Rechtliche Probleme bei der Beschaffung von Geoinformationen und Geoinformationssystemen
Die Anwendungsmöglichkeiten von Geoinformationen sind vielfältig, das Entwicklungspotential ist beachtlich, die Zukunftsaussichten sind rosig und die Bundesregierung ist begeistert (siehe etwa 3. Geo-Fortschrittsbericht der Bundesregierung).
Eine staatliche Stelle, die Geoinformationen, Geodienste oder entsprechende Systeme beschaffen möchte oder muss, steht allerdings einer Vielzahl an rechtlichen Regelungen gegenüber. Dies erschwert den Beschaffungsprozess. Ein maßgeblicher Grund hierfür ist, dass das Geoinformationswesen eine Querschnittsmaterie ist, die in viele rechtliche Bereiche hineinwirkt, z.B. in das Datenschutzrecht, Urheberrecht, Baurecht, Umweltrecht und schließlich auch in das Vergaberecht. Dieser Beitrag soll einen Überblick über einige bei Beschaffungen zu beachtende Gesichtspunkte geben. Dabei können die zahlreichen Problemfelder aus Platzgründen nur angerissen werden.
Begrifflichkeiten
Zunächst seien einige Begrifflichkeiten zu klären. Ein Blick in das Gesetz verrät uns, dass Geodaten „alle Daten mit direktem oder indirektem Bezug zu einem bestimmten Standort oder geografischen Gebiet sind“, so § 3 Abs. 1 GeoZG (entspricht der Definition in Artikel 3 Nr. 2 der „INSPIRE“-Richtlinie 2007/2/EG).
Bereits hier wird das weite Begriffsverständnis des europäischen und nationalen Gesetzgebers deutlich. In der Praxis werden häufig Umweltdaten, geographische Daten, Straßendaten, Verkehrsdaten, Wirtschaftsdaten, Tourismusdaten, Breitbanddaten, Energiedaten, etc. beschafft. Bei all diesen Fällen handelt es sich in der Regel um Geodaten. Geodatendienste sind dagegen „vernetzbare Anwendungen, welche Geodaten und Metadaten in strukturierter Form zugänglich machen […]“. § 3 Abs. 3 GeoZG enthält dann noch weitere Eingrenzungen. Beschaffungsgegenstand ist häufig auch ein Geoinformationssystem (GIS).
Dieser viel verwendete Begriff ist jedoch im Gesetz nicht definiert. Nach der deutschsprachigen Wikipedia handelt es sich dabei um „Informationssysteme zur Erfassung, Bearbeitung, Organisation, Analyse und Präsentation räumlicher Daten. Der Begriff ist weit zu verstehen und umfasst z.B. die benötigte Hardware, Software, Daten und Anwendungen“.
Rechtsrahmen
Es gibt zahlreiche Regelungen auf europäischer Ebene, die im Hinblick auf das Geoinformationswesen relevant sind, z.B. Re-Use of Public Sector Information (Directive 2003/98, geändert durch Directive 2013/37) Environmental Information Directive (Directive 2003/4), INSPIRE Directive (Directive 2007/2), Data Protection Directive (Directive 95/46).
Auf deutscher Ebene sind beispielsweise zu nennen: Geodatenzugangsgesetz Bund (GeoZG) und Gesetze der Länder, Vermessungs- und Geoinformationsgesetze der Länder, Informationsfreiheitsgesetz (IFG), Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) und Umweltinformationsgesetz Bund (UIG) und Gesetze der Länder.
Lizenzmodelle und Open Source
Bei der Beschaffung von Geodaten gibt es zwei Beschaffungswege. Der eine besteht darin, bereits vorhandene Geodaten zu kaufen oder zu mieten. Der andere, selbst Geodaten zu erheben oder erheben zu lassen. Oft findet auch eine Kombination aus beidem statt. Bei der Beschaffung bereits vorhandener Geodaten greift der Auftraggeber auf eine oder mehrere Datenbanken zurück. Jede dieser Datenbanken ist in aller Regel an ein Lizenzmodell geknüpft. So existiert etwa die „Geolizenz“ in insgesamt 9 Varianten [www.geolizenz.org] die Open-Data-Commons-Lizenzen der Open Knowledge Foundation, z.B. „Open Data Commons Open Database License (ODbL)” oder “Database Contents License (DbCL)”, die Creative-Commons-Lizenz-System, z.B. „Attribution-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)“ oder „Attribution-ShareAlike 4.0 International“ (CC BY-SA 4.0). Hinzu kommen zahlreiche Open Government Lizenzsysteme einzelner Staaten.
