VK Bund zur neuen VgV (VK Bund, Beschl. v. 16.06.2014 – VK 1-38/14)
Unzulässige Eignungsaspekte als Zuschlagskriterien. Seit der 7. VgV-Novelle dürfen Auftraggeber für bestimmte Dienstleistungen eignungsbezogene Aspekte als Wertungskriterien berücksichtigen. Erforderlich ist aber, dass diese Eignungsaspekte in einem konkreten Zusammenhang mit dem konkret zu vergebenden Auftrag stehen.
Wie es nicht geht, zeigt der Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 16.06.2014 (VK 1-38/14). Ein Regionales Einkaufszentrum der Bundesagentur für Arbeit hat die Leistungen aus früheren Aufträgen als Wertungskriterium aufgestellt. Da kein Bezug zu dem nun einzusetzenden Personal bestand, war das Wertungskriterium aber vergaberechtswidrig.
GWB § 97 Abs. 4, § 107 Abs. 3; SGB II § 16 Abs. 1; SGB III §§ 76 ff.; VgV § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, S. 2, 3; VOL/A 2009 § 6 Abs. 1, § 16 Abs. 5
Sachverhalt
Ein Regionales Einkaufszentrum der Bundesagentur für Arbeit schrieb Maßnahmen zur Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung nach §§ 76 ff. SGB III i.V.m. § 16 Abs. 1 SGB II aus. Die Wertung erfolgte, wie bei derartigen Ausschreibungen üblich, nach der UfAB V-Formel in der erweiterten Richtwertmethode. Der Auftraggeber gliederte die Wertungsmatrix in fünf Wertungsbereiche. Der fünfte Wertungsbereich trug den Titel Bisherige Erfolge und Qualität. Dort sollten folgende Kriterien bewertet werden:
1. Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
2. Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Ausbildung
3. Abbruchquote (nur negative Gründe)
Hiernach sollte sich jede Vermittlung positiv auf die Eingliederungsquote auswirken, sofern der jeweilige Teilnehmer sechs Monate nach Maßnahmeaustritt noch in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. Ausbildung war.
In die Betrachtung einbezogen werden sollten von den Bietern in der Vergangenheit ausgeführte Maßnahmen für Teilnehmer, die ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt des Maßnahmeaustritts im Bezirk der für das jeweilige Los zuständigen Arbeitsagentur hatten. Wurden die früheren Maßnahmen in Bietergemeinschaft ausgeführt, sollten sie aber nur dann berücksichtigt werden, wenn der jetzige Bieter bevollmächtigtes Mitglied der damaligen Bietergemeinschaft war. Zur Begründung verwies der Auftraggeber auf technische Gründe. Außerdem sei tendenziell davon auszugehen, dass der bevollmächtigte der Bietergemeinschaft regelmäßig den größten Anteil der Maßnahmedurchführung erbringe.
Gegen die eignungsbezogenen Wertungskriterien und die Beschränkung auf solche Teilleistungen, die ein Bieter als bevollmächtigtes Mitglied einer Bietergemeinschaft erbrachte, wandte sich eine Bietergemeinschaft mit Rüge und Nachprüfungsantrag und hatte Erfolg.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer entschied, dass die eignungsbezogenen Wertungskriterien vergaberechtswidrig sind. Zwar erlaubt die VgV in der Fassung der 7. Änderungsverordnung vom 15.10.2013 (BGBl. I. 3854) die Formulierung eignungsbezogener Zuschlagskriterien für den Bereich der Dienstleistungen nach Anhang I B der VgV und der VOL/A. Hierzu zählen auch die hier ausgeschriebenen Arbeitsmarktdienstleistungen. § 4 Abs. 2 S. 2 und 3 VgV bestimmen:
Wenn im Fall des Satzes 1 Nummer 2 tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des bei der Durchführung des betreffenden Auftrags eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf die Qualität der Auftragsausführung haben können, können diese Kriterien bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt werden. Bei der Bewertung dieser Kriterien können insbesondere der Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen berücksichtigt werden.
Die hier aufgestellten Wertungskriterien beziehen sich auch auf Erfolg bzw. Qualität früherer Maßnahmen, indem die Eingliederungs- und Abbruchquoten bewertet werden. Allerdings beging der Auftraggeber den Fehler, nicht auf das konkrete Personal abzustellen. § 4 Abs. 2 S. 3 VgV ist aber in Zusammenhang mit Satz 2 zu sehen: Danach dürfen Erfolg oder Qualität bisheriger Leistungen nur insoweit berücksichtigt werden als es sich um dasselbe Personal handelt, das auch bei dem nun ausgeschriebenen Auftrag eingesetzt werden soll. Erst die konkrete Bezugnahme auf das einzusetzende Personal stellt den Bezug zu der Voraussetzung her, dass dieses einen erheblichen Einfluss auf die Qualität der Ausführung haben muss. An dieser Verknüpfung fehlt es hier, weshalb die Vergabekammer die Wertungskriterien für vergaberechtswidrig erklärte.
