OLG Düsseldorf zu eignungsbezogenen Zuschlagskriterien (OLG Düsseldorf Beschl. v. 17.12.2014 – VII-Verg 22/14)

EntscheidungKeine Personengleichheit bei Bewertung des Personals aus früheren Aufträgen nötig.

Auftraggeber dürfen gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 und 3 VgV in der Fassung der 7. VgV-Novelle für bestimmte Dienstleistungen eignungsbezogene Aspekte als Wertungskriterien berücksichtigen, darunter die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des bei der Durchführung des betreffenden Auftrags eingesetzten Personals. Die 1. Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 16.06.2014. VK 1-38/14) entschied, dass die Qualität des früher eingesetzten Personals aber nur dann bewertet werden darf, wenn dieses Personal auch bei dem aktuell zu vergebenden Auftrag wieder zum Einsatz kommen soll. Dem trat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 17.12.2014 (VII-Verg 22/13) entgegen.

RL 2014/24/EU Art. 67 Abs. 2 S. 2 lit. b); GWB §§ 1, 97 Abs. 1 u. 2, 107 Abs. 3; VgV § 4 Abs. 2 S. 2 u. 3; VOL/A 2009 §§ 6 Abs. 1 S. 1, 16 Abs. 3 lit. f)

Sachverhalt

Ein Regionales Einkaufszentrum der Bundesagentur für Arbeit schrieb Maßnahmen zur Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung nach §§ 76 ff. SGB III i.V.m. § 16 Abs. 1 SGB II aus. Die Wertung erfolgte, wie bei derartigen Ausschreibungen üblich, nach der UfAB V-Formel in der erweiterten Richtwertmethode. Der Auftraggeber gliederte die Wertungsmatrix in fünf Wertungsbereiche. Der fünfte Wertungsbereich trug den Titel Bisherige Erfolge und Qualität. Dort sollten folgende Kriterien bewertet werden:

1. Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

2. Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Ausbildung

3. Abbruchquote (nur negative Gründe)

Hiernach sollte sich jede Vermittlung positiv auf die Eingliederungsquote auswirken, sofern der jeweilige Teilnehmer sechs Monate nach Maßnahmeaustritt noch in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. Ausbildung war.

In die Betrachtung einbezogen werden sollten von den Bietern in der Vergangenheit ausgeführte Maßnahmen für Teilnehmer, die ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt des Maßnahmeaustritts im Bezirk der für das jeweilige Los zuständigen Arbeitsagentur hatten. Wurden die früheren Maßnahmen in Bietergemeinschaft ausgeführt, sollten sie aber nur dann berücksichtigt werden, wenn der jetzige Bieter bevollmächtigtes Mitglied der damaligen Bietergemeinschaft war. Zur Begründung verwies der Auftraggeber auf technische Gründe. Außerdem sei tendenziell davon auszugehen, dass der bevollmächtigte der Bietergemeinschaft regelmäßig den größten Anteil der Maßnahmedurchführung erbringe.

Gegen die eignungsbezogenen Wertungskriterien und die Beschränkung auf solche Teilleistungen, die ein Bieter als bevollmächtigtes Mitglied einer Bietergemeinschaft erbrachte, wandte sich eine Bietergemeinschaft mit Rüge und Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer gab dem Bieter Recht. Wegen der Bewertung der Erfolge aus früheren Aufträgen kassierte der Vergabesenat die Entscheidung nun teilweise. Zugleich nutzte er die Gelegenheit zu klarstellenden Aussagen bezüglich der Zulässigkeit von Bietergemeinschaften.

Die Entscheidung

Auch der Vergabesenat geht davon aus, dass die Vermittlungsquoten aus früheren vergleichbaren Aufträgen eines Bieters ein sachgerechtes und zulässiges Wertungskriterium im Sinne von § 4 Abs. 2 S. 2, 3 VgV für die Beurteilung der Qualität dieser Leistungen darstellt. Denn die Qualifikation und Erfahrung des Personals schlägt sich unmittelbar in den Eingliederungs- und Vermittlungsquoten nieder.

Anders als die Vergabekammer hält es das OLG Düsseldorf aber nicht für erforderlich, dass das bei den früheren Maßnahmen eingesetzte Personal dasselbe wie dasjenige ist, welches der Bieter bei der aktuell ausgeschriebenen Maßnahme ist. Hierzu führt der Vergabesenat aus:

Dies wird meistens schon aus praktischen Gründen nicht möglich sein, da sich Mitarbeiter in Mutterschutz, Elternzeit oder Ruhestand befinden werden, erkrankt sind, den Arbeitgeber gewechselt haben oder sonst ausgeschieden sind. Ohnehin darf der Auftraggeber von einem Bieter nicht verlangen, schon im Angebot die einzusetzenden Mitarbeiter namentlich zu benennen. Gegebenenfalls muss der Auftraggeber mit Hilfe vertraglicher Mittel sicherstellen, dass die vom Bieter bei der zukünftigen Auftragsausführung eingesetzten Mitarbeiter die vorgegebenen Qualitätsnormen effektiv erfüllen, und dass das Ersatzpersonal ein gleichwertiges Qualitätsniveau hat (siehe auch: Erwägungsgrund 94 RL 2014/24/EU).

