E-Vergabe: Kein Verweis auf externe Quellen für Vergabeunterlagen!
Bei einer elektronischen Vergabe (E-Vergabe) müssen alle Vergabeunterlagen vollständig zum Download bereitstehen. Der Verweis auf externe Quellen reicht nicht aus und ist vergaberechtswidrig.
Leitsätze
- Ein Ausschluss wegen fehlender Angaben und Erklärungen setzt voraus, dass diese zuvor wirksam gefordert wurden.
- Der öffentliche Auftraggeber hat bereits in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen insbesondere uneingeschränkt und vollständig abgerufen werden können. Ein bloßer Verweis auf externe Quellen für etwaige Vorgaben ist damit nicht vereinbar.
§ 97 GWB; § 41 Abs. 1, § 53 Abs. 7, § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV; § 11 Abs. 3, § 16 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte einen vierjährigen Rahmenvertrag für Gebäude- und Glasflächenreinigungsarbeiten losweise europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Vergabeunterlagen wurden von ihm online bereitgestellt. Teil dieser elektronisch verfügbaren Unterlagen war auch ein sog. Merkblatt für den Bieter, in dem der AG eine Kalkulationsvorgabe formulierte, in der er u.a. folgendes angab: „Dem Preisblatt ist auf einem gesonderten Blatt Ihre Kalkulation des jeweils angegebenen Stundenverrechnungssatzes nach dem Muster des Handbuchs der Gebäudereinigung des BIV (Bundesinnungsverband) des Gebäudereinigerhandwerks je Los offen zu legen. Das in Ziffer III des Merkblatts angegebene Muster/Kalkulationsschema des BIV war aber nicht Teil der Vergabeunterlagen bzw. nicht zum Download beigefügt. Bieter A gab darauf fristgemäß ein Angebot ab, dessen Kalkulation geringfügig von dem seitens des AG vorgegebenen Kalkulationsschema abwich. Diese Abweichung beruhte im wesentlichen darauf, dass A bei seiner Internetrecherche nach dem Muster des BIV auf eine andere Fassung als die vom AG angegebene gestoßen war und jene seinem Angebot zugrunde legte. Der AG hatte darauf das Angebot des A ausgeschlossen, wogegen sich A mit Nachprüfungsantrag wehrte.
Die Entscheidung
Die VK gibt hier Bieter A Recht, da der Ausschluss seines Angebotes rechtswidrig war. Das Vergabeverfahren muss daher auf den Zeitpunkt vor dem Angebotsausschluss zurückversetzt werden.
Rechtliche Würdigung
Die VK hält den Ausschluss des Angebotes aus mehreren Gründen für rechtswidrig:
Erstens ist der Angebotsausschluss bereits deshalb rechtswidrig, weil der AG das Muster/Kalkulationsschema nicht online für den freien und ungehinderten Download bereitgestellt hat. Damit hat der AG gegen § 41 Abs. 1 VgV (bzw. § 11 Abs. 3 EU VOB/A ) verstoßen. Nach § 41 Abs. 1 VgV hat der öffentliche Auftraggeber bereits in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen uneingeschränkt und vollständig abgerufen werden können. Das umfasst auch etwaige Kalkulationsvorgaben, die der Auftraggeber den Bietern verbindlich vorgeben will. Ein bloßer Verweis auf externe Quellen für etwaige Vorgaben – wie hier in Ziffer III des Merkblattes – ist damit nicht vereinbar. Diese Obliegenheit folgt unabhängig von § 41 Abs. 1 VgV bereits aus dem Grundsatz eines transparenten und chancengleichen Vergabewettbewerbs gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB.
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Zweitens kann der Ausschluss auch nicht auf § 57 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 53 Abs. 7 VgV (bzw. § 16 Nr. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A) gestützt werden. Nach § 57 Abs. 1 VgV sind Angebote auszuschließen, die nicht den Erfordernissen des § 53 VgV entsprechen. § 53 Abs. 7 Sätze 1 und 2 VgV schreiben vor, dass Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig sind und Angebote vollständig sein und alle geforderten Angaben und Erklärungen enthalten müssen. Eine diesen Maßgaben entsprechende Abweichung liegt bei den vom AG bemängelten Angaben des A im Kalkulationsblatt aber nicht vor. Die AG kann sich für einen Ausschluss des Angebots des A weder darauf stützen, dass der A die Vergabeunterlagen durch seine nicht den aktuellen Sätzen entsprechenden Angaben abgeändert hat noch darauf, dass diese fehlerhaften Angaben die geforderte Kalkulationsübersicht möglicherweise unvollständig machen könne. Denn der AG hat in den Vergabeunterlagen keine entsprechenden Angaben wirksam gefordert. A kann daher keine Änderung an einer Vergabeunterlage vorgenommen haben, die ihm durch den AG gar nicht bereitgestellt worden ist.
Drittens ist ein Ausschluss des Angebotes des A auch nicht wegen einer etwaigen Wettbewerbsverzerrung geboten. Denn die Abweichungen im Kalkulationsblatt des A bewegen sich im Ergebnis im Hundertstel/Prozentbereich und stellen daher die Vergleichbarkeit des Angebots des A mit den übrigen zu wertenden Angeboten nicht in Frage, da nicht ersichtlich ist, dass sich angesichts der Preisabstände die Wertungsreihenfolge im Ergebnis verändern wird.
Praxistipp
Im Hinblick auf die Entscheidung der VK Bund sind sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer noch einmal an folgendes zu erinnern:
Seit 18.04.2016 gilt verpflichtend, dass die Übermittlung der Bekanntmachung sowie die Bereitstellung der Vergabeunterlagen elektronisch zu erfolgen hat, wobei beide Unterlagen jedem Interessierten ohne Registrierung zugänglich sein müssen. Nach dem 18.10.2018 müssen dann auch die Übermittlung von Teilnahmeanträgen und Angeboten ebenso auf elektronischem Wege erfolgen wie die gesamte Kommunikation zwischen Auftraggebern und Bietern.
Mit dieser E-Vergabe zwingend verbunden sind entsprechende Transparenzpflichten, die sich aus allen Vergabeverfahrensordnungen entnehmen lassen (z.B. § 41 VgV; § 11 EU VOB/A; § 41 SektVO; § 19 VSVgV; § 29 UVgO) Das heißt konkret, dass sich zukünftig bisher bei öffentlichen Auftraggebern beliebte Begründungen wie z.B. dass die Unterlagen an anderer Stelle bezogen oder heruntergeladen werden können oder ohnehin branchenbekannt sind, von vornherein verbieten.
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