Reformvorschlag „kurz vor knapp“: 15-Tages-Frist zur Einreichung eines Nachprüfungsantrages nach Nichtabhilfe als Einrede!
Die Frist von 15 Kalendertagen zur zulässigen Einreichung eines Nachprüfungsantrages nach Nichtabhilfe auf eine Rüge sollte im Gesetz als Einrede ausgestaltet werden, die der Auftraggeber geltend machen kann aber nicht muss. Diese kleine aber feine Änderung im Bereich der (Un-)Zulässigkeit von Nachprüfungsanträgen würde den Beteiligten Spielräumen bieten und könnte Nachprüfungsverfahren verhindern.
1. Inhalt und Hintergrund der 15-Tages Frist
Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB (neu) ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Diese Regelung entspricht der Regelung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB im alten Recht. Dahinter stehen die Gedanken der Beschleunigung und der Rechtssicherheit. Wenn der Auftraggeber auf die Rüge eines Bieters ausdrücklich die Nichtabhilfeerklärt hat, soll er, wenn innerhalb von 15 Kalendertagen kein Nachprüfungsantrag eingereicht wurde, die Sicherheit haben, dass er das Verfahren insofern unbeanstandet weiterführen kann. Die Regelung dient somit den Interessen des Auftraggebers.
2. Nachteile in der Praxis
In der Praxis kann die Vorschrift in ihrer derzeitigen Ausgestaltung aber für den Auftraggeber einen deutlich nachteiligen Effekt haben:
Nicht selten kommt es vor, dass nicht anwaltlich vertretene Auftraggeber die Rüge eines ebenfalls nicht anwaltlich vertretenen Bieters vorschnell zurückweisen. Die Frist von 15 Kalendertagen, binnen der der Bieter dann ein etwaiges Nachprüfungsverfahren einleiten muss, beginnt dann zu laufen. Nicht selten kommt es dann dazu, dass der Bieter sich anwaltlichen Rat sucht und seine Rüge – einige Tage später – noch einmal vertieft und durch einen Anwalt vertreten mit stärkerem Nachdruck vorbringt.
Zur Herstellung von „Waffengleichheit“ sucht sich dann in der Regel auch der öffentliche Auftraggeber anwaltlichen Beistand. Auch hier gehen wiederum einige weitere Tage ins Land. Der Ablauf der Frist von 15 Kalendertagen rückt dann näher – der Bieter gerät unter Druck einen Nachprüfungsantrag einreichen zu müssen. Kommt der „frisch“ eingeschaltete Anwalt des öffentlichen Auftraggebers in einem komplexen Verfahren dann zu dem Ergebnis, dass er für eine vertiefte Prüfung des Sachverhaltes mehr Zeit benötigt, um eine belastbare Entscheidung treffen zu können, ob eine Abhilfe erfolgen oder die Nichtabhilfe aufrecht erhalten werden soll, kann er sich die erforderliche Zeit oft nicht mehr verschaffen. Denn der Bieter ist – im Sinne des „sichersten Weges“ – gut beraten, innerhalb von 15 Kalendertagen nach einer Nichtabhilfe einen Nachprüfungsantrag zu stellen, selbst wenn der Auftraggeber ihm – um Zeit zu gewinnen – zusichert, eine etwaige Unzulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB (neu) nicht geltend zu machen. Denn für den Bieter bestünde die große Gefahr, dass eine solche Zusicherung ins Leere geht, weil die Vergabekammer Fragen der Zulässigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen hat („der Nachprüfungsantrag ist unzulässig“). Auch die Erklärung des Auftraggebers, man erkläre die bereits erklärte Nichtabhilfe für unwirksam oder nehme diese zurück, um den Lauf der 15-Tages-Frist zu stoppen, bliebe für den Bieter mit Unwägbarkeiten behaftet. Im Sinne des „sichersten Weges“ wäre ihm zur Einreichung eines Nachprüfungsantrages zu raten, obwohl dies letztlich weder in seinem Sinne noch im Sinne des Auftraggebers wäre.
3. Regelungsvorschlag
Um diese für alle Beteiligten missliche Situation zu verbessern und die verfrühte Einreichung eines Nachprüfungsantrages (und damit die unnötige Belastung der Nachprüfungsinstanzen) zu verhindern, bedarf es nur einer minimalen gesetzgeberischen Änderung: § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB (neu) wäre als Einrede auszugestalten, die der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren geltend machen kann aber nicht muss. Er kann dann im Vorfeld durch einen etwaigen Einredeverzicht in der vorstehend geschilderten Situation den „Druck vom Kessel nehmen“ und sich so mehr Zeit zur eingehenden Prüfung der Rüge verschaffen und die vorschnelle Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens verhindern. Die Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB (neu), die ohnehin nur dem Schutz des Auftraggebers dient, stünde dann zu Recht zu seiner Disposition.
Gesetzgeberisch bedürfte es nur eines kleinen Federstrichs. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB (neu) müsste lauten:
„Der Antrag ist unzulässig, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind, wenn der Auftraggeber dies im Nachprüfungsverfahren geltend macht.“
Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der aktuellen Vergaberechtsreform diese kleine Änderung auch „kurz vor Toressschluss“ noch im Sinne der größeren Flexibilität der Beteiligten umsetzt. So wäre wenigstens in diesem kleinen Punkt das vielfach im Munde geführte Ziel der Entbürokratisierung erreicht worden.