Neue Berliner Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU): Mehr „Öko“ in Berlin?

MitteSeit Sommer 2010 arbeitete die Senatsverwaltung an Richtlinien für eine umweltfreundliche Beschaffung in Berlin. Im Berliner Amtsblatt vom 02.11.2012 wurde nun die neue, rd. 120 Seiten umfassende, Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) verkündet. Grundlage der VwVBU ist die in § 7 des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes (BerlAVG) enthaltene Ermächtigung zur Konkretisierung der gesetzlichen Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, bei der Vergabe von Aufträgen ökologische Kriterien zu berücksichtigen.

Anwendungsbereich

Die Verwaltungsvorschrift gilt für alle Arten von Aufträgen, d.h. für Liefer- und Bauaufträge ebenso wie für Dienstleistungsaufträge. Adressaten der Vorschrift sind alle Stellen der unmittelbaren und mittelbaren Landesverwaltung, also auch die landesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten sowie die Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Von besonderer praktischer Relevanz ist, dass die VwVBU – ebenso wie die umweltbezogenen Regelungen des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes – bereits ab einem geschätzten Auftragswert von € 10.000 gilt.

Beschaffungsbeschränkungen

Die VwVBU enthält zunächst eine Reihe sogenannter Beschaffungsbeschränkungen, wonach die Beschaffung bestimmter Produkte oder aber die Vergabe bestimmter Bau- und Dienstleistungsaufträge generell unzulässig ist. Das folgende recht bunte Sammelsurium an als umweltschädlich gebrandmarkten und damit künftig für die öffentliche Hand verbotenen Produkten und Leistungen nennt neben sogenannten „Heizpilzen“, chlorhaltigen Reinigern und Erfrischungsgetränken in Einwegverpackungen etwa auch die Beschaffung von elektrischem Strom, der aus atomarer Erzeugung stammt.

Vorbereitung der Beschaffung

Bereits im Vorfeld der Beschaffung sollen nach dem Willen der Autoren der Verwaltungsvorschrift Überlegungen zu den Umweltauswirkungen des Beschaffungsvorgangs angestellt werden. Insbesondere sollen bei der Bedarfsermittlung bereits verschiedene Alternativen sowie deren Umweltauswirkungen geprüft und die Angemessenheit des Beschaffungsbedarfs dokumentiert werden. Für den Bereich des Neubaus oder der Komplettsanierung von energierelevanten Büro- oder Verwaltungsgebäuden ebenso wie bei hochbaulichen und städtebaulichen Wettbewerben werden die Auftraggeber verpflichtet, generell eine qualifizierte Umwelt- und Energieberatung einzubinden sowie diesen Auftrag, wenn er extern vergeben werden soll, vorher auszuschreiben. Die dahinter stehende Überlegung, dass die geforderte Alternativenprüfung von den Vergabestellen selbst in aller Regel weder fachlich noch personell durchgeführt werden kann, ist nachvollziehbar. Zu der auf der anderen Seite immer wieder geforderten Beschleunigung und Verschlankung von Vergabeverfahren wird diese Vorgabe allerdings kaum beitragen.

Ökologische Kriterien in der Ausschreibung

Im Zentrum der Verwaltungsvorschrift stehen die in den sog. Leistungsblättern im Anhang der befindlichen Vorschrift, zwingend von den Bietern einzuhaltenden, Umweltanforderungen. Die Anforderungen greifen überwiegend auf Spezifikationen aus Umweltzeichen, die im Internet zugänglich und verfügbar sind, zurück. Derartige Anforderungen werden u.a. für typischerweise umweltrelevante Lieferleistungen wie etwa die Lieferung von technischer Ausstattung inkl. IT, von Energie und Fahrzeugen sowie für die Verwendung bestimmter Baustoffe aufgestellt. Erfasst sind aber auch eine Reihe von Dienstleistungen, wie z.B. Reinigungsleistungen und Planungsleistungen im Zusammenhang mit städtebaulichen Wettbewerben sowie der Sanierung und dem Neubau von Büro- und Verwaltungsgebäuden.

Soweit die Leistungsblätter keine Vorgaben enthalten und sich solche auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, muss der Auftraggeber selbst eine Abschätzung über die Umweltauswirkungen der zu beschaffenden Leistung zumindest in Bezug auf Schadstoffimmissionen, Energie- und Wasserverbrauch durchführen und auf Basis der Ergebnisse dieser Abschätzung sachlich geeignete Umweltschutzanforderungen, die sich an den besten am Markt verfügbaren Techniken orientieren, aufstellen.

