Änderung der Bieteridentität: Auch im laufenden Vergabeverfahren ausnahmsweise zulässig (VK Südbayern, Beschl. v. 03.07.2019 – Z3-3-3194-1-09-03/19)
Der Rechtsformwechsel vom Einzelkaufmann zur GmbH muss in einem laufenden Vergabeverfahren nicht zum Ausschluss führen. Die Vergabekammer Südbayern betont in ihrer Entscheidung jedoch den Einzelfallcharakter des Falles.
§ 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV, § 97 Abs. 6 GWB
Leitsatz
- Ändert sich die Rechtsform eines Architekturbüros nach erfolgreicher Teilnahme (Preisträger) an einem Realisierungswettbewerb, aber vor Aufforderung zur Angebotsabgabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gem. § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV, ist für die Teilnahme des Büros in neuer Rechtsform am Verhandlungsverfahren allein maßgeblich, ob es den preisgekrönten Entwurf urheberrechtlich uneingeschränkt umsetzen darf und die ursprünglichen Eignungsanforderungen erfüllt.
- Es bedürfte eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV um zu entscheiden, ob eine Änderung der Zuschlagskriterien im Verhandlungsverfahren nach § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV unter Berücksichtigung des Erwägungsgrunds 45 der Richtlinie 2014/24/EU nur im Rahmen von Verhandlungen zwischen einem Bieter und dem öffentlichen Auftraggeber unzulässig sind, oder ob ein allgemeines Änderungsverbot besteht.
- Aufgrund von § 17 Abs. 12 Satz 2 VgV ist ein Verhandlungsverfahren gem. § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV allein mit dem Wettbewerbsgewinner allenfalls dann noch zulässig, wenn der Auftrag nach den Bedingungen des Wettbewerbs zwingend an den Wettbewerbsgewinner vergeben werden muss. Ist dies nicht der Fall, ist das Verhandlungsverfahren mit allen Preisträgern zu führen.
- In einem Planungswettbewerb nach VgV und (unmodifiziert vereinbarter) RPW 2013 ist der erste Preisträger gem. § 8 Abs. 2 RPW 2013 regelmäßig, aber nicht zwangsläufig mit den (weiteren) Planungsleistungen zu beauftragen.
- Der Umstand, dass der Auftraggebers gem. § 8 Abs. 2 RPW 2013 regelmäßig den ersten Preisträger zu beauftragen hat, ist bei der Gewichtung der Auswahlkriterien in geeigneter Weise zu berücksichtigen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.04.2017, 11 Verg 4/17)
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Planungsleistungen für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes aus. Hierzu wählte er einen Realisierungswettbewerb nach RPW 2013. Er gab vor, mit allen Preisträgern des Realisierungswettbewerbs im Anschluss an den Wettbewerb in Verhandlungen zu treten, um am Ende dieses Verfahrens den Planungsauftrag zu vergeben. Nach Abschluss des Planungswettbewerbs jedoch noch vor Einleitung des Verhandlungsverfahrens mit den Preisträgern änderte der erste Preisträger seine Rechtsform. Aus dem Einzelunternehmen „K… Dipl. Ing (FH) L… K…“ wurde zwischenzeitlich die „K… Gesellschaft von Architekten mbH“ (K-GmbH). Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH wurde der frühere Einzelarchitekt, Herr L… K…
Die Vergabekammer hatte im Rahmen eines eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens unter anderem zu klären, ob die K-GmbH am Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV überhaupt beteiligt werden durfte.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer Südbayern sah im vorliegenden Fall den Wechsel der Bieteridentität im laufenden Verfahren nicht als Ausschlussgrund an. Sie betont hierbei jedoch die Umstände des Einzelfalls, die für diese Auffassung sprächen: Im Rahmen der Neugründung der K-GmbH hat diese durch Einbringungsvertrag nicht nur sämtliche bilanzierungsfähige und nicht bilanzierungsfähige Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens übernommen, sondern auch auch sämtliche im Einzelunternehmen begründeten Rechte. Außerdem wurde der frühere Einzelarchitekt, Herr L… K…, alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der K-GmbH.
Auf den vorliegenden Fall, bei dem sich die Rechtspersönlichkeit eines Preisträgers nach Durchführung eines Realisierungswettbewerbs, aber vor Abgabe des Erstangebots im nachfolgenden Verhandlungsverfahren änderte, sei die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.08.2011 – Verg 16/11) zur Änderung der Rechtspersönlichkeit von Bietern nach Abgabe ihres Angebots nicht übertragbar. Maßgeblich ist nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern vorliegend lediglich, dass die Antragstellerin aufgrund des Einbringungsvertrags zweifellos berechtigt ist, den preisgekrönten Wettbewerbsentwurf umzusetzen und dass sie die ursprünglich für die Teilnahme am Wettbewerb, sowie am Verhandlungsverfahren gestellten Eignungsvoraussetzungen erfüllt.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung der Münchner Vergabekammer ist nachvollziehbar. Dennoch zeigt der Verweis auf den Einzelfallcharakter sowie der damit verbundene Begründungsaufwand, dass auf diesem Feld möglicherweise Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber besteht. Während § 132 Abs. 2 Nr. 4 b) GWB zwischenzeitlich recht detailliert vorgibt, unter welchen Voraussetzungen ein bereits bestehender Vertrag auf ein neues Unternehmen infolge von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen übergehen kann, ohne dass die Pflicht zur Neuausschreibung ausgelöst wird, bestehen keine expliziten Regelungen zu derartigen Änderungen in einem laufenden Vergabeverfahren.
Dem Alltag der Unternehmenswelt mit vielfältigsten Umstrukturierungen und Transaktionen wird die vergaberechtliche Systematik häufig nicht gerecht. Der EuGH zeigte in seiner jüngeren Rechtsprechung auf, dass die Vergaberichtlinien den nationalen Gesetzgebern auf diesem Feld Handlungsfreiheit lassen (vgl. EuGH Urteil vom 11.07.2019 Rs. C-697/17; EuGH Urteil vom 24.05.2016 Rs. C-369/14). Gleichzeitig verweist er zutreffend auf die bestehenden Leitplanken, die sich aus dem Wettbewerbsgrundsatz sowie dem Gleichbehandlungsgebot ergeben.
Praxistipp
Auch durch die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern wird deutlich, dass die deutschen Nachprüfungsinstanzen weiterhin sehr restriktiv mit einem Wechsel der Bieteridentität im laufenden Vergabeverfahren umgehen. Selbst eine Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung dürfte wohl in einem Offenen Verfahren auch weiterhin mit Verweis auf das Nachverhandlungsverbot den zwingenden Ausschluss des betreffenden Unternehmens mit sich bringen. Die etwas großzügigere Rechtsprechung des EuGH sollte allenfalls im Rahmen von Verhandlungsverfahren als Richtschnur gelten.