Vergabeblog: Interview mit Michael Bär, Leiter der Zentralen Vergabestelle der Berliner Feuerwehr
Michael Bär leitet seit 2012 die Vergabestelle der Berliner Feuerwehr. Zuvor war er über zehn Jahre Koordinierender Beauftragter für den Haushalt bei der Berliner Feuerwehr. Dem Vergabeblog stand er für das nachstehende Interview zur Verfügung.
Hintergrund
Das Vergaberecht bietet öffentlichen Auftraggebern bekanntlich einige Möglichkeiten, Vergabeverfahren kreativ auszugestalten, um das Ziel einer optimalen Bedarfsdeckung zu den bestmöglichen Konditionen zu erreichen. Nur zu oft werden diese Möglichkeiten jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht ausgeschöpft. Vergabeverfahren verharren in bewährten Verfahrensstrukturen und arbeiten mit wenig ambitionierten und defensiven Wertungssystemen, sowohl bei der Eignung als auch bei der Angebotswertung. Folglich wird das Innovationspotential des Marktes von der öffentlichen Hand oft nicht genutzt. Ein Beispiel wie es auch anders gehen kann, liefert die Berliner Feuerwehr, die sich auf den Weg gemacht hat, ein Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug mit einem innovativen Antriebskonzept zu entwickeln, herzustellen und zu beschaffen. Als Vergabeverfahren wurde die Innovationspartnerschaft gewählt.
Der Vergabeblog hatte die Gelegenheit hierzu ein Interview mit dem Leiter der Vergabestelle, Herrn Michael Bär, zu führen.
Interview
Vergabeblog: Sehr geehrter Herr Bär, Ende des Jahres möchte die Berliner Feuerwehr mit einem Auftragnehmer in eine dreijährige partnerschaftliche Entwicklung und Beschaffung eines neuen Löschfahrzeugs mit einem innovativen Antriebskonzept einsteigen. Dazu führen Sie derzeit als Vergabeverfahren der Wahl die Innovationspartnerschaft nach § 19 VgV durch. Äußerst spannend. Bitte erklären Sie uns näher, was wir uns darunter vorstellen müssen und warum dieser Bedarf besteht.
Michael Bär: Im Fuhrpark der Berliner Feuerwehr gibt es derzeitig rund 920 Einsatzfahrzeuge. Davon sind insgesamt 194 Fahrzeuge als Löschfahrzeuge im Einsatz. Alle diese Fahrzeuge sind mit einem Dieselantrieb ausgestattet und zu mehr als 50 % hat dieser Fahrzeugtyp das Lebensalter überschritten. Allein aus dieser Faktenlage musste die Berliner Feuerwehr sich alternativen und modernen Antrieben zuwenden, um zukünftig unsere Umwelt zu schonen und mit dem Einsatz solcher Fahrzeuge auch als Vorbild aufzutreten. Der positive Nebeneffekt: Diese Vorbildwirkung hat sicherlich auch auf das Einkaufsverhalten von Fahrzeugen im privaten Bereich Einfluss.
Ziel ist es ein Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug mit einem innovativen Antriebskonzept in den Jahren 2018, 2019 und 2020 zu entwickeln, herzustellen und zu beschaffen. Angesichts der stetig steigenden Anforderungen an den Schadstoffausstoß von Kraftfahrzeugen und die damit verbundenen erheblichen Einschränkungen für den Bau und den Betrieb von Feuerwehrfahrzeugen ist eine Neuausrichtung in der Konzeption des Antriebs von zukünftigen Feuerwehrfahrzeugen unerlässlich und zwingend erforderlich.
Vergabeblog: Nun ist ja die Entwicklung eines Löschfahrzeuges mit alternativem Antrieb eine Sache, von der man erwarten könnte, dass die Industrie diesen Bedarf selbst erkannt hat und handelt. Dem ist nicht so?
Michael Bär: Das ist relativ einfach erklärt. Die Berliner Feuerwehr arbeitet bereits seit 2012 intensiv daran, dass innovative Einsatzfahrzeuge mit einem modernen und umweltfreundlichen Antrieb beschafft werden sollten. Zum einen war ein Teil der Industrie noch nicht bereit, hierfür innovative Antriebssysteme zu entwickeln sowie bereitzustellen und hat die Berliner Feuerwehr hier einfach abgewiesen. Wörtlich: „Wir bekommen unsere Diesel-Fahrzeuge auch ohne große Probleme los.“ Das war auch insofern verständlich, weil die Einsatzbereitschaft dieser Fahrzeuge 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr gewährleistet werden muss. Das für die Realisierung eines solches Projekts größerer finanzieller Bedarf besteht, wurde vom Finanzsenator ignoriert. Erst mit dem Dieselskandal kam Bewegung in die Angelegenheit. Im Juni 2014 bestimmte die Behördenleitung der Berliner Feuerwehr, dass die Elektromobilität in das Beschaffungswesen der Berliner Feuerwehr integriert wird.