Prüf- und Nachweispflichten

Werden Umweltschutzanforderungen aufgestellt, so hat der Auftraggeber deren Einhaltung durch den Bieter bei der Angebotsprüfung zu verifizieren. Die Bieter können den Nachweis zunächst über Umweltzeichen führen oder aber durch gleichwertige Nachweise in Form geeigneter Beweismittel, wie technischer Unterlagen des Herstellers oder aber Prüfberichte anerkannter Stellen. Da es aber für viele Bereiche keine allgemein anerkannten Umweltzertifikate gibt, stehen sowohl Bieter als auch Auftraggeber künftig ebenso wie bisher schon vor nicht unerheblichen Nachweis- und Prüfschwierigkeiten.

Wertung der Angebote

§ 7 BerlAVG sieht vor, dass bei der im Rahmen der Angebotswertung vorzunehmenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auch die vollständigen Lebenszykluskosten des Produkts oder der Dienstleistung zu berücksichtigen sind. Darüber hinausgehend bestimmt die VwVBU nun, dass bei der Beschaffung von strombetriebenen Geräten (d.h. insbesondere IT) und Straßenfahrzeugen jeweils die Lebenszykluskosten das alleinige Zuschlagskriterium oder bei Einbeziehung weiterer umweltrelevanter Zuschlagskriterien jedenfalls das überwiegende Zuschlagskriterium sind. Die VwVBU sowie deren Anlagen 2 – 4 enthalten detaillierte Vorgaben und Berechnungshilfen zur Ermittlung der jeweiligen Lebenszykluskosten wobei im Hinblick auf die Lebenskostenzyklusberechnungen für die Beschaffung von Straßenfahrzeugen im Wesentlichen auf die bereits in der VgV (§ 4 und Anlagen 2 und 3) enthaltenen Regelungen verwiesen wird.

Ein besonderes Gewicht soll die Lebenszyklusbetrachtung künftig auch bei der Planung und Sanierung von sog. energierelevanten Büro- und Verwaltungsgebäuden haben.

Härtefallklausel

Nicht in jedem Einzelfall wird die Einbeziehung ökologischer Kriterien in den Beschaffungsprozess sinnvoll möglich sein. Die VwVBU sieht daher vor, dass der Auftraggeber berechtigt ist, in begründeten Ausnahmefällen von den Anforderungen der Verwaltungsvorschrift abzuweichen, wenn er im Rahmen seiner Vorüberlegungen zu dem Ergebnis kommt, dass keine umweltverträglichen Produkte oder Dienstleistungen für den jeweiligen Verwendungszweck geeignet sind und somit keine oder nur solche Angebote eingehen, deren Bezuschlagung nicht mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen Mitteverwendung vereinbar wäre.

Deutsches VergabenetzwerkIn-Kraft-Treten und Ausblick

Die rd. 120 Seiten umfassende Verwaltungsvorschrift tritt zum 01.01.2013 in Kraft. Die Senatsverwaltung geht in ihren offiziellen Verlautbarungen davon aus, dass durch die Anwendung der VwVBU CO2-Einsparungen in der Größenordnung von rund 800.000 Tonnen pro Jahr erzielt werden können. Zudem könnten gerade im Bereich der IT-Beschaffung bis zu 80% des Stromverbrauchs eingespart werden. Schließlich könne man bei einem jährlichen Beschaffungsvolumen im Land Berlin von 4 – 5 Mrd. Euro davon ausgehen, dass Berlin durch die neuen Vorgaben zur ökologischen Beschaffung zu einem Motor der Innovation werde.

Ob diese hehren Erwartungen wirklich erfüllt werden können, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall aber dürfte die VwVBU in vielen Vergabestellen einen Anstoß dazu geben, über die Umsetzung der bereits im Gesetz enthaltenen ökologischen Vorgaben neu nachzudenken.

Die neue VwVBU finden Sie hier.

Herten-KochDie Autorin Dr. Rut Herten-Koch ist Partnerin der Sozietät SammlerUsinger. Sie berät sowohl zu Fragen des Vergabe- als auch des öffentlichen Bau- und des Umweltrechts. Ihr besonderes Interesse gilt den Schnittmengen dieser Rechtsgebiete sowie den Berührungspunkten zu dem in der Sozietät ebenfalls stark vertretenen Energierecht.

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