Der Grundsatz von Open Source ist, dass die betroffenen Werke frei verfügbar gemacht werden. Im Einzelnen können die Lizenzbedingungen divergieren. So kann sich die freie Verfügbarkeit auf die rein private Verwendung beschränken. Denkbar ist auch, dass die freie Verwendung von Rohdaten daran geknüpft wird, dass auch bei einer Aufbereitung die Quelle zu nennen ist oder dass sogar die aufbereiteten Daten zur freien Verwendung zu geben sind. Ein Verstoß des Auftraggebers gegen Lizenzrechte kann erhebliche Nachteile für ihn haben, auch erst Jahre nach Vergabe. Stets hat der Auftraggeber daher auf sog. Copy-Left-Klauseln zu achten, zumal die EVB-IT dieses Problem nicht ausreichend adressieren.
Die Beschaffungssituation
In einer Beschaffungssituation können sich mannigfaltige Fragen stellen. Die nachstehende Fragenliste soll dies verdeutlichen:
- Welche besonderen Anforderungen sind an die Leistung zu stellen?
- Sind gesetzliche Schranken vorhanden, die bei der Durchführung der Leistung zu beachten sind? Z.B. Datenschutzrecht, Flugsicherheitsrecht
- Daran anknüpfend: Sind behördliche Genehmigungen (z.B. Aufstiegsgenehmigungen bei unbemannten Fluggeräten, UAS bzw. UAV, oder auch einfach „Drohnen“ genannt) erforderlich und wie sie ihre Voraussetzungen bei konkret vorgegebenen Erhebungsweisen?
- Sind urheberrechtliche Gesichtspunkte zu beachten und welche Nutzungsrechtsvereinbarung folgt daraus?
- Welcher Vertragstyp kommt in Betracht? Z.B. EVB-IT-Vertrag
- Welche Vergabeart ist sinnvoll und rechtlich zulässig?
- Welche speziellen Anforderungen sind an die Eignung des Dienstleisters zu stellen?
- Auf welche qualitativen Kriterien kommt es für die Angebotswertung besonders an?
Zuordnung von Geodaten und Geoinformationssystemen unter EVB-IT
Die Zuordnung von Beschaffungen unter die EVB-IT Vertragstypen kann im Einzelfall schwierig sein. Für die Beschaffung einer Software zur Erfassung und Verwaltung von Geodaten kann sowohl ein EVB-IT Überlassung Typ A (dauerhafte Überlassung von Standardsoftware) als auch ein EVB-IT Überlassung Typ B (zeitweise Überlassung von Standardsoftware) – in der Regel – mit einem EVB-IT Pflege S (Pflege von Standardsoftware), aber auch ein EVB-IT Erstellung (auf Softwareleistungen reduzierter EVB-IT Systemvertrag) in Betracht kommen.
Für ein Geoinformationssystem wird in der Regel ein EVB-IT System (Erstellung von IT-Systemen – Schwerpunkt auf Herstellung der Betriebsbereitschaft) oder ein EVB-IT Systemlieferung (Lieferung von IT-Systemen aus einer oder mehreren Systemkomponenten) die richtige Wahl sein.
Schwierig wird die Zuordnung insbesondere dort, wo Geodaten zu erheben oder zu bearbeiten sind. Ein EVB-IT Dienstleistung (IT-Dienstleistungen in Form eines Dienstvertrags) wird in der Regel nicht in Betracht kommen, da die Beschaffung regelmäßig eine Werkleistung darstellen sollte.
Ein EVB-IT Erstellung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da keine Software erstellt oder angepasst wird, Datenbankwerke sind nicht Gegenstand. Ist die Beschaffung von Geodaten nicht mit der Erstellung einer Software verknüpft (dann ggf. wiederum ein EVB-IT Erstellung), ist ein Individualvertrag oder ein stark modifizierter EVB-IT Dienstleistung (wird nicht empfohlen, da AGB nicht passen) zu wählen.
Nutzungs- und Lizenzbedingungen
Sämtliche Vertragsmuster aus der „klassischen“ IT-Beschaffung wie auch die EVB-IT gehen regelmäßig davon aus, dass im Rahmen der Beschaffung ein urheberrechtlich geschütztes Werk hergestellt wird und haben dabei Computerprogramme, Anleitungen und Schulungsunterlagen vor Augen. „Geodatendienste“, „Geoportale“ und/oder GIS sind in Bezug auf die darin enthaltene Software als „Computerprogramme“ im Sinne von § 69a UrhG urheberrechtlich geschützt, hier gelten die allgemeinen Grundsätze, wie sie auch in den EVB-IT enthalten sind. Nutzungsrechte sind (ausdrücklich) einzuräumen. Geodaten an sich sind urheberrechtlich jedoch nicht geschützt, da sie in der Regel keine „persönliche geistige Schöpfungen“ im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG darstellen. Wenn die Nutzung von Geodaten eingeschränkt werden soll, bedarf es in der Regel einer vertraglichen Nutzungsbeschränkung. Werden Geodaten beschafft, kann die Gesamtheit der Geodaten jedoch eine Datenbank im Sinne von § 87a Abs. 1 UrhG darstellen. Danach ist eine Datenbank „eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.“
Datenbankhersteller ist nach § 87a Abs. 2 UrhG derjenige, der die Investition nach § 87a Abs. 1 UrhG getätigt hat. In diesem Fall hat der Datenbankhersteller gemäß § 87b Abs. 1 S. 1 UrhG „das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben“. § 11 Abs. 2 S. 1 GeoZG sieht ausdrücklich vor, dass „Geodaten und Metadaten […] über Geodatendienste für die kommerzielle und nicht kommerzielle Nutzung geldleistungsfrei zur Verfügung zu stellen [sind], soweit durch besondere Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist oder vertragliche oder gesetzliche Rechte Dritter dem nicht entgegenstehen“. Aufgrund der Einschränkung in Bezug auf Rechte Dritter sehen sämtliche Landesgesetze eine praktisch gleichlautende Regelung vor (wobei zu beachten ist, dass die Kostenfreiheit in den wenigstens Landesgesetzen vorgegeben ist).
