OLG Celle zu den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten einer Dienstleistungskonzession (OLG Celle, Beschl. v. 13.05.2014 – 13 Verg 05/14)
Die Vergabe einer Dienstleistungskonzession wird, insbesondere der Bereich der Entsorgungstätigkeiten, gerne genutzt um Aufgaben der Gemeinde vergaberechtsfrei auf einen Konzessionär zu übertragen. Allerdings lädt die Dienstleistungskonzession regelmäßig auch dazu ein, deren vergaberechtsfreien Anwendungsbereich zu überdehnen und unter dem Mantel der Konzession vergaberechtswidrige de-facto Vergaben durchzuführen.
Das OLG Celle hatte sich in dem vorliegenden Fall mit ebenjenem Vorwurf auseinander zu setzen, was es zum Anlass nahm, die Voraussetzungen der Dienstleistungskonzession zu konkretisieren und die abfallrechtlichen Besonderheiten bei der Konzessionsvergabe im Bereich der Entsorgung von Alttextilien besonders heraus zu stellen.
§ 99 GWB, § 53 KrWG
Sachverhalt
Hintergrund des Nachprüfungsverfahrens war die Vergabe einer fünf Jahre zu vergebenden Dienstleistungskonzession durch einen Zweckverband öffentlich rechtlicher Entsorgungsträger in Niedersachsen wobei dieser sich (ohne rechtliche Bindung) an das Verfahren der VOL/A anlehnte.
Dem Konzessionär sollten im Stadtgebiet Stellplätze für Altkleidercontainer zugewiesen werden. Dafür hatte er eine monatliche Stellplatzabgabe an den öffentlichen Auftraggeber zu entrichten und sollte im Übrigen für das Aufstellen und die wöchentliche Leerung der Container verantwortlich sein.
Seinen Gewinn sollte der Konzessionär allein mit der Verwertung der Alltextilien erzielen. Eine Vergütung durch den Auftraggeber oder Dritte war nicht vorgesehen.
Darüber hinaus wurden dem Konzessionär detaillierte vertragliche Vorgaben gemacht: So sollten die Container mit einem Aufkleber mit dem Logo des Auftraggebers versehen werden. Zudem waren neben einer Verwertungsquote von 90% die Vorgaben der EU-Abfallrichtlinie 2008/98/EG und des § 6 KrWG einzuhalten.
Die Antragstellerin, ein unterlegener Bewerber um die Konzession, wandte sich gegen die Vergabe an einen Konkurrenten und rief die Vergabekammer an. Sie trug vor, dass es sich nach ihrer Auffassung nicht um eine Konzession, sondern um einen entgeltlichen Dienstleistungsauftrag handle, welcher der vollen Nachprüfbarkeit durch die Vergabekammer unterworfen sei. Die Entgeltlichkeit sei hier darin zu sehen, dass der Nutzer der Container zunächst die Alttextilien an den öffentlichen Auftraggeber übereigne, da er aufgrund des Aufklebers mit dem Logo des Entsorgungsträgers davon ausgehe, diesem das Eigentum zu verschaffen. Erst in einem zweiten Schritt würden die Alttextilien dann durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer übereignet.
Zur Begründung führte sie weiter aus, dass es sich bei der Sammlung der Alttextilien nicht um eine gewerbliche Sammlung, sondern eine Drittbeauftragung i.S.d. § 22 KrWG handele. Dafür spreche insbesondere die lange Laufzeit von fünf Jahren, die die gesetzlich vorgesehene Mindestdauer des § 18 Abs.6 KrWG von drei Jahren für gewerbliche Sammlungen deutlich überschreite.
Die Antragstellerin war mit dieser Argumentation vor der Vergabekammer Niedersachsen gescheitert und begehrte nun vor dem OLG Celle die Aufhebung des ablehnenden Beschlusses und das Verbot des Vertragsschlusses zwischen Konzessionsgeber und Konzessionär.
Die Entscheidung
Ohne Erfolg. Das OLG Celle wies den Antrag als unzulässig zurück. Auf die hier vergebene Dienstleistungskonzessionen ist das Vergaberecht nach dem GWB nicht anwendbar und damit auch die Nachprüfung durch die Vergabekammer und den Vergabesenat nicht eröffnet.
Die Abgrenzung zwischen Dienstleistungsauftrag und Dienstleistungskonzession ist allein anhand des Unionsrechts zu beurteilen. Danach ist es für das Vorliegen einer Konzession von zentraler Bedeutung, dass der Konzessionär sein Entgelt nicht vom Auftraggeber erhält und das wirtschaftliche Betriebsrisiko zu tragen hat (EuGH Urteil v.10.03.2011- C 274/09, Rn.24 und 26).