Soweit frühere Teilleistungen nur dann berücksichtigt werden sollten, wenn der jetzige Bieter diese als bevollmächtigtes Mitglied der damaligen Bietergemeinschaft erbrachte, gab die Vergabekammer dem Bieter ebenfalls Recht. Zum einen besteht kein Erfahrungssatz, wonach das bevollmächtigte Mitglied einer Bietergemeinschaft auch den größten Anteil an der Leistung übernimmt. Zum anderen kann ein solches Verständnis dazu führen, dass sich künftige Partner nicht darüber einigen können, wer von ihnen bevollmächtigtes Mitglied ihrer Bietergemeinschaft werden soll. Im Ergebnis werden Bietergemeinschaften gegenüber Einzelbietern diskriminiert. Technische Gründe können dies nicht rechtfertigen.
Rechtliche Würdigung
Mit der Änderung der VgV entsprach der Gesetzgeber der Forderung der führenden Verbände der Wohlfahrtspflege, die in der stärkeren Berücksichtigung von eignungsbezogenen Aspekten auf Wertungsebene eine Möglichkeit sahen, den ruinösen Preiskampf in ihrer Branche zugunsten einer qualitativ hochwertigen Leistungserbringung zu beenden. Unterhalb der Schwellenwerte konnte eine Regelung aufgrund der Zuständigkeit der Länder nicht erfolgen. Für das Recht oberhalb der Schwellenwerte stehen dem die geltenden EU-Vergaberichtlinien in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH entgegen. Für den Bereich der Dienstleistungen nach den Anhängen I B der VgV bzw. der VOL/A war eine Regelung jedoch möglich. Denn hier regelt die Richtlinie 2004/18/EG mit Art. 21 nur wenige Einzelheiten. Die nähere Ausgestaltung des Vergabeverfahrens obliegt hier den Mitgliedstaaten.
Allzu mutig war die Gesetzesänderung zwar nicht. Denn der Bundesgesetzgeber griff mit § 4 Abs. 2 S. 2-4 VgV (bzw. § 5 Abs. 1 S. 2 4 VgV für freiberufliche Leistungen) letztlich der neuen EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU vor [hierzu Vergabeblog Nr. 18308 vom 16.02.2014]. Deren Artikel 67 lässt eignungsbezogene Zuschlagskriterien künftig für sämtliche öffentlichen Aufträge zu, soweit das einzusetzende Personal von besonderer Bedeutung für die Ausführung der Leistung ist. Dennoch ist zu begrüßen, dass insbesondere bei sozialen Dienstleistungen eine stärkere Berücksichtigung qualitativer Aspekte erfolgen soll.
Konsequenterweise muss dann aber geprüft werden, ob das Personal aus den Aufträgen, die berücksichtigt werden sollen, auch in dem auszuschreibenden Auftrag zum Einsatz kommen soll. Denn ansonsten handelt es sich um die schlichte Abfrage von Referenzen, die auch weiterhin ein reines Eignungskriterium sind und als solche nicht auf Zuschlagsebene berücksichtigt werden dürfen. Der Entscheidung der Vergabekammer ist deshalb zuzustimmen. Nichts anderes gilt für die Beschränkung der Referenzen auf Teilleistungen vom bevollmächtigten Mitglied einer Bietergemeinschaft. Die Pflicht zur Gleichbehandlung von Bietergemeinschaften und Einzelbietern ergibt sich schon aus § 6 Abs. 1 S. 1 VOL/A. Auch wenn die Umsetzung für die Regionalen Einkaufszentren mit Schwierigkeiten verbunden sein mag, darf dies nicht zu Lasten von Unternehmen gehen, die häufig nicht die Rolle des bevollmächtigten Mitglieds einer Bietergemeinschaft übernehmen. Diese förmliche Unterscheidung ist nicht geeignet, Leistungen inhaltlich zu bewerten.
Für die Praxis der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen hat die Entscheidung aber noch eine andere Folge: Da die Qualität des Personals bewertet werden soll, muss dieses schon bei Angebotsabgabe benannt werden. Die Möglichkeit, das Personal, wie üblich, innerhalb von vier Wochen ab Zuschlagserteilung zu benennen, fällt dann weg. Außerdem wird man von einem Bieter nicht verlangen können, dass er im Zuschlagsfall ausschließlich das zu Beginn benannte Personal einsetzt. Schwangerschafts- oder krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten können ebenso wenig ausgeschlossen werden wie das Ausscheiden eines Mitarbeiters aus dem Unternehmen. Auch insoweit lohnt ein Blick in die neue Richtlinie 2014/24/EU. Deren Erwägungsgrund (94) sieht vor, dass der Auftragnehmer Mitarbeiter mit Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers ersetzen darf, wenn das Ersatzpersonal ein gleichwertiges Qualitätsniveau hat.
Nachdem sofortige Beschwerde eingelegt wurde, hat nun der Vergabesenat des OLG Düsseldorf das letzte Wort.