Praxishinweis
Sofern der öffentliche Auftraggeber für die Zugänglichmachung und ggf. Veröffentlichung der beschafften Geodaten rechtlich nicht beschränkt sein möchte, sollte vertraglich festgelegt werden, dass er aufgrund seiner Investition Datenbankhersteller ist (in der Regel ist dies allerdings nur klarstellender Natur). Sollte der Dienstleister eine bereits bestehende Datenbank liefern, sollten entsprechende Nutzungsrechte eingeräumt und eine Freistellungsklausel zu Gunsten des Auftraggebers im Fall der Inanspruchnahme durch Dritte formuliert werden. Ebenfalls zu beachten ist aber auch, dass die Beschaffung von bestehenden und nur „unwesentlich“ angereicherten Datenbanken bei vollständiger Rechteeinräumung ein erheblich preistreibender Faktor sein kann und damit die Beschaffung an sich unwirtschaftlich werden kann.
Geodatenbeschaffung durch UAS
Der Auftragsgegenstand kann auch darin bestehen, dass der Dienstleister mit Hilfe eines unbemannten Fluggeräts Geodaten erhebt. Der Auftraggeber muss sich im Rahmen der Vorbereitung der Leistung die Frage stellen, ob und inwieweit die geplante Erhebung durch Drohnen zulässig ist. Denn (rechtlich) unmögliche und unzumutbare Leistungen darf er nicht ausschreiben.
Der Betrieb von UAS ist nach § 15a LuftVO grundsätzlich verboten außerhalb der Sichtweite des Steuerers (keine eindeutige Erkennbarkeit ohne besondere optische Hilfsmittel möglich) oder bei MTOM von mehr als 25 Kilogramm, wobei Ausnahmen möglich sind. Solche werden von den Luftfahrtbehörden des Landes (örtliches Einsatzgebiet) erteilt. Nach § 16 Abs. 1 Ziff. 7 LuftVO gilt für alle UAS in Deutschland das Erfordernis einer Aufstiegserlaubnis. Die Aufstiegserlaubnis erteilt wiederum die örtlich zuständige Behörde des Landes (Einsatzbereich entscheidend), also z.B. die Bezirksregierung.
Die Erlaubniserteilung erfolgt nach gebundenem Ermessen, wenn die beabsichtigte Nutzung
(1) nicht zu einer Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung führt,
(2) Vorschriften über den Datenschutz nicht verletzt, ggf. die Zustimmung des betroffenen Grundstückseigentümers vorliegt. Nebenbestimmungen sind zulässig (z.B. Sachverständigengutachten über Eignung des Geländes und des Luftraums).
Bei der Beobachtung des nicht-öffentlichen Raums (z.B. umzäuntes Privatgelände, Werksgelände) finden die allgemeinen Regelungen Anwendung, wenn die von dem UAS gewonnenen Daten „personenbezogen“ bzw. „personenbeziehbar“ sind; dann erfolgt eine Interessenabwägung (bei nicht-öffentlichen Stellen) bzw. der Erforderlichkeitsgrundsatz kommt zum Tragen (bei öffentlichen Stellen). Im Rahmen der Interessenabwägung kommt es neben dem Detailgrad (kann man nur Flächen erkennen, oder einzelne Personen identifizieren?) maßgeblich auf den Nutzungszweck an. Auch ein Prozess zur Anonymisierung von Aufnahmen fließt in eine solche Interessenabwägung ein.
Fazit
Mein Fazit fällt ernüchternd aus: Geodaten, Geodiensten, GIS u.ä. sind zweifellos wichtige Bestandteile der Industrie 4.0 und haben ein enormes wirtschaftliches Potential. Gleichwohl hinkt die rechtliche Aufbereitung, wie so oft, hinterher.
Der Beschaffungsprozess wird mangels klarer Regeln und Leitfäden kompliziert und damit anfällig für Fehler. Doch gerade vertragliche Fehler bergen Risiken, die sich später bitter für den Beschaffer rächen können.