Zur generellen Kartellrechtswidrigkeit von Bietergemeinschaften (KG Berlin, Urteil v. 24.10.2013 – Verg 11/13)
Das Kammergericht stellt frühere Annahmen zum Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Zulässigkeit von Bietergemeinschaften auf den Kopf.
Das Urteil des Kammergerichts (KG Berlin, 24.10.2013 – Verg 11/13), wonach Bietergemeinschaften kartellrechtlich gem. § 1 GWB in aller Regel eine unzulässige wettbewerbswidrige Absprache darstellen sollen, führt zu Rechtsunsicherheiten bei Vergabestellen wie Bietern, die bislang auf der Grundlage von § 6 EG VOB/A von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Bietergemeinschafen ausgingen.
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 d) VOB/A, § 1 GWB, § 107 Abs. 2 GWB
Leitsätze
1. Das Eingehen einer Bietergemeinschaft erfüllt ohne Weiteres den Tatbestand einer Abrede bzw. Vereinbarung im Sinne von § 1 GWB.
2. Das Ausnutzen von Synergiepotentialen als Grund für das Eingehen einer Bietergemeinschaft lässt den Verstoß gegen § 1 GWB nicht entfallen.
3. Für die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens wegen der Vergaberechtswidrigkeit des Eingehens einer Bietergemeinschaft fehlt dem Mitbewerber regelmäßig die Antragsbefugnis i.S.d. § 107 Abs. 2 GWB.
Sachverhalt
Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war die geplante Vergabe eines in zwei Lose aufgeteilten Gebäudesanierungsauftrags an zwei verschiedene Bietergemeinschaften. Hiergegen wandte sich ein konkurrierendes Unternehmen u.a. mit dem Einwand, dass die Angebote der für den Zuschlag vorgesehenen Bietergemeinschaften auszuschließen gewesen wären, da die Bildung von Bietergemeinschaften vorliegend eine wettbewerbsbeschränkende Abrede in Bezug auf die Ausschreibung darstelle.
Da die Vergabekammer nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 5-Wochen-Frist entschied, wählte der Antragsteller den Weg über § 116 Abs. 2 GWB und wandte sich direkt an das Kammergericht.
Die Entscheidung
Die Entscheidung des Kammergerichts enthält eine Vielzahl interessanter Aspekte, von denen vorliegend jedoch nur die Frage der (möglichen) Kartellrechtswidrigkeit der Bildung von Bietergemeinschaften herausgegriffen werden soll. Das Kammergericht gelangt hier zu der Auffassung, dass das Angebot einer der Bietergemeinschaften gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1d VOB/A i.V.m. § 1 GWB auszuschließen gewesen wäre. Die Bildung einer Bietergemeinschaft stelle eine wettbewerbswidrige Abrede dar. Allerdings sei die Antragstellerin im Hinblick auf diesen Vergaberechtsverstoß nicht antragsbefugt im Sinne von § 107 Abs. 2 GWB.
Rechtliche Würdigung
Das Gericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass das Eingehen einer Bietergemeinschaft in aller Regel eine wettbewerbswidrige Vereinbarung im Sinne von § 1 GWB darstellt. Schließlich sei es die naturgemäße Folge des Eingehens einer Bietergemeinschaft, dass sich die Mitglieder der Gemeinschaft jedenfalls in Bezug auf den ausgeschriebenen Auftrag nicht wettbewerblich untereinander verhielten. Allenfalls dann, wenn die Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammen einen nur unerheblichen Marktanteil haben oder wenn sie erst durch das Eingehen der Bietergemeinschaft in die Lage versetzt werden, ein Angebot abzugeben und somit am Wettbewerb teilzunehmen, sei eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB zu verneinen. Dies wurde jedoch für den vorliegenden Fall verneint, da beide Unternehmen eine erhebliche Größe hatten. Bezüglich eines der Unternehmen wird eine Mitarbeiterzahl von 5.092 genannt. Der von den Bietergemeinschaftsmitgliedern genannte Grund, dass durch das Eingehen der Bietergemeinschaft Synergiepotentiale ausgenutzt werden sollten, wird als nicht ausreichend erachtet. Dieser Umstand lasse den Verstoß gegen § 1 GWB nicht entfallen, da die Nutzung von Synergien die regelmäßige, angestrebte Folge einer Vereinbarung zweier Unternehmen derselben Marktstufe zusammenzuarbeiten und kein besonderer Ausnahmegrund sei.
Das Kammergericht stützt sich in seinem Beschluss auf eine frühere Entscheidung vom 21.12.2009 (2 Verg 11/09) sowie Beschlüsse des OLG Düsseldorf, Koblenz und Frankfurt. Unerwähnt bleibt ein abweichender Beschluss des OLG Brandenburg vom 16.02.2012 (Verg W 1/12), der immerhin für sich in Anspruch nehmen kann, sich auf einer Linie mit einer entsprechenden BGH-Entscheidung aus dem Jahr 1983 (Urteil vom 13.12.1983, KRB 3/83) zu befinden. Das OLG Brandenburg sieht das Regel-Ausnahmeverhältnis genau umgekehrt und geht davon aus, dass Bietergemeinschaften regelmäßig zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig sind. Zudem lässt das Gericht es ausreichen, wenn der Bildung der Bietergemeinschaft eine nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung zugrunde liegt. Ob die beteiligten Unternehmen wirtschaftlich in der Lage wären, den Auftrag auch alleine auszuführen, ist aus Sicht des OLG Brandenburg, die damit derjenigen des Kammergerichts diametral entgegen gesetzt ist, nicht entscheidend.
