Vergabeverfahren für „innovative“ Züge kann weitergeführt werden (OLG Schleswig, Beschl. v. 13. Juni 2019 – 54 Verg 2/19)

Das Vergabeverfahren für die Beschaffung „innovativer“ Triebzüge für den Einsatz auf Regionalbahnstrecken in Schleswig-Holstein kann weitergeführt werden. Eine Neuausschreibung mit geänderten Vergabebedingungen ist nicht erforderlich. Das hat der Vergabesenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 13.06.2019 entschieden.

Zum Sachverhalt: Das Land Schleswig-Holstein plant, auf den Regionalbahnstrecken die Züge mit Dieselantrieb durch emissionsärmere oder ganz emissionsfreie Triebzüge zu ersetzen. Hierfür hat es ein Vergabeverfahren in Form einer sogenannten „Innovationspartnerschaft“ eingeleitet und im Rahmen dieses Vergabeverfahrens die Lieferung und Instandhaltung von umweltfreundlichen Triebzügen ausgeschrieben. An dem Vergabeverfahren nahmen mehrere Anbieter mit unterschiedlichen Antriebssystemen (z. B. wasserstoffbetrieben, batteriebetrieben) teil. In Verhandlungsrunden wurden mit den Anbietern zunächst die Einzelheiten des Auftrags erörtert. Auf dieser Grundlage stellte das Land sodann die Ausschreibungsbedingungen auf. In diesen Vergabebedingungen war u. a. festgelegt, dass der Strombedarf von batteriebetriebenen Zügen mit einem vom Land vorgegebenen Preis berechnet werden sollte, während der erforderliche Wasserstoff für den Antrieb wasserstoffbetriebener Züge mit einem vom Bieter angegebenen Preis in das Angebot aufgenommen werden sollte. Darüber hinaus kündigte das Land hinsichtlich der sogenannten „Nachladeinfrastruktur“ an, die Nachladeeinrichtungen zur Aufladung von Batterien direkt bei der Bahn zu beauftragen.

Demgegenüber sollten die Anbieter wasserstoffbetriebener Züge ihre Nachladeinfrastruktur zur Betankung der Züge selbst anbieten. Um diesen Unterschied auszugleichen, wurde in den Ausschreibungsbedingungen zulasten der Anbieter batteriebetriebener Fahrzeuge ein sogenannter „Wertungsaufschlag“ vorgesehen, der dem Wert der vom Land direkt zu beauftragenden Nachladeinfrastruktur für batteriebetriebene Züge entsprechen sollte und der auf den Angebotspreis der batteriebetriebenen Züge aufgeschlagen wird. In diesen Vergabebedingungen sah der Anbieter eines wasserstoffbetriebenen Triebzugs ungleiche Leistungsanforderungen und eine wettbewerbswidrige Bevorzugung der Anbieter batteriebetriebener Fahrzeuge. Er beanstandete, dass der Wertungsaufschlag unzureichend und nicht transparent sei. Darüber hinaus hätte das Vergabeverfahren in die drei Gruppen (sog. „Lose“) Fahrzeuge, Energie und Nachladeeinrichtung aufgeteilt und getrennt durchgeführt werden müssen. Der Anbieter stellte bei der Vergabekammer Schleswig-Holstein (Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus) einen Nachprüfungsantrag. Diesen Nachprüfungsantrag wies die Vergabekammer Ende Januar 2019 zurück. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Anbieters hat der Vergabesenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts gestern zurückgewiesen.

Aus den Gründen: Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg, denn die Ausschreibungsbedingungen und das Vergabeverfahren im Übrigen sind nicht zu beanstanden.

Die Beanstandungen wegen der unterbliebenen Losvergabe und wegen des unterschiedlichen Leistungsumfangs für batteriebetriebene bzw. wasserstoffbetriebene Fahrzeuge hätten schon früher – spätestens bis zum Ablauf der Frist für die Abgabe vorbereitender Angebote – geltend gemacht werden müssen. Diese Einwände sind deshalb nicht mehr zu berücksichtigen.

Eine sachwidrige Ungleichbehandlung der Bieter ist durch die unterschiedlichen Vergabebedingungen für batteriebetriebene bzw. für wasserstoffbetriebene Antriebe nicht eingetreten, weil insoweit keine vergleichbare Sachlage vorliegt. Die Anforderungen an den Nachweis des Einsatzes CO2-frei erzeugten Stroms weisen für die Anbieter batteriebetriebener bzw. wasserstoffbetriebener Züge keine relevanten Unterschiede auf. Der sogenannte Wertungszuschlag zum Ausgleich der Folgen, die durch die vom Land angekündigte Direktbeauftragung der Bahn mit elektrischen Nachladeanlagen entstehen, ist weder intransparent noch benachteiligt er die Anbieter wasserstoffbetriebener Fahrzeuge. In den Wertungsaufschlag sind die dafür relevanten Kosten und Risiken ausreichend einbezogen worden.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Juni 2019, Az. 54 Verg 2/19