Sozialplanaufwendungen preisrechtlich nicht als Kosten anerkannt (BGH, Beschl. v. 05.11.2015 – III ZR 41/15)
Es ist tatsächlich eine Premiere: Zum ersten Mal hat die Rechtsprechung darüber entschieden, ob Abfindungen aufgrund eines Sozialplans preisrechtlich den Kosten oder dem allgemeinen Unternehmerwagnis zuzurechnen sind.
Leitsätze
- Auf der Grundlage eines Sozialplans gezahlte Abfindungen sind erstattungsfähige Selbstkosten im Sinne von § 8 der Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen in Verbindung mit Nummer 25 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 2 Buchst. b der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten, wenn sie als Teil des normalen Betriebsgeschehens der Leistungserstellung zugeordnet werden können, betriebs- und branchenüblich sind und dem Grundsatz wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen.
- Abfindungszahlungen, welche die Existenz des Unternehmens als Ganzes berühren (hier: Stilllegung eines Tanklagers der Bundeswehr nach Kündigung des Bewirtschaftungsvertrags), sind grundsätzlich nicht dem normalen Betriebsgeschehen zuzurechnen und gehören zum allgemeinen Unternehmerwagnis, das mit dem kalkulatorischen Gewinn abgegolten wird.
- Vereinbaren die Parteien im Rahmen eines Selbstkostenerstattungsvertrags nach § 7 der Verordnung Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, dass der endgültige Selbstkostenerstattungspreis durch die zuständige Preisüberwachungsstelle festgelegt wird, liegt regelmäßig eine Schiedsgutachtenabrede im engeren Sinn vor, auf die die §§ 317 bis 319 BGB entsprechend anzuwenden sind.
- Eine Schiedsgutachtenabrede im engeren Sinn bestimmt in der Regel die Leistungszeit gemäß § 271 Abs. 1 BGB dahingehend, dass die Fälligkeit der Vergütungsforderung bis zur Vorlage des Gutachtens (hier: bis zur Entscheidung der Preisüberwachungsstelle) aufgeschoben wird. Eine dennoch erhobene Klage ist als verfrüht („derzeit unbegründet“) abzuweisen (Fortführung des Senatsurteils vom 4. Juli 2013, III ZR 52/12, NJW RR 2014, 492).
Sachverhalt
Der verhandelte Fall betraf einen öffentlichen Auftrag zur Durchführung eines Tanklagerbetriebs und die Sicherung dieses Tanklagers durch einen Werkschutz. Zu diesem Zweck wurde das gesamte Tanklager nebst dazugehörigen Betriebsgebäuden und -einrichtungen dem Auftragnehmer zum Besitz überlassen. Dieser öffentliche Auftrag wurde durch Kündigung des Auftraggebers beendet – der Auftragnehmer klagte auf Erstattung der Kosten, die im Zusammenhang mit der Schließung des Tanklagers entstanden sind. Dabei handelte es sich vorwiegend um Sozialplanabfindungen für das entlassene Personal.
Zu klären war, ob die Kündigung des Auftrages ursächlich für eine Teilbetriebsschließung und die Entlassung des Personals oder ob diese Maßnahme dem allgemeinen Unternehmerwagnis zuzurechnen war.
Die Entscheidung
Das Gericht entschied, dass die gezahlten Abfindungsaufwendungen keine nach der vertraglichen Grundlage in Verbindung mit Nummer 25 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 2 Buchst. b LSP erstattungsfähige Selbstkosten darstellen und als allgemeines Unternehmerwagnis mit dem kalkulatorischen Gewinn abgegolten sind.
Abfindungskosten würden nur anerkannt werden, wenn sie als „zusätzliche Sozialaufwendungen“ im Sinne von § 8 VO PR Nr. 30/53 in Verbindung mit Nummer 25 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 2 Buchst. b LSP angesehen werden können. Entscheidend dabei ist, dass sie bei wirtschaftlicher Betriebsführung „zur Erstellung der Leistungen“ entstehen, also dem Produkt oder der Dienstleistung des Auftragnehmers direkt zurechenbar sowie nach Art und Höhe „betriebs- oder branchenüblich sind und dem Grundsatz wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen (vgl. Ebisch/Gottschalk/ Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 8. Aufl., Nr. 25 LSP Rn. 1, 6)“.
Da nach Auffassung des Gerichts „ein direkter Zusammenhang zwischen einer einzelnen Leistung und Abfindungszahlungen grundsätzlich nicht gegeben ist, kommt eine preisrechtliche Anerkennung von Abfindungen regelmäßig nur in Betracht, wenn sie Teil des normalen Betriebsgeschehens sind.“ Für die Sozialplanaufwendungen hat der BGH diesen direkten Zusammenhang nicht anerkannt – weder unmittelbar noch mittelbar.
Auch der Sonderfall von anerkannten Abbauaufwendungen, die Kostencharakter haben (Ebisch/Gottschalk aaO Nr. 25 LSP Rn. 44; Michaelis/ Rhösa, Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen, 102. Aktualisierung, Dezember 2014, Leitsätze Nr. 25 S. 13) wurde hier nicht gesehen. Dieser Sonderfall steht für öffentliche Aufträge, die dem Auftragnehmer den Aufbau einer speziellen Betriebsstätte vorschreiben, die nach Vertragsende von ihm wieder abgebaut werden muss.
Dazu der folgende Urteilsauszug:
„Die Klägerin hat lediglich die Bewirtschaftung und Unterhaltung der seit Jahrzehnten bestehenden Betriebsstätte übernommen. Der preisrechtliche Gedanke, dass der Auftraggeber auch für die Kosten des Personalabbaus aufkommen soll, wenn er den Auftragnehmer zum Aufbau einer vorübergehenden Betriebsstätte veranlasst hat, trifft deshalb nicht zu.“
Zum Abschluss der Argumentationskette hat das Gericht festgestellt:
„Die Abfindungsaufwendungen der Klägerin sind vielmehr dem allgemeinen Unternehmerwagnis (Nr. 47 Abs. 2 LSP) zuzurechnen und daher mit dem kalkulatorischen Gewinn abgegolten (Nr. 48 Abs. 1 und Nr. 51 Buchst. a LSP), wobei es nicht darauf ankommt, ob der von der Klägerin tatsächlich erzielte Gewinn zur Abdeckung der Abfindungszahlungen ausreicht.“
Die Klage des Auftragnehmers wurde abgewiesen. Das Urteil zum Nachlesen finden Sie hier.
Praxishinweis
Auch wenn dieses Urteil auf zusätzlicher Basis der vorhandenen vertraglichen Situation zustande kam, hat es doch mit seinen grundsätzlichen Aussagen über die preisrechtliche Anerkennung von Abfindungskosten Grundsatzcharakter.