Angesichts dieser widersprüchlichen Entscheidungspraxis der Obergerichte bleibt der Rechtsanwender zunächst verwirrt zurück. Die Gegensätzlichkeit der verschiedenen Beschlüsse wird jedoch auf erstaunliche Weise dadurch wieder aufgelöst, dass das Kammergericht Bietergemeinschaften zwar für generell gem. § 1 GWB unzulässig, aber auch den Antragsteller im Nachprüfungsverfahren für insoweit generell nicht antragsbefugt im Sinne von § 107 Abs. 2 GWB hält. Wenn man nämlich davon ausginge, dass Bietergemeinschaften eine gegen § 1 GWB verstoßende Wettbewerbsbeschränkung darstellten, müsse man gleichzeitig annehmen, dass ein Mehr an Wettbewerb sprich getrennte Angebote der Bietergemeinschaftsmitglieder zu besseren Angeboten geführt hätten. Dann aber könne einem Antragsteller durch die Bildung von Bietergemeinschaften kein Schaden entstehen, weil dadurch seine Chancen, einen besseren Platz in der Angebotswertung zu erlangen, eigentlich nicht geschmälert, sondern verbessert werden müssten. Im Ergebnis führt dies dazu, dass nach Auffassung des Kammergerichts Bietergemeinschaften zwar regelmäßig rechtswidrig sind, dass dieser Verstoß jedoch im Nachprüfungsverfahren folgenlos bleibt.
Dennoch können sich Auftraggeber und Bietergemeinschaftsmitglieder nach dieser Erkenntnis nicht entspannt zurücklegen. Zwar würde aus Sicht des Kammergerichts einem konkurrierenden Unternehmen die Antragsbefugnis zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens fehlen. Bei Annahme wettbewerbswidriger Abreden im Sinne des § 1 GWB sind jedoch grundsätzlich auch kartellrechtliche Verfügungen der insoweit zuständigen Behörden denkbar eine Konsequenz, mit der kein öffentlicher Auftraggeber in der laufenden Vertragsabwicklung konfrontiert sein möchte.
Gerade beim Zusammenschluss von Unternehmen, die zusammen einen nicht nur unerheblichen Marktanteil haben, sind Auftraggeber daher künftig stärker in der Pflicht, vor Bezuschlagung eines Bietergemeinschaftsangebots zu prüfen, ob die Bildung dieser Bietergemeinschaft wettbewerbsrechtlich zu beanstanden ist.
Auch Bietergemeinschaften sollten sich auf entsprechende Auseinandersetzungen vorbereiten. Das heißt es gilt zunächst, die mögliche Kartellrechtswidrigkeit vor Bildung eines entsprechenden Zusammenschlusses zu prüfen. Aber auch, wenn die Bietergemeinschaftsmitglieder für sich selbst zu dem Schluss gelangt sind, dass kein Verstoß gegen § 1 GWB vorliegt, sollten bereits frühzeitig Argumente zusammengetragen werden, die das Vorliegen einer Ausnahmesituation belegen. Wenig zielführend dürfte dagegen der in einigen Beiträgen gegebene Hinweis sein, Bietergemeinschaften sollten ihre Motivation im Rahmen einer Präambel zum Bietergemeinschaftsvertrag festlegen. Derartige Vertragslyrik dürfte im Ernstfall kaum geeignet sein, eine etwaige Kartellrechtswidrigkeit eines Zusammenschlusses aus dem Weg zu räumen.
Teilweise wird als Reaktion auf das Kammergerichtsurteil bzw. das vorhergehende Urteil des OLG Düsseldorf auch gefordert, öffentliche Auftraggeber müssten in der Bekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen generell einen (kartellrechtlichen) Unbedenklichkeitsnachweis der Bietergemeinschaft fordern. Dies erscheint allerdings überzogen, da weiter davon auszugehen ist, dass die überwiegende Anzahl an Bietergemeinschaften gerade deshalb gebildet wird, weil die beteiligten Unternehmen alleine nicht in der Lage wären, den Auftrag auszuführen. Man würde daher Vergabeverfahren mit einem aus Bieter- wie Auftraggebersicht ganz regelmäßig unnötigen Aufwand überfrachten. Denkbar wäre es allenfalls, in Bereichen, in denen es von vornherein nur wenige große Anbieter auf dem Markt gibt, entsprechende Erklärungen zu verlangen.
Hinweis der Redaktion: Die Entscheidung des KG Berlin wird bereits kontrovers im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutiert. Hier geht es zur Diskussion.