Auswirkungen der Vergaberechtsreform auf das Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte?

Mit der Vergaberechtsreform 2016 bekommt der Bereich des europäischen Vergaberechts wieder einmal viel Aufmerksamkeit. Nicht vergessen werden sollte dabei aber, dass nach wie vor ca. 90 bis 95 % aller öffentlichen Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte stattfinden. Für diesen Bereich bleibt alles beim Alten. Oder doch nicht?

Die neuen Vergaberichtlinien sind mit Wirkung zum 18. April 2016 in das deutsche Recht umgesetzt worden. Unter anderem wurden der 4. Teil des GWB und die VgV erweitert, die VOL/A und die VOF für den Oberschwellenbereich abgeschafft. Im Zuge der Vergaberechtsreform sind zahlreiche für Auftraggeber günstige Regelungen in Kraft getreten, wie z.B. die freie Wahl zwischen offenem und nichtoffenem Verfahren, die Regelungen zur ausschreibungsfreien öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit, die Zulässigkeit von sozialen und umweltbezogenen Kriterien sowie von Eignungsaspekten als Wertungskriterien oder die Möglichkeit zur Korrektur von fehlerhaften Eignungsnachweisen. Andere Regelungen bringen längst überfällige Klärung für Bereiche, die bislang nur rudimentär durch die Rechtsprechung ausgefüllt wurden, wie z.B. die Zulässigkeit von Auftragsänderungen, das Vorliegen von Ausschlussgründen, die an die Stelle des schillernden Begriffs der Zuverlässigkeit der Bieter getreten sind, oder die Möglichkeit der Selbstreinigung bzw. Verjährung nach schweren Verfehlungen oder strafrechtlichen Verurteilungen.

Im Unterschwellenbereich gilt zunächst weiter das Haushaltsrecht der Länder und über entsprechende Runderlasse sind in der Regel die ersten Abschnitte der VOL/A und VOB/A anzuwenden, die bislang weitgehend unverändert geblieben sind.

Dabei stellt sich durchaus die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn das Unterschwellenvergaberecht nun plötzlich an vielen Stellen strenger ist, als das Oberschwellenvergaberecht. Im Unterschwellenbereich genießt weiter die öffentliche Ausschreibung Vorrang vor der beschränkten Ausschreibung. Regelungen zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit existieren nicht. Eine Diskrepanz die manche als „nicht einsehbar“ bezeichnen mögen. Insbesondere Kommunen fordern hier eine Flexibilisierung auch für den Unterschwellenbereich.

Soweit oberhalb der Schwelle nunmehr erstmals Bereiche geregelt wurden, die bislang nur Gegenstand der Rechtsprechung waren, kann auch der Unterschwellenbereich sich durchaus mit guten Argumenten an den Neuregelungen orientieren. Warum soll etwas, was oberhalb der Schwellenwerte vergaberechtskonform und unterhalb der Schwelle ungeregelt ist, nicht auch unterhalb der Schwelle vergaberechtskonform sein?

Da auch im Unterschwellenbereich ein Trend hin zu mehr gerichtlichen Verfahren zu beobachten ist und immer mehr Bieter im Wege von einstweiligen Verfügungen gegen vermeintlich vergaberechtswidriges Verhalten vorgehen, kann ein Blick auf die Vergabereform durchaus auch im Unterschwellenbereich zu mehr Rechtssicherheit führen.

Bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Vergabe- und Vertragsordnungen des Unterschwellenbereichs (VOL/A und VOB/A) wird von den Gerichten sicher in Zukunft auch häufiger eine Parallele zum europäischen Vergaberecht gezogen werden.


Hinweis der Redaktion
Am 30.03.2017 findet in Frankfurt am Main das DVNW Akademie Seminar Öffentliche Auftragsvergabe unterhalb der Schwellenwerte statt. Für weitere Informationen und zur Anmeldung klicken Sie bitte hier.