Berateraffäre: Freundschaften und Bekanntschaften unter der Lupe
Freundschaften und Bekanntschaften an der Spitze des Bundesverteidigungsministeriums sind bei der jüngsten Sitzung des Untersuchungsausschusses des Verteidigungsausschusses in den Mittelpunkt der Zeugenvernehmungen gerückt. Die Abgeordneten nehmen die Praxis der Auftragsvergabe an externe Unterstützer und Berater und ausdrücklich auch „persönliche Kennverhältnisse“ unter die Lupe.
Die damalige Ministerin Ursula von der Leyen engagierte zum 1. August 2014 die Unternehmensberaterin Katrin Suder als Staatssekretärin. Sie sollte den Rüstungsbereich gründlich umkrempeln und auf Vordermann bringen. Bis dahin hatte sie seit mehreren Jahren das Berliner Büro des Beratungs-Konzerns McKinsey geleitet. Als engen Mitarbeiter holte sich die neue Staatssekretärin den Unternehmensberater Gundbert Scherf ins Haus. Er war jahrelang ihr Kollege bei McKinsey gewesen. Er besetzte mit gut einer Handvoll von Mitarbeitern die neu geschaffene Stelle des Beauftragten für die strategische Steuerung der Rüstung.
Suder habe ihn wegen seiner fachlichen Qualität gefragt, sagte Scherf den Abgeordneten. Dann sei eine formale Bewerbung erfolgt. Er habe sich mit seinem Einkommen verschlechtert und keine Rückkehr-Garantie zu seinem alten Arbeitgeber gehabt. Allerdings kehrte er nach erfolgreicher Bewerbung Anfang 2017 zu McKinsey zurück. Bei zwei Veranstaltungen mit 1400 Teilnehmern in Koblenz, dem Sitz des Beschaffungsamtes der Bundeswehr, und 200 in Bonn wollte Scherf führenden Leuten die neue Strategie im Rüstungsbereich schmackhaft machen, wie seiner Darstellung zu entnehmen war.
Für die Moderation wurde die Firma LEAD verpflichtet – in Person von Oliver Triebel. Beide kannten sich von McKinsey. Scherf erklärte, die Initiative sei von ihm ausgegangen, aber nicht die Beauftragung selbst. Er habe Triebel angesprochen, weil der eine ähnliche Aktion im Auswärtigen Amt schon erfolgreich über die Bühne gebracht habe. Triebel nannte als seine Kompetenzbereiche Veränderungsmanagement und Führungskräfteentwicklung. Er wolle bei Mitarbeitern eine Verhaltensänderung bewirken und sie motivieren. Seine Aufgabe habe er darin gesehen, die Ziele der neuen Staatssekretärin umzusetzen. Zu ihr habe er ein „berufliches Vertrauensverhältnis“ gehabt.
Die Vergabe für diesen Auftrag erfolgte freihändig, weil das Volumen mit 14.000 Euro unter der Grenze blieb, die eine Ausschreibung erforderlich machte. Das galt indes nicht für zwei Folgeaufträge mit jeweils über 100.000 Euro. Es ging um Mitarbeiter-Befragungen und Workshops. Ob dabei gegen die Vergabe-Vorgaben verstoßen wurde, zählt zu Untersuchungs-Fragen des Ausschusses.
Zu Beginn seiner Zeugenbefragungen hatte sich der Ausschuss mit Vergaben befasst, bei denen der Bundesrechnungshof Rechts- und Regelverstöße moniert hatte. Ein Auftrag führte zum Unternehmen Accenture und seinem Repräsentanten Timo Noetzel. Der hatte zum 10. September 2016 zur Taufe seiner fünf Kinder eingeladen. Einer der Paten: Gundbert Scherf. Ein anderer Pate: General Erhard Bühler, damals Abteilungsleiter Planung im Verteidigungsministerium. Unter den Gästen: Katrin Suder.
Noetzel hatte vor dem Ausschuss von einer engen Freundschaft mit Scherf gesprochen. Doch der meinte bei seiner Aussage, das sei eine „sehr subjektive Einschätzung“. Sie hätten sich mal zum Abendessen oder zu einem Glas Wein getroffen, aber nie im häuslichen Umfeld. Sie seien sich bisweilen beruflich über den Weg gelaufen. Dass er Taufpate war, wurde erst beim Nachhaken der Abgeordneten klar. Er habe die Anfrage als „ehrenwert“ empfunden, sagte er. Um Geschäftliches sei es nie gegangen, versicherte Scherf. Zu dem Zeitpunkt sei schon klar gewesen, dass er wieder aus dem Ministerium ausscheiden werde. Noetzel habe „keinerlei Erwartungshaltung“ gehabt.
Bei einer anderen Personalie habe er nur noch die Einarbeitungsphase erlebt, sagte Scherf: Ulrich Meister, offenbar eine Duz-Bekanntschaft von Suder, wurde zum Geschäftsführer der bundeseigenen BWI GmbH bestellt, dem IT-Dienstleister der Bundeswehr. Ende Juni 2018 wurde Meister vom Aufsichtsrat freigestellt – unter anderem weil er freihändig einen millionenschweren Auftrag an die Firma Orphoz vergeben habe, eine hundertprozentige Tochter von McKinsey. So jedenfalls hatte es Aufsichtsratsmitglied Klaus-Hardy Mühleck dem Ausschuss geschildert.
Bisher letzter im Reigen der Zeugen war Björn Seibert, zuletzt Chef des Leitungsstabs im Ministerium und jetzt nach Brüssel in das Team der designierten Kommissionspräsidentin von der Leyen gewechselt. Mit ihr und mit Suder arbeitete er im Ministerium eng zusammen. Bei vielen Fragen der Abgeordneten musste er nach eigener Darstellung mangels Erinnerungsvermögens passen. Aber er hatte noch genau im Kopf, dass die damalige Ministerin mit „großer Betroffenheit“ auf die Rügen des Rechnungshofs reagierte. Nach seinem Gefühl habe es in der Leitung des Ministeriums keinerlei Kenntnis über Vergaberechtsverstöße gegeben.
Dass sich Suder, die im April 2018 aus ihrem Amt ausschied, und Noetzel kannten, habe er gewusst, sagte Seibert. Zu Noetzel habe er „ein Nicht-Verhältnis“ gehabt – keinerlei Kontakte bei der Arbeit oder privat: „Das hat sich nicht ergeben.“
Quelle: Heute im Bundestag