VK Rheinland: Richtig rügen will gelernt sein! (VK Düsseldorf, Beschl. v. 07.01.2015 – VK-5/2014)
Eine vorsorgliche oder bedingte Rüge stellt nicht immer eine ordnungsgemäße Rüge dar. Darüber hinaus muss der Bieter mit seiner Rüge klar zu erkennen geben, welche Punkte der Ausschreibung er als fehlerhaft ansieht und für die er daher Abhilfe begehrt.
§ 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB
Leitsatz
- Rügen sind so zu fassen, dass der Auftraggeber erkennen kann, dass Fehler im Vergabeverfahren geltend gemacht werden und Abhilfe erwartet wird.
- Wird eine „vorsorglich“ erhobene Rüge zurückgewiesen oder als inhaltlich gegenstandslos beantwortet, genügt diese nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Nachprüfungsverfahren.
Sachverhalt
Der Auftraggeber schrieb Rettungsdienstleistungen aus. Der erfolgreiche Auftragnehmer sollte die Fahrzeuge und das Personal stellen. Das Personal sollte weitgehend der Weisungsbefugnis des Auftraggebers unterliegen. Ein Bieter stellte dem Auftraggeber dazu u.a. die Bieterfrage, ob die Personalgestellung eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sei, was steuerrechtliche Implikationen gehabt und eine Erlaubnispflicht ausgelöst hätte. Für den Fall, dass dies vom Auftraggeber bejaht werde, hat er vorsorglich Rüge erhoben und diese damit begründet, dass die Ausschreibung dann gegen den Transparenzgrundsatz verstoße. Der Auftraggeber antwortete, dass aus seiner Sicht keine Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Daher sei die vorsorgliche Rüge gegenstandslos. Daraufhin stellte der Bieter einen Nachprüfungsantrag.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer Rheinland hat den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen, da der Bieter seine Rügepflicht nicht erfüllt habe. Nach § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB sei ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht bis zum Ablauf der Angebotsfrist von dem Bieter gerügt werden. Die vorsorglich erhobene Rüge erfülle diese Anforderungen hier nicht. Denn die Rüge habe so wie sie gestellt wurde nur für den Fall gelten sollen, dass der Auftraggeber das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung bejaht. Da er dies nicht getan habe, war für ihn nicht erkennbar, dass er sich dennoch mit der Rüge auseinandersetzen sollte. Der Bieter hätte daher vor Erhebung des Nachprüfungsantrags erneut und diesmal unmissverständlich und unbedingt rügen müssen.
Rechtliche Würdigung
Die gesetzlichen Anforderungen an Form und Inhalt einer Rüge sind nicht hoch. Eine Rüge kann in jeglicher Form erhoben werden, d.h. schriftlich, elektronisch, mündlich oder in sonstiger Form. Inhaltlich muss der Bieter einen Vergabefehler geltend machen und den Auftraggeber auffordern, diesen Fehler abzustellen. Die Rüge muss daher so konkret sein, dass der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, den Vergabefehler zu erkennen und gegebenenfalls zu berichtigen. Wenn eine Rüge lediglich bedingt erhoben wird, ist für den Auftraggeber nicht hinreichend deutlich, dass der Bieter unter allen Umständen einen Vergabefehler behoben haben will. Vielmehr ergibt sich daraus nur, dass die Rüge für den Fall gelten soll, dass die Bedingung eintritt. Diese Entscheidung, die nebenbei eine der ersten Entscheidungen der unter neuem Namen als VK Rheinland, Spruchkörper Düsseldorf auftretenden bisherigen VK Düsseldorf ist, überzeugt daher.
Praxistipp
Bieterfragen sind häufig so formuliert, dass bei einer bestimmten Antwort der Vergabestelle (z.B. Ja) ergänzende Fragen gestellt werden (Bsp.: wenn diese Frage mit Ja beantwortet werden sollte, dann bitten wir ergänzend um Erläuterung, warum …). Bieter und Auftraggeber müssen sich darüber im Klaren sein, dass in solchen verschachtelten Bieterfragen versteckte Rügen nur dann zu berücksichtigen sind, wenn die vorhergehenden Fragen so beantwortet werden, dass man folgerichtig zu der Rüge gelangt. Ansonsten ist die Rüge gegenstandslos und kann dann auch keinen Nachprüfungsantrag rechtfertigen.