Aufteilung von Verkehrsleistungen in einen eigenwirtschaftlichen und einen gemeinwirtschaftlichen Teil ist (vergaberechtlich) zulässig (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.11.2014 – VK1-28/14)
Die Vergabekammer Rheinland-Pfalz hat in erster Instanz entschieden, dass eine Aufspaltung von Linienverkehrsleistungen für eine Direktvergabe vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist. Hiernach ist es möglich, je nach Tageszeit einen eigenwirtschaftlichen neben einem gemeinwirtschaftlichen Betrieb zu errichten.
Art. 5 Abs. 4 VO 1370/2007; Art. 7 Abs. 2 VO 1370/2007; § 8 Abs. 3, Abs. 4 PBefG; § 8a Abs. 2 S. 4 PBefG
Leitsatz
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4. Leitsatz: Die Verletzungen von Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes können von den Nachprüfungsinstanzen grundsätzlich nicht geprüft werden. Ob der Auftraggeber dem Vorrang der eigenwirtschaftlichen Verkehre vor gemeinschaftlichen Verkehren entsprochen hat, ist nicht Prüfungsgegenstand. Die Vergabekammer ist ausschließlich für die Überprüfung von gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen zuständig.
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7. Leitsatz: Die Aufteilung einer Verkehrsbedienung in Dienstleistungen zu Hauptverkehrszeiten und Dienstleistungen zu Schwachverkehrszeiten begegnet keinen vergaberechtlichen Bedenken.
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin (eine Kommune in Rheinland-Pfalz) ist Aufgabenträgerin für die Erbringung von Busverkehrsleistungen in ihrem Stadtgebiet nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Die Beigeladene (ein ehemals kommunales Verkehrsunternehmen) erbringt den Stadtverkehr für die Antragsgegnerin seit dem Jahr 2002 eigenwirtschaftlich, d.h. ohne Zuschüsse der Antragsgegnerin. Die entsprechenden Liniengenehmigungen laufen im Sommer des Jahres 2015 aus.
Infolge von prognostizierten Einnahmerückgängen aufgrund der allgemeinen demografischen Entwicklung und aufgrund zurückgehender Einwohnerzahlen in den nächsten Jahren gehen beide Marktteilnehmer davon aus, dass eine ausschließlich eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung in Zukunft ausscheidet. Deshalb hat die Antragsgegnerin beschlossen, den Stadtbusverkehr zukünftig in einen eigenwirtschaftlichen (für Hauptverkehrszeiten) und einen gemeinwirtschaftlichen Betrieb (für Schwachverkehrszeiten) aufzuteilen.
Als Schwachverkehrszeiten gelten die Zeiten werktags von 05.00 05.59 Uhr, 09.00 10.59 und 17.00 Uhr 24.00 Uhr sowie der gesamte Wochenendverkehr, der samstags und sonntags jeweils in der Zeit von 05.00 24.00 Uhr stattfindet. Der Verkehr zu den verbleibenden Zeiten (im Gesamtbetrieb zwischen 05.00 24.00 Uhr) zählt zu den Hauptverkehrszeiten.
Hinsichtlich der Beauftragung zu den Schwachverkehrszeiten geht die Antragsgegnerin vom Vorliegen einer Dienstleistungskonzession aus, die im Wege einer Direktvergabe von Kleinaufträgen nach Art. 5 Abs. 4 der VO 1370/2007 an die Beigeladene vergeben werden soll. Die beabsichtigte Direktvergabe veröffentlichte die Antragsgegnerin im Rahmen der vorgeschriebenen Vorabbekanntmachung nach Art. 7 Abs. 2 VO 1370/2007. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin (ein privates Verkehrsunternehmen) mit ihrem Nachprüfungsantrag. Sie trägt dabei schwerpunktmäßig vor, dass die Aufspaltung in Hauptverkehrszeiten und Schwachverkehrszeiten künstlich erfolge, um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag unterhalb der Bagatellschwellen des Art. 5 Abs. 4 VO 1370/2007 direkt an die Beigeladene vergeben zu können. Die Beigeladene werde mittels Direktvergabe von Verlusten in den Schwachverkehrszeiten entlastet mit der Folge, dass sie den übrigen Verkehr eigenwirtschaftlich anbieten könne. Zudem habe die Direktvergabe keine Dienstleistungskonzession, sondern vielmehr einen Dienstleistungsauftrag zum Gegenstand, da die Antragsgegnerin und nicht die Beigeladene das überwiegende Betriebsrisiko trage. Insgesamt seien daher die Voraussetzungen für eine Direktvergabe nicht gegeben. Richtigerweise hätte der Stadtverkehr insgesamt also öffentlich ausgeschrieben werden müssen.