Bestätigt hat der Vergabesenat den Beschluss der Vergabekammer hingegen bezüglich der Berücksichtigungsfähigkeit von in Bietergemeinschaft erbrachten Teilleistungen. Dass diese nur dann beachtlich sein sollten, wenn der jetzige Bieter sie als bevollmächtigtes Mitglied der damaligen Bietergemeinschaft erbrachte, verstößt gegen den Wettbewerbs- und den Gleichbehandlungssatz gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Denn für die Beteiligung an der Leistung und am Erfolg ist die rein formale Stellung der Mitglieder einer Bietergemeinschaft irrelevant. Vielmehr wäre es willkürlich, den Erfolg dem bevollmächtigten Mitglied einer Bietergemeinschaft vollständig und dem einfachen Mitglied überhaupt nicht zuzurechnen. Auch vermeintliche technische Gründe rechtfertigen dieses Vorgehen nicht.

Zu erwähnen ist noch die Stellungnahme des Vergabesenats zu der im vergangenen Jahr entfachten Kontroverse über die Voraussetzungen der Zulässigkeit von Bietergemeinschaften und die Verteilung der Beweislast in einem Vergabeverfahren (vgl. hierzu Weihrauch, Vergabeblog Nr. 18876 vom 23.04.2014):

Das OLG Düsseldorf weist unmissverständlich auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis nach § 6 Abs. 1 S. 1 VOL/A hin: Danach sind Bietergemeinschaften wie Einzelbieter zu behandeln. Etwas anderes gilt erst und nur dann, wenn die Bietergemeinschaft eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. In diesem Fall muss die Bietergemeinschaft darlegen, dass ihre Bildung und Angebotsabgabe nicht gegen § 1 GWB verstößt. Hierzu führt der Vergabesenat aus:

Diese Darlegung muss jedoch nicht schon mit der Abgabe des Angebots erfolgen, weil gemäß § 1 GWB auch nicht vermutet wird, dass eine Bietergemeinschaft eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt, sondern sie muss erst auf eine entsprechende gesonderte Aufforderung des Auftragsgebers zur Erläuterung der Gründe für die Bildung der Bietergemeinschaft erfolgen.

DVNW_Mitglied

Rechtliche Würdigung

Die Feststellung, dass es bei der Beurteilung früherer Leistungen nicht darauf ankomme, ob die damals eingesetzten Mitarbeiter dieselben wie die für den aktuell ausgeschriebenen Auftrag sind, ist nicht zwingend. Zuschlagskriterien sind rein leistungsbezogen. Sie stellen auf das aktuelle Angebot ab und bilden den Maßstab seiner Bewertung. Demgegenüber beziehen sich Eignungskriterien auf die Person des Bieters und seine Leistungen in der Vergangenheit. Und hier liegt die Besonderheit des Falls: Denn vorliegend handelt es sich um sogenannte eignungsbezogene Zuschlagskriterien im Sinne von § 4 Abs. 2 S. 2, 3 VgV. Eignungs- und Wertungsaspekte kommen hier kombiniert zur Anwendung. Deshalb kann man durchaus der Ansicht sein, dass eine Personenidentität der Mitarbeiter zwischen dem Referenzauftrag und der aktuellen Ausschreibung erforderlich ist, da anderenfalls keine verlässlichen Rückschlüsse möglich sind. Zuzugeben ist allerdings, dass jede Eignungsprüfung in puncto Referenzen abstrakt an früheren Aufträgen anknüpft und eine Personenidentität von Mitarbeitern auch in anderen Vergabeverfahren nicht geprüft wird. Schließlich sprechen für die Auffassung des Vergabesenats die kaum auszuschließenden laufenden Veränderungen in der Zusammensetzung des Personals von Unternehmen (vgl. hierzu Beitrag des Autors, Vergabeblog Nr. 20928 vom 07.12.2014).

Jedenfalls hat das OLG Düsseldorf die Rechtsfrage im vorgenannten Sinne entschieden. Und dies gewiss nicht zum Nachteil der Bieter, wenn man den damit verhinderten Verwaltungsaufwand auf ihrer Seite berücksichtigt.

Erfreulich ist die Klarstellung des Vergabesenats zur Zulässigkeit von Bietergemeinschaften nach § 1 GWB: Es besteht keine von Bietergemeinschaften zu widerlegende Vermutung, dass ihre Eingehung unzulässig ist, sondern Bietergemeinschaften sind grundsätzlich zulässig, soweit keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorliegen. Dann allerdings trifft die Bietergemeinschaft die Beweislast für ihre Zulässigkeit. Dies impliziert, dass ihr vor einem möglichen Ausschluss vom Vergabeverfahren die Möglichkeit zu einer Aufklärung gegeben wird. Damit darf die Debatte darüber, ob das OLG Düsseldorf eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BGH und des Berliner Vergabesenats vollzogen hat, als geklärt werden.