätzlich höchstens 30 Tage und nur in begründeten Ausnahmefällen höchstens 60 Tage nach Zugang der Schlussrechnung (früher 2 Monate). Weiter tritt der Verzug künftig auch ohne Nachfristsetzung ein (das Setzen einer angemessenen Nachfrist oder die Mahnung als Voraussetzung für den Zahlungsverzug entfallen damit).

III. Die Änderungen im Einzelnen

1. Kalendertage statt Werktage

Durchgängig wurden die Fristenregelungen in § 16 VOB/B von Werktage auf (Kalender-) Tage umgestellt. Da die Tageszahlen selbst zugleich angepasst wurden, ergibt sich eine relevante Änderung der eigentlichen Zeiträume nur dann, wenn gesetzlich Feiertage eingeschlossen sind.

Misslich an dieser Vereinheitlichung mit dem BGB ist, dass die Fristenregelungen der anderen Paragraphen der VOB/B nicht angepasst wurden und dort weiter von Werktagen die Rede ist, etwa in § 5 Abs. 2 (12 Werktage), § 12 Abs. 1 (12 Werktage), § 14 Abs. 3 (12 Werktage).

2. Prüffrist 30 Tage anstatt 60 Tage

Die wesentliche Änderung ist die Verkürzung der Prüffrist für die Schlussrechnung von 2 Monate auf 30 Tage in § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B 2012.

Einzelvertraglich kann diese auf 60 Tage verlängert werden, wenn diese Vereinbarung aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist und ausdrücklich getroffen wurde. Nach der Begründung des DVA kommt im Baubereich die Frist von 60 Tagen beispielsweise in Betracht, wenn die Prüfungsunterlagen bzw. Schlussrechnungen komplex sind und fachtechnischer Sachverstand notwendig ist.

Den Vertragspartner, insbesondere Auftraggebern, ist also dringend anzuraten bereits mit dem Vertragsschluss eine entspreche Klausel mit diesen Gründen zur Verlängerung auf 60 Tage aufzunehmen, andernfalls gelten die 30 Tage.

3. Einwand fehlender Prüffähigkeit

Nach dem neuen § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 3 VOB/B 2012 kann sich der Auftraggeber auf die fehlende Prüffähigkeit nicht mehr berufen, wenn die jeweilige Prüffrist nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 und 2 VOB/B – 30 oder 60 Tage – abgelaufen ist. Diese Frist betrug bisher nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B 2009 2 Monate. Diesen Prüfzeitraum hat der Auftraggeber also nur noch, wenn dies bereits zuvor vereinbart wurde. Zu erinnern ist aber nochmals die Tatsache, dass auch nach dem Ablauf der Prüffrist dem Auftraggeber nur der formale Einwand mangelnder Prüffähigkeit abgeschnitten ist, nicht jedoch der Einwand, die Schlussrechnung sei inhaltlich falsch.

4. Verzug ohne Mahnung

Bisher waren nach § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B 2009 für den Verzugseintritt eine Rechnung, der Ablauf der Prüffrist, eine Mahnung und der Ablauf der Nachfrist notwendig.

Nunmehr kommt der Auftraggeber nach § 16 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 und 4 VOB/B spätestens 30 Tage nach Zugang der Rechnung oder Aufstellung bei Abschlagszahlungen in Zahlungsverzug

– ohne dass es einer Nachfristsetzung (Mahnung) bedarf,

– wenn der Auftragnehmer seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt

– und den fälligen Entgeltbetrag nicht rechtzeitig erhalten hat,

– es sei denn, der Auftraggeber ist für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich.

Die Frist verlängert sich auf höchstens 60 Tage, wenn sie aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist und ausdrücklich vereinbart wurde. Wie bereits oben zu § 16 Abs. 3 VOB/B 2012 ist also auch hier dringend anzuraten, ggf. bereits mit dem Vertragsschluss eine entspreche Klausel aufzunehmen.

Deutsches VergabenetzwerkNach § 16 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 und 4 VOB/B 2012 ist somit das Setzen einer angemessenen Nachfrist keine Voraussetzung für den Zahlungsverzug mehr. Zudem stellt § 16 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 und 4 VOB/B für die rechtzeitige Zahlung auf den Erhalt des Geldes ab. Es kommt also nicht mehr auf die Leistungshandlung (z. B. Anweisung der Zahlung) an, sondern auf den Zeitpunkt des Leistungserfolgs, d. h. den Eingang des Zahlungsbetrags auf dem Konto des Auftragnehmers. Hier kommt dann aber gegebenenfalls die Entlastungsklausel zum Tragen, wenn der Auftraggeber die Zahlung zwar rechtzeitig veranlasste, das Geld aber wegen eines Bankfehlers nicht rechtzeitig beim Auftragnehmer einging.

Diese Regelung wird man auch auf Skontofristen übertragen müssen. Skonto kann also nur noch dann berechtigt abgezogen werden, wenn der Auftraggeber sicherstellt, dass der Zahlbetrag innerhalb der Skontofrist beim Auftragnehmer eingeht.

Nach der im Bundesanzeiger veröffentlichen Begründung des DVA sollen verlängerte Verzugsfristen aber bei Abschlagszahlungen nicht in Betracht kommen, da es sich um vorläufige Zahlungen (auf bereits erbrachte Leistungen) handelt, die im Rahmen der Schlussrechnung noch einmal überprüft und ggf. korrigiert werden. Dies erscheint auch sachgerecht, denn hier wird es gerade an dem sachlichen Rechtfertigungsgrund für die verlängerte Frist fehlen, da die Abschlagsrechnungen zunächst nur oberflächlich geprüft werden.

Weiter soll nach dem DVA die Vereinbarung einer Höchstfrist zum Eintritt des Verzuges von 30 bzw. 60 Tagen nicht das Recht des Auftragnehmers nach § 16 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B ausschließen, durch Nachfristsetzung den Verzug schon früher herbeizuführen. Dies dürfte aber nur dann gelten, wenn die Prüfung bereits erfolgt ist. Nur dann ist im Sinne des Gebots „äußerster Beschleunigung“ nach § 16 Abs. 5 Nr. 1 VOB/ zu zahlen. Nicht gemeint ist sicherlich, dass der Auftragnehmer einseitig die Prüffrist wieder abkürzen kann. Die im neuen § 16 vorgesehene Höchstfrist kraft Vereinbarung hätte keinen Sinn, wenn sich der Auftragnehmer hiervon einseitig lösen dürfte.

dvnwlogoBeachten Sie dazu auch die ergänzenden Informationen im Fachaussschuss Bauvergaben des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) – die Mitgliedschaft ist kostenlos.

GötzeDer Autor Dr. Stephan Götze ist Partner der Sozietät HFK Rechtsanwälte in Berlin und spezialisiert auf die Beratung an der Schnittstelle zwischen Vergaberecht und Vertragsrecht, vor allem in den Bereichen Bau, FM und IT. Schwerpunkte sind Vertragsgestaltung, Risiko- und Claim-Management während der Vertragsumsetzung. Sein Team berät Auftraggeber sowie Unternehmen in komplexen Sach- und Rechtsfragen.