Vergabeblog: Wie schnell war klar, dass die Innovationspartnerschaft das angemessene und optimale Vergabeverfahren sein wird?
Michael Bär: Jetzt, nachdem diverse Programme zur zusätzlichen Finanzierung seitens des Bundes, aber insbesondere auch in Berlin, bereitgestellt wurden, war es plötzlich möglich, das Projekt eLösch- und Hilfeleistungsfahrzeug (eLHF) zu starten. Da es derzeitig kein Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug als Einsatzfahrzeug mit einem reinen Elektroantrieb gibt, wurde nach Partnern gesucht und auch ein solcher aus der Industrie gefunden, der sich an der Entwicklung eines solchen Fahrzeugs beteiligen will. Hier half der Vergabestelle der Berliner Feuerwehr plötzlich das seit dem 01.04.2016 anzuwendende neue europäische Vergaberecht. Dort beschrieb man das neue Vergabeverfahren „Innovationspartnerschaft“. Wenig später wurden Fördermittel des Landes Berlin beantragt und diese im Februar 2018 auch bestätigt. Mit Hilfe des Fachbereichs der Berliner Feuerwehr und dem Angebot des BME, dieses Projekt im Rahmen des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung (KOINNO) zu begleiten, wurden vom Fachbereich die Vergabeunterlagen erstellt. Diese wurden dann mit Hilfe eines Vergaberechtsanwalts begutachtet und für das Verfahren der Innovationspartnerschaft freigegeben.
Vergabeblog: Wie sind grob dargestellt die einzelnen Phasen des Vergabeverfahrens geplant?
Michael Bär: Das Vergabeverfahren der Innovationspartnerschaft für die Beschaffung eines eLHF wurde am 30.05.2018 im TED europaweit in Form eines Teilnahmewettbewerbs veröffentlicht. Am 01.07.2018 lief die Teilnahmefrist um 23:59 Uhr ab und die Submission dazu erfolgte durch die Vergabestelle der Berliner Feuerwehr am 02.07.2018. Ein Teilnehmer hatte sich beworben und dessen Unterlagen wurden dann zur Eignungsprüfung an den Fachbereich übersandt. Der Fachbereich bestätigte die Eignung des Antragstellers, so dass der Interessent am 11.07.2018 aufgefordert wurde, ein erstes indikatives Angebot abzugeben. Anschließend wird verhandelt, nach eventueller Überarbeitung des Vertrags und der Leistungsbeschreibung zum finalen Angebot aufgefordert und nach der Prüfung dieses Angebots wird voraussichtlich bis zum 10.12.2018 der Zuschlag für diese Partnerschaft erteilt.
Vergabeblog: Hatte Ihre Vergabestelle zuvor bereits Erfahrungen mit dieser Form des Vergabeverfahrens? Oder wird der Unterschied zu herkömmlichen Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gar nicht so erheblich sein?
Michael Bär: Nein, die Vergabestelle der Berliner Feuerwehr hatte mit diesem speziellen Verfahren noch keine Erfahrungen gemacht. Die Vergabestelle der Berliner Feuerwehr hatte versucht, jemanden zu finden, der über Erfahrungen verfügt, aber niemanden gefunden. Im Gegenteil, uns wurde mitgeteilt, dass man sehr gespannt sei, wie dieser Vorgang dann auch realisiert wird. Der Unterschied zum herkömmlichen Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ist zu vernachlässigen. Jedoch wird der Kontakt zwischen der Berliner Feuerwehr und dem Vertragspartner in der Durchführung des Vertrags viel enger sein, als in der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens. Hier kommt man im Rahmen der Verhandlungen sicher schneller dahin ein wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen.
Vergabeblog: Wie lange und aufwendig war die Vorbereitungsphase für dieses Vergabeverfahren?
Michael Bär: In der Antwort zwei dieses Interviews habe ich schon einige Aussagen dazu getroffen. Jedoch dauerte die eigentliche Vorbereitung bis zur Veröffentlichung des Teilnahmewettbewerbs ca. 6 Monate.
Vergabeblog: Sehr geehrter Herr Bär, vielen Dank für das Interview und natürlich viel Erfolg für den weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens und die sich anschließende Vertragsphase. Wie vereinbart, freuen wir uns auf die Fortsetzung unseres Gesprächs, um von den Erfahrungen der Berliner Feuerwehr mehr zu erfahren.