„Gesetz zur vorübergehenden Erleichterung der Rüstungsbeschaffung“ – Ein Kommentar
Bei der Bundeswehr ist, zu Lande, zu Wasser, und in der Luft, der Wurm drin: Kein U-Boot taucht mehr (Handelsblatt v. 9.12.17), ganze 4 von 128 Eurofightern fliegen noch (Morgenpost v. 5.5.2018), und der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartel, fürchtet, ”dass der Marine die einsatzfähigen Schiffe ausgehen” (Bundeswehr-Journal v. 12.2.2018) – wohlgemerkt, in Friedenszeiten!
Die Schuld dafür sucht man nun nicht etwa bei der politischen Führung – seit 2005 ist das Bundesministerium der Verteidigung (BMVG) in Unionshand – sondern hat sie, wie einfach, im Vergaberecht gefunden. Wie der SPIEGEL hier berichtet, schlagen Wirtschaftsberater des BMVG diesem angesichts der maroden Situation vor, ein Privatunternehmen für die Beschaffung großer Rüstungsprojekte zu gründen. Die neue BWServices solle dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz zur Seite gestellt werden. Die neue Firma solle als GmbH frei vom Vergaberecht agieren können, möglich mache es ein „Gesetz zur vorübergehenden Erleichterung der Rüstungsbeschaffung“. Frei nach Pipi Langstrumpf “mach‘ mir die Welt, Widdewidde, wie sie mir gefällt”.
Nun fragt man sich, wie es ohne so ein Gesetz sein kann, dass Land auf, Land ab, in Bund, Ländern und Kommunen, hundertaussende Beschaffungen trotz oder vielleicht gerade wegen des Vergaberechts wirtschaftlich und in der Sache erfolgreich sind. An fehlender deutscher Ingenieurskunst gerade beim Kriegsgerät kann es nicht liegen. Deutsche Rüstungsexporte stiegen um 21 % im Vergleich zur Vorgängerregierung, die Exporte in Staaten außerhalb von EU und Nato stiegen sogar um 47 % (SPIEGEL v. 25.1.2018, FAZ v. 23.1.2017). Anderswo – übrigens auch dort, wo Vergaberecht einzuhalten ist – geht es also.
Aber noch mehr Fragen tuen sich auf: Warum ist die genannte Studie der Wirtschaftsberatung Ernst & Young für das Verteidigungsministerium eigentlich vertraulich? Zu groß die Angst, dass diese offenbart, die Mängel beim Gerät sind noch größer als bisher bekannt? Oder fürchtet man einen Steppenbrand beim Ruf nach Erleichterungen vom Vergaberecht? Prozesse zur öffentlichen Beschaffung sind hoffentlich nicht „VERSCHLUSSACHE – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“. Vielleicht ist es aber auch nur der überschaubare Erkenntnisgrad der Studie, der bei Gegenüberstellung des dafür ausgegebenen Etas diese als teure Binsenweisheiten entlarvt. Die Studie ist noch in der Amtszeit der ehemaligen Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder entstanden, niemand anderes als eine ehemalige McKinsey-Beraterin, die am heutigen Montag feierlich verabschiedet wird. Als wäre die eigene Organisation per se nicht in der Lage, aus sich heraus Erkenntnisse zur Verbesserung zu entwicklen.
Man kann nur hoffen, dass das Bundeswirtschaftsministerium dem Treiben tapfer entgegentritt. Denn wer die Bundeswehr sanieren will, der braucht nicht beim Vergaberecht anzufangen. Der muss den dazu nötigen politischen Willen und die finanzielle Ressourcen aufbringen, nebst dem Rückgrat auszuhalten, dass Entwicklungen neuer Waffensysteme schon mal schieflaufen können. Den über 10.000 MitarbeiterInnen des BAAINBw nun aber eine GmbH zur Seite stellen zu wollen, die ausrichten lässt, wie es besser geht, in dem man für diese die Spielregeln ändert, um vom politischen Versagen oder besser gesagt Versagen-Wollen über Jahre hinweg abzulenken, ist diesen gegenüber ein Schlag ins Gesicht.
Die Friedensbewegung der 80iger Jahre hatte ihren Slogan “Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin”. Heute muss man richtigerweise sagen “und keiner kann schwimmen, fahren oder fliegen”.