Berateraffäre: Untersuchungsausschuss – „Ministerium stoppte Ausschreibung“

BundestagNach Auswertung der Bewerbungen stellte sich heraus, dass die vom Ministerium gewollte Kanzlei auf dem vorletzten Platz gelandet war. Als sich dies abzeichnete, musste noch vor Ablauf der Ausschreibungsfrist auf Weisung des Ministeriums das Vergabeverfahren gestoppt werden, schilderten die Zeugen im Untersuchungsausschuss zur Vergabe von Berateraufträgen des BMVg am vergangenen Donnerstag. Das Ministerium nahm sodann in einem neuen Verfahren eine „freihändige Vergabe“ vor – an eben jene Kanzlei.

Massive Kritik an der Verhaltenskultur im Bundesverteidigungsministerium hat der Gewerkschafter Matthias Moseler als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses geübt. Wer die hohe Gehaltsstufe B9 erreichen möchte, von dem wolle eine Ministerin oder eine Staatssekretärin nicht hören, dass etwas nicht geht, zitierte Moseler nach eigener Darstellung einen jetzt im Ruhestand befindlichen Abteilungsleiter im Ministerium. Das gelte nach Moselers Beschreibung selbst dann, wenn Vorgaben am Gesetz vorbei umgesetzt werden sollen. Wer dabei nicht mitmachen wolle, dem bleibe nur die Krankmeldung.

Dies bezog er in der ersten Sitzung nach der Sommerpause unter dem Vorsitz von Wolfgang Hellmich (SPD) auf die Vergabe einer juristischen Beratertätigkeit an eine bestimmte Kanzlei. In den ersten Monaten der Ausschuss-Arbeit war es um die vom Bundesrechnungshof gerügte Vergabepraxis unter Missachtung von Recht und Regeln im Zusammenhang mit IT-Projekten gegangen. Jetzt drehten sich die Zeugenvernehmungen um die HIL GmbH, der bundeseigenen Gesellschaft für Heeres-Instandsetzung-Logistik.

Moseler ist als Arbeitnehmer-Vertreter stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates. Im März 2016 bekam die HIL den Auftrag, ein Konzept zur Zukunft der drei HIL-Instandsetzungswerke in St. Velten, Darmstadt und Doberlug-Kirchhain zu entwickeln, wie es der frühere General und jetzige Geschäftsführer (seit 2015) Walter Ludwig in seiner Zeugenaussage beschrieb. Die HIL leitete eine Ausschreibung ein, um für diese Aufgabe externe Beratung zu rekrutieren. Sehr viel Arbeit sei damit verbunden gewesen.

Vom Versuch des Ministeriums, die Vergabe an eine bestimmte Kanzlei durchzudrücken, wisse er nichts, beschied Ludwig. Ganz anders Moseler, der von mehreren entsprechenden Anrufen eines Unterabteilungsleiters im Ministerium berichtete. Der damalige Vergabe-Jurist der HIL habe sich dem Ansinnen mit dem Hinweis widersetzt, das Verfahren werde nach Recht und Gesetz durchgeführt. Dies geht auch aus einer E-Mail hervor, die dem Ausschuss vorliegt.

Nach Auswertung der Bewerbungen stellte sich heraus, dass die vom Ministerium gewollte Kanzlei auf dem vorletzten Platz gelandet war. Mithin, so Ludwig: „Die wären nicht genommen worden.“ Freilich: Als sich dies abzeichnete, musste noch vor Ablauf der Ausschreibungsfrist auf Weisung des Ministeriums das Vergabeverfahren am 6. Mai 2016 gestoppt werden, wie es beide Zeugen schilderten. Am 17. Mai nahm das Ministerium seinerseits dann in einem neuen Verfahren eine „freihändige Vergabe“ (Moseler) vor – an eben jene Kanzlei.

Warum der plötzliche Stopp des HIL-Verfahrens? „Gar nichts“ wisse er darüber, meinte Ludwig. Wobei sich bei den Nachfragen der Abgeordneten herausstellte, dass er offiziell nichts wusste, aber durchaus seine Vermutungen hatte. Im Ministerium, insbesondere von der damaligen Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder, sei bei den möglichen Perspektiven für die HIL GmbH das Modell favorisiert worden, die drei Werke zu privatisieren. Für Moseler ist klar: Dafür stand genau die ausguckte Kanzlei. Das Verfahren läuft immer noch. Laut Ludwig gibt es mehrere Bieter aus der wehrtechnischen Industrie. Über mögliche Erlöse von insgesamt 1,8 Milliarden Euro wird gesprochen.

Moseler, der auch als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der HIL GmbH fungiert, hatte nach eigenem Bekunden „den Eindruck, dass es politische Vorgaben“ gegeben habe – egal, ob sich das Vorgehen wirtschaftlich rechne: „Hier will man mit aller Gewalt etwas privatisieren.“ Zudem verwies er darauf, dass zumindest ein Ministeriums-Mitarbeiter, der an der Entscheidung für die Kanzlei beteiligt war, später bei der HIL Karriere gemacht habe.

Seine Kritik an dem Vorgehen habe er zunächst der damals neuen Compliance-Stelle des Ministeriums geschildert – ohne Ergebnis. Dann habe er die Berliner Staatsanwaltschaft eingeschaltet: unrechtmäßiges Verhalten des Verteidigungsministeriums. Doch die sei nach deren Angaben mangels Anfangsverdachts nicht tätig geworden. Auch vor dem Bonner Landgericht hatte er keinen Erfolg. Der Untersuchungsausschuss wird sich indes noch weiter mit dieser Thematik befassen.

Quelle: Bundestag