TVgG-NRW: Wann sind die Verpflichtungserklärungen nach Landesvergabegesetzen bei Verfahren mit Teilnahmewettbewerb einzufordern? (VK Detmold, Beschl. v. 30.04.2014 – VK 2-10/13)
Die Vergabekammer in Detmold hat sich in dem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 30.04.2014 (Az. VK 2-10/13) zu der Frage geäußert, ob die Verpflichtungserklärungen zur Tariftreue (§ 4 TVgG-NRW), zur Einhaltung der Mindeststandards der ILO-Kernarbeitsnormen (§ 18 TVgG-NRW) sowie zur Frauen- und Familienförderung (§ 19 TVgG-NRW) im Falle eines Verhandlungsverfahrens bereits mit dem Teilnahmeantrag oder erst mit der Angebotsabgabe einzufordern sind.
§§4, 18, 19 TVgG-NRW
Sachverhalt
Eine Vergabestelle schreibt die Instandhaltung, den Betrieb und den Unterhalt der Straßenbeleuchtungsanlagen im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorherigem öffentlichem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Die einschlägigen Verpflichtungserklärungen zur Tariftreue (§ 4 TVgG-NRW), zur Einhaltung der Mindeststandards der ILO-Kernarbeitsnormen (§ 18 TVgG-NRW) sowie zur Frauen- und Familienförderung (§ 19 TVgG-NRW) fordert die Vergabestelle nicht bereits mit dem Teilnahmeantrag, sondern erst mit Angebotsabgabe.
Die Entscheidung
Obwohl es inhaltlich hierauf für die Entscheidung nicht ankam bereits die Verfahrenswahl erwies sich als vergaberechtswidrig, wies die Vergabekammer die Vergabestelle noch darauf hin, dass die Verpflichtungserklärungen nach dem TVgG-NRW bereits bei Einreichung der Teilnahmeanträge zu fordern seien. Zur Begründung beruft sich die Vergabekammer auf den Zweck, den sie den Verpflichtungserklärungen zuschreibt: als Beleg für die Gesetzestreue des Unternehmens und damit seiner Zuverlässigkeit. Diese seien aber bei einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb in dessen Rahmen von den Bewerbern einzureichen und von der Vergabestelle zu prüfen. Dass im TVgG-NRW demgegenüber die allgemeine Formulierung gewählt ist, wonach die Verpflichtungserklärungen mit dem Angebot vorzulegen sind, stehe nach Auffassung der Vergabekammer dem nicht entgegen: Der Landesgesetzgeber sei vom Regelfall des Offenen Verfahrens ausgegangen, bei dem Eignungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfung zeitlich zusammenfallen.
Rechtliche Würdigung
Die Ausführungen der Vergabekammer zum Zeitpunkt, zu dem die Verpflichtungserklärungen vorliegen müssen, können nicht überzeugen und dokumentieren anschaulich die noch immer vorherrschende Unsicherheit im Umgang mit den Anforderungen nicht nur des nordrhein-westfälischen Vergabegesetzes.
Bereits mit Beschluss vom 29.01.2014 (Az. VII-Verg 28/13, Besprechung des Autors hier im Vergabeblog), bestätigt durch den Beschluss vom 25.06.2014 (Az. VII-Verg 39/13, Besprechung des Autors hier im Vergabeblog) hat das OLG Düsseldorf klargestellt, dass die Verpflichtungserklärungen des TVgG-NRW nicht die Eignung der Bieter betreffen, sondern ergänzende Bedingungen an die Auftragsausführung aufstellen. Die Bieter verpflichten sich mit den Erklärungen, im Falle der Auftragserteilung während der Leistungserbringung (in der Zukunft!) die Vorgaben zur Mindestentlohnung, Frauen- und Familienförderung etc. zu beachten. Es handelt sich gerade nicht um bieterbezogene Eignungsaspekte, die in einem vorgelagerten Teilnahmewettbewerb geprüft werden können.
Praxistipp
Die Verpflichtungserklärungen, die zusätzliche Anforderungen an die Auftragsausführung stellen, können und dürfen daher sinnvollerweise erst im Rahmen des Angebotes eingefordert werden. Dies erschließt sich auch, wenn man bedenkt, dass ein Bieter erst zu diesem Zeitpunkt überhaupt abschließend beurteilen kann, wie er die Leistung konkret erbringen will. Je nach ausgeschriebener Leistung kann ein Interessent aus der Bekanntmachung noch nicht abschließend erkennen, was der konkrete Leistungsinhalt ist.
Lediglich die Erklärung gemäß § 16 Abs. 5 TVgG-NRW sowie die Nachweise nach § 7 TVgG-NRW betreffen tatsächlich die Eignung der Unternehmen und sind daher bereits im Teilnahmewettbewerb von den Bewerbern vorzulegen (ausführlich hierzu Fandrey, Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen, 2014, Rn. 541 ff.).