Aktuelles zur XVergabe
Ein Gastbeitrag von Carsten Klipstein, Geschäftsführer der cosinex GmbH
Dem künftigen Standard XVergabe wird in Fachbeiträgen und den öffentlichen Diskussionen rund um die E-Vergabe eine immer größere Beachtung geschenkt. Zu der Frage, was sich hinter der XVergabe verbirgt und welche Möglichkeiten dieser neue Standard bietet, gibt es häufig noch eine Reihe von Missverständnissen. Anlässlich der in der vergangenen Woche stattgefundenen Abstimminstanz der Arbeitsgruppen möchte ich versuchen, mit diesem Beitrag aus meiner Sicht etwas Aufklärungsarbeit zu leisten.
XVergabe im Kontext der XÖV Standards
Bereits seit einigen Jahren gibt es bundesweite Standardisierungsbemühungen, um eine einfache und medienbruchfreie Datenübergabe von verschiedenen Systemen im E-Government sicherzustellen.
Durch die Einigung auf diese Standards soll vermieden werden, dass jeder betroffene Softwarehersteller individuelle Schnittstellen entwickelt und anbietet, und so dabei für die betroffenen Auftraggeber individueller Aufwand entsteht, verschiedene Systeme miteinander zu verbinden. Unerlässlich wird dies insbesondere dann, wenn die Datenübergabe verwaltungsübergreifend oder zwischen Verwaltung und Bürgern bzw. Unternehmen passieren soll.
Als Mutter dieser Standards darf sich zu Recht OSCI bezeichnen. OSCI ist ein Protokollstandard, mit dem die rechtssichere und verbindliche Übertragung unabhängig von bestimmten Fachverfahren gewährleistet wird.
Aufbauend auf diesem Protokoll für den Transport von Daten entstanden XML-basierte Standards für einzelne Fachverfahren, die unter dem Stichwort XÖV-Standards zusammengefasst wurden. Von XMeld – dem Standard für den Datenaustausch von Meldedaten insb. zwischen Meldeämtern – bis hin zur XWaffe – einem wichtigen Baustein zum Aufbau des neuen nationalen Waffenregisters. Entsprechend ist XVergabe der Standard für die elektronische Übermittlung von vergaberelevanten Daten zwischen (E-Vergabe)-Systemen.
Standards, aber wofür?
Es bleibt die Frage, für welche „Kommunikationsfälle“ die XVergabe absehbar einen Standard bieten soll.
Für ein besseres Verständnis ist es zunächst hilfreich, sich die Module anzuschauen, die nach gängigen Architekturmodellen im Bereich der E-Vergabe im Einsatz sind:
1. E-Vergabeplattformen bzw. Vergabemarktplätze
für die „Kommunikation und Transaktion“ zwischen Vergabestellen und Unternehmen.
2. Vergabemanagementsysteme
zur Unterstützung der vergabestelleninternen Prozesse bis hin zur elektronischen Vergabeakte.
3. Bietertools bzw. Bieterclients
zur Unterstützung der Bieter bei der Erstellung und Abgabe elektronischer Angebote.
E-Vergabeplattformen oder Vergabemarktplätze unterstützen die elektronische Kommunikation und Transaktion zwischen Vergabestellen und Unternehmen. Sog. Bietertools oder Bieterclients unterstützen die Unternehmen bei der rechtssicheren Abgabe der Angebote und ggf. auch bei der Verwendung der Signatur.
Optional kann neben einer Vergabeplattform ergänzend auch ein sog. Vergabemanagementsystem genutzt werden, welches die vergabestelleninternen Prozesse unterstützt und die Dokumentation im Rahmen elektronischer Vergabeakten führt.
Während aus Sicht der Vergabestelle immer nur eine E-Vergabeplattform oder ein Vergabemanagementsystem genutzt wird, stehen insb. überregional tätige Bieter häufig vor der Herausforderung, sich mit mehreren E-Vergabeplattformen und damit auch Bietertools auseinander setzen zu müssen.
Ziele der XVergabe
Eines der Hauptziele der XVergabe ist es deswegen eine Schnittstelle für E-Vergabeplattformen und Bieterwerkzeuge zu definieren, die es erlaubt, mit nur einem Bietertool auf unterschiedlichen – möglichst allen wichtigen – E-Vergabeplattformen zu interagieren und Angebote abzugeben. Aktuell wird in diesem Zusammenhang von sog. Multiplattform-Bieterclients (MPBC´s) gesprochen, die diese Möglichkeit eröffnen sollen.
Dieses Ziel soll mit einer inzwischen abgestimmten Schnittstellenspezifikation erreicht werden, die von wesentlichen Anbietern umgesetzt wurde bzw. sich in der Umsetzung befindet und sicher in den kommenden 6 bis 12 Monaten auch sukzessive in den Produktiveinsatz gehen wird.