Die Entscheidung
Die VK Rheinland-Pfalz stellt fest, dass die beabsichtigte Direktvergabe gegen Vergabevorschriften verstößt und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Dies begründet die VK vorrangig damit, dass es sich bei dem gegenständlichen Auftrag nicht um eine Dienstleistungskonzession handele, da die Übernahme des Auftrags, Personenverkehrsdienstleistungen in Schwachverkehrszeiten erbringen zu wollen, nicht mit den erforderlichen wirtschaftlichen Risiken auf Seiten der Beigeladenen verbunden sei.
Demgegenüber lässt die VK die Aufspaltung der Linienverkehre in Haupt- und Schwachverkehrszeiten unbeanstandet, da Verletzungen des Personenbeförderungsgesetzes grundsätzlich nicht im Nachprüfungsverfahren geprüft werden können. Dies sei nur ausnahmsweise möglich, wenn ein vergaberechtlicher Anknüpfungspunkt besteht. Einen solchen erkannte die VK bezüglich der Aufteilung der Verkehrsleistungen vorliegend nicht. Die Antragsgegnerin habe vor der Entscheidung für einen gemeinwirtschaftlichen Verkehr gemäß § 8 Abs. 4 und Abs. 3 PBefG zunächst zu prüfen, ob eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht durch eigenwirtschaftliche Verkehre möglich ist. Die Beantwortung der Frage, ob die Antragsgegnerin ihrer Aufgabe in Bezug auf die Sicherstellung eines ausreichenden Verkehrsangebots nach § 8a PBefG mit der Entscheidung zugunsten einer gemeinwirtschaftlichen Zubestellung von Verkehrsleistungen zu Schwachverkehrszeiten unter personenverkehrsrechtlichen Gesichtspunkten rechtmäßig entsprochen hat, sei nicht Aufgabe der Vergabekammer.
Die der vergaberechtlichen Beschaffung vorgelagerte Frage der gemeinwirtschaftlichen oder eigenwirtschaftlichen Verkehrsbedienung falle daher nicht in die Prüfungskompetenz der Vergabekammern. Vor diesem Hintergrund ergäben sich für die Vergabekammern stets nur Überprüfungsmöglichkeiten in Bezug auf gemeinwirtschaftliche Verkehrsbestellungen des Aufgabenträgers.
Rechtliche Würdigung
Die unterlegene Antragsgegnerin hat gegen die Entscheidung der VK sofortige Beschwerde zum Vergabesenat des OLG Koblenz mit der Begründung eingelegt, dass die geplante Direktvergabe rechtlich als Dienstleistungskonzession zu qualifizieren sei. Das OLG bestätigt im Beschwerdeverfahren die Entscheidung der VK mit Blick auf die Einordnung als Dienstleistungskonzession. Zur vergaberechtlichen Bewertung der Aufteilung von Linienverkehren in Haupt- und Schwachverkehrszeiten musste sich das OLG hingegen nicht positionieren, da diese Frage nicht durch die Antragstellerin – die in diesem Punkt beschwert war – im Wege der sofortigen Beschwerde aufgegriffen wurde (OLG Koblenz, B. v. 25.03.2015 Verg 11/14).
Praxistipp
Die Entscheidung der VK Rheinland-Pfalz ist jedenfalls mit Blick auf die Ausführungen zur vergaberechtlichen Zulässigkeit der Unterteilung in Hauptverkehrszeiten und Schwachverkehrszeiten zu begrüßen. Die Unterteilung einer Linie in einen eigenwirtschaftlichen (etwa zu den Berufsverkehrszeiten) und einen gemeinwirtschaftlichen (z.B. am Wochenende oder nachts) Teil stellt keine Umgehung der Direktvergabevoraussetzungen nach Art. 5 Abs. 4 VO 1370/2007 dar, sondern ist sachlichen und haushaltspolitischen Zwängen geschuldet und dient damit den Interessen des Aufgabenträgers.
Das hier mitunter vorgebrachte personenbeförderungsrechtliche Gegenargument, die Linie sei die kleinste genehmigungsrechtliche Einheit, die nicht weiter unterteilt werden könne, greift nur auf den ersten Blick. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) ausdrücklich zwischen einer sog. Gesamtleistung und einer sog. Teilleistung unterscheidet. Nach § 8a Abs. 2 Satz 4 PBefG gehört zur Gesamtleistung u.a. die Linie. Da dem Wortsinn nach eine Teilleistung aber ein Weniger im Verhältnis zur Gesamtleistung ist, muss die Linie (=Gesamtleistung) auch aufgeteilt werden können (etwa in Takte oder in gemein- und eigenwirtschaftliche Leistungen).
Vor diesem Hintergrund ist den Aufgabenträgern zu raten, eine von sachlichen, willkürfreien Erwägungen getragene Linienteilung verstärkt in Erwägung zu ziehen.