Hier nach Auffassung des OLG Celle ist keine entgeltliche Gegenleistung durch den öffentlichen Auftraggeber gegeben. Auch wenn sich der Begriff der „Entgeltlichkeit“ nicht allein in der Zahlung eines Geldbetrages erschöpft, findet hier dennoch keine Übereignung der Alttextilien durch diese einwerfenden Nutzer an den Entsorgungsträger und von diesen weiter an den Entsorger statt. Vielmehr erlangt der Auftragnehmer direkt das Eigentum von den Nutzern. Da dem Nutzer die vertragliche Bindung (ungeachtet etwaiger Aufkleber) zwischen öffentlichen Auftraggeber und Entsorger regelmäßig gleichgültig ist, liegt hier eine „Übereignung an den, den es angeht“ vor, die zu einem direkten Eigentumserwerb beim Auftragnehmer führt.
Das wirtschaftliche Betriebsrisiko ist hier darin zu sehen, dass der Auftragnehmer eine feste Stellplatzvergütung zu zahlen und darüber hinaus die Kosten für die Aufstellung, Erhaltung und Leerung der Container zu tragen hat. Schwankende Alttextilpreise können daher für ihn zu Verlusten und damit einem Betriebsrisiko führen.
Die Tätigkeit des Entsorgers ist auch als eine gewerbliche Sammlung i.S.d. §§ 17 Abs.2 Nr.3, 3 Abs.18 KrWG und nicht etwa als eine Drittbeauftragung zu qualifizieren. Auch die drei Jahre überschreitende Laufzeit des Vertrags ändert an dieser Einordnung nichts, da die Vorgabe des § 18 Abs.6 KrWG sich allein auf die Bestimmung einer Mindestlaufzeit durch die Behörde bei der die gewerbliche Sammlung angezeigt werden muss, bezieht. Eine Abweichung von dieser Vorgabe ändert nichts am Tatbestand einer gewerblichen Sammlung.
Eine Dienstleistungskonzession im Abfallrecht ist nur dann unzulässig, wenn die entsorgungspflichtige Stelle einen Dritten beauftragt und dem Dritten dadurch ein Entgeltanspruch gegen den Nutzer zustehen soll (OLG Düsseldorf v. 07.03.2012-VII Verg 78/11 – Besprechung von RA Dr. Lück auf vergabeblog.de). Dies ist hier aber gerade nicht der Fall.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des OLG Celle stärkt die Dienstleistungskonzession und konkretisiert in begrüßenswerter Form die daran zu stellenden Anforderungen. Es kommt für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession im Bereich der Alttexilentsorgung nicht darauf an, ob der Nutzer der Leistung (also die Person, welche ihre alten Kleidungsstücke entsorgt) vom Vorliegen einer Dienstleistungskonzession ausgeht oder vielmehr die Kleidung an den öffentlichen Auftraggeber übereignen will. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass entgegenstehende subjektive Vorstellungen der Nutzer einer solchen Konzession unbeachtlich sind. Dies vergrößert für Konzessionsgeber die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten.
Praxistipp
Allerdings gilt es zu beachten, dass die Dienstleistungskonzession in der Regel nicht geeignet ist um für den öffentlichen Auftraggeber Einnahmen aus der Alttextilerfassung und –verwertung zu generieren, weil der Konzessionär die Kosten im Rahmen der Dienstleistungskonzession auf eigenes Risiko erwirtschaften muss. Die Spielräume für die Generierung von Einnahmen über Stellplatzgebühren sind damit eher eng.
Außerdem kommt hinzu, dass das OVG NRW (Beschluss vom 31.01.2013 Az.9 E 1060/12, Beschluss vom 15.04.2011 – Az.9 A 2260/09) entschieden hat, dass Dritte nicht berechtigt sind, Benutzungsgebühren für die Gemeinde zu erheben, weil die Befugnis zur Gebührenerhebung nach § 1 KAG NRW nur der Stadt bzw. Gemeinde oder einer Anstalt des öffentlichen Rechts, nicht aber privaten Dritten zusteht.
Daher sollte insbesondere im Bereich von Konzessionen im Entsorgungsbereich besonderes Augenmerk auf eine genaue Festlegung und Kontrolle der Vertragspflichten des Konzessionärs gelegt werden: Da sich der Konzessionär allein aus dem Verkaufserlös der erhaltenen Ware finanzieren darf, kann es bei sinkenden Marktpreisen für ihn schnell unattraktiv werden, wöchentliche Leerungsrhythmen einzuhalten.
Unabhängig davon muss der Konzessionär seinen Anzeigepflichten nach § 53 Abs.1 KrWG und zusätzlich nach § 18 KrWG (gewerbliche Sammlung von Alttextilien im Sinne des § 17 Abs.2 S.1 Nr.4 KrWG) nachkommen.