Ein Weiteres bereits vor über einem Jahr erreichtes Ziel betraf die Abstimmung eines XML-Standards für Bekanntmachungen. Mit diesem auf den EU-Vorgaben basierendem Standard sollte zunächst für Bekanntmachungen der Datenaustausch zwischen E-Vergabeplattformen, Bekanntmachungsmedien und Veröffentlichungsorganen sowie die automatisierte Verarbeitung vereinfacht werden.
Beim „Roll-out“ dieses Standards sind aktuell noch die Herausforderung zu lösen, die z.T. sehr unterschiedlichen Geschäftsmodelle der einzelnen Marktteilnehmer zu berücksichtigen. Dies gilt insb. im Fall von Refinanzierungsmodellen über Bekanntmachungsinformationen ggü. Unternehmen, was einen freien Austausch von Bekanntmachungen zwischen unterschiedlichen Informationsmedien jedenfalls erschwert. Gleichwohl gibt es auch hier erste produktive Ansätze und Lösungen.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die XVergabe auf einem guten Weg ist, der länger und beschwerlicher ist als ursprünglich gehofft. Dennoch werden sich alle Marktteilnehmer darauf einstellen müssen, dass die XVergabe als Standard kommen wird und, betrachtet man die Situation aus Bietersicht, auch kommen muss. Spätestens dann, wenn die Abgabe elektronischer Angebote zur Pflicht wird.Quo vadis XVergabe – oder was XVergabe noch nicht leistet
Auch nach einer erfolgreichen Einführung der Multiplattformbieterclients hat die XVergabe sicher lange noch nicht alle Potentiale ausgeschöpft.
Die Grenzen der aktuell vorliegenden XVergabe-Spezifikation soll das folgende praxisnahe Beispiel zeigen:
Vergabestelle Musterstadt nutzt das Vergabemanagementsystem des Herstellers A und eine dazu angeschlossene Vergabeplattform. Die Leistungsverzeichnisse bzw. Fragenkataloge werden im proprietären Datei-Standard dieses Herstellers an die Plattform und die Bieter übermittelt. Einige Bieter verfügen nun über einen Multiplattform-Bieterclient z.B. des Herstellers B, mit dem sie auf der E-Vergabeplattform Angebote abgeben können. Für die Bearbeitung des Leistungsverzeichnisses wird aufgrund des proprietären Formats allerdings wieder ein Tool des Herstellers A benötigt. Im Fazit muss sich der Bieter wieder mit Tools unterschiedlicher Hersteller auseinandersetzen. In diesem Fall sogar innerhalb eines Vergabeverfahrens.
Der Grund hierfür liegt darin, dass anders als im Baubereich, wo sich der sog. GAEB-Standard durchgesetzt hat, im Bereich der VOL noch kein entsprechender Standard für Leistungsverzeichnisse existiert.
Dieses Problem ist in den Arbeitskreisen allgemein erkannt. Daher wird auch bereits an der Standardisierung bestimmter Formulare und später auch sicher des LV´s gearbeitet. Erste Diskussionen finden u.a. unter dem Stichwort xLV statt.
Ein weiteres Problem stellen absehbar die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Anbieter dar:
Nutzt ein Unternehmen den MPBC eines Anbieters, dessen Refinanzierung auch über kostenpflichtige Bekanntmachungsinformationen läuft, kann es dazu kommen, dass er über dessen Bieterclient bereits für die bloße Einsichtnahme einer Bekanntmachung Geld bezahlen muss, obwohl die Ausschreibung selbst vollständig kostenfrei für Bewerber z.B. auf der E-Vergabeplattform des Beschaffungsamtes des Bundesministerium des Innern oder eines Bundeslandes wie Nordrhein-Westfalen abgewickelt wird.
Im aktuell möglichen Zwischenfazit ist es noch offen, wie schnell sich die bestehenden Spezifikationen des Standards durchsetzen und wie rasch sich alle Anbieter auf die nächsten Schritte verständigen können. Ein solcher Standard mit allen damit verbundenen Anforderungen kann sich nur dann durchsetzen, wenn alle Beteiligten vom Mehrwert der Innovation ausreichend profitieren.
Der Autor Carsten Klipstein ist u.a. Geschäftsführer der cosinex GmbH. Die cosinex GmbH und ihre Tochtergesellschaften sind Technologiepartner für den öffentlichen Sektor. Das Unternehmen selbst ist einer der Mitinitiatoren des XVergabe-Standards und begleitet aktiv die Entwicklung in den Arbeitsgruppen.