Trotz fehlendem Vergabestrafrecht: der (gute) Zweck kann nicht die Mittel heiligen! (VG Regensburg, Beschl. v. 08.10.2019 – RN10A DS 19.1669)
Die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr hat zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Höhe der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen. Die Tatbestände der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen gemäß § 298 Abs. 1 StGB und eines Subventionsbetrugs führen regelmäßig zu einer solchen Vertrauensbeeinträchtigung. Eigenes Engagement kann nicht von einer Verpflichtung zur Beachtung der Vergabevorschriften befreien. Der (gute) Zweck kann nicht die Mittel heiligen.
§ 47 Abs. 1 BeamtStG, § 298 Abs. 1 StGB, § 5 Abs. 3 S. 2 VwGO, Art. 1 Abs. 1, 14 Abs. 2, 39 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 2, 61, 73 Abs. 1 S. 1 BayDG
Sachverhalt
Der Antragsteller (ASt), und gleichzeitig erster Bürgermeister, begehrt die Aussetzung seiner vorläufigen Dienstenthebung. Dieser war ein Ermittlungsverfahren und eine Verurteilung wegen Untreue in Tatmehrheit mit wettbewerbswidriger Absprache vorausgegangen. Der ASt beabsichtigte den Bau eines Dorfladens und beauftragte Z mit der Ausschreibung und dem Vergabeverfahren der Maßnahme.
Gleichzeitig wurde bei der zuständigen Behörde ein Antrag auf Förderung der Baumaßnahme gestellt. Der Finanzierungsplan wies förderfähige Gesamtausgaben von ca. 220.000,00 EUR aus. Antragsgemäß wurde ein Zuwendungsbescheid über eine Subvention in Höhe von 54.843,00 EUR erteilt und die Vergabe der Maßnahme an die einschlägigen Vergabevorschriften gekoppelt. Gemäß der VOB/A waren die Bauaufträge durch öffentliche Ausschreibung an das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.
Nach Ausführungen des AG Regensburg im Ermittlungsverfahren, seien die Bauaufträge jedoch durch eine freihändige Vergabe unter Preisabsprachen, Manipulationen und erheblichen ungerechtfertigten Einschränkungen, die maßgeblich durch den ASt initiiert wurden, vergeben worden. Der ASt habe das Gewerk Fensterarbeiten in einem nur zum Schein durchgeführten Vergabeverfahren an sein eigenes Unternehmen vergeben, um die Subventionierung zu erhalten. Bei diesem und weiteren Gewerken, seien Angebotsinformationen weitergegeben und Preisabsprachen mit weiteren Bietern getroffen worden. In einem Fall wurde dem unterliegenden Bieter seitens des ASt sogar eine Provision in Höhe von 10% der Auftragssumme gezahlt. Aufgrund des Ermittlungsverfahrens wurde die bewilligte Subvention nicht ausgezahlt.
Die vergaberechtlichen Verstöße begründeten nach Auffassung der zuständigen Behörde einen Widerrufsgrund. Die Klage der Gemeinde gegen den Widerruf der Zuwendung wurde erstinstanzlich abgelehnt, die Berufung jedoch zugelassen, da nicht feststünde, in welcher Höhe ein Schaden entstanden sei und ob die Prognose, der ASt werde aus dem Dienst entlassen, haltbar sei. Der ASt sieht keine Bindungswirkung des Strafbefehls. Ein Vergabestrafrecht gebe es nicht. Der Fall einer vergaberechtswidrigen Ausschreibung sei im Strafrecht nicht geregelt. Er habe ausschließlich zum Vorteil der Gemeinde und gänzlich uneigennützig gehandelt. Es läge kein Dienstvergehen vor, welches eine Suspendierung oder Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen könne.
Der Antragsgegner (AG) trägt vor, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestünden nicht. Die Dienstenthebung sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Strafbefehls bestünden auch bei Zulassung der Berufung durch das Amtsgericht nicht. Ein Schaden sei nach der Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung in Höhe der gewährten Subvention entstanden.
Die Entscheidung
Zu Recht!
Der Antrag des ASt ist zulässig, aber unbegründet.
Das VG folgt den Erwägungen des AG. Zweifel an der vorläufigen Dienstenthebung bestünden nicht. Es sei für das Gericht nach wie vor überwiegend wahrscheinlich, dass gegen den ASt ein Disziplinarklageverfahren auf die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde. Der ASt habe durch sein Verhalten als kommunaler Wahlbeamter ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 S. 1 BeamtStG begangen. Die Klärung der streitigen vergaberechtlichen Rechtsfragen sei dem Disziplinarklageverfahren vorbehalten. Der summarische Charakter des Verfahrens schließe die Beurteilung schwieriger und umstrittener strafrechtlicher Probleme aus.
Das VG habe eigenständig und ohne präjudizielle Bindung an strafrechtliche Bemessungserwägungen zu entscheiden, ob der betroffene Beamte durch das innerdienstlich begangene Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist. Der ASt habe seine Kernpflichten massiv verletzt. Er sei den Anforderungen an die Führungsqualitäten seiner Position, die persönliche Integrität und Vorbildfunktion für nachfolgende Bedienstete nicht gerecht geworden. Zu den Kernpflichten des ersten Bürgermeisters gehöre insbesondere die strikte Beachtung der Gesetze. Diese habe er in straf- und vergaberechtlicher Weise verletzt. Die Erteilung des Zuschlags an das eigene Unternehmen des ASt, spreche gegen eine völlig uneigennützige Handlungsweise. Unmaßgeblich sei, ob und in welcher Höhe der Gemeinde ein Schaden durch das vergaberechtswidrige Verhalten entstanden sei. Nach Rechtsprechung des BVerwG komme es auf ein Übersteigen einer Geringwertigkeits-Schwelle nicht mehr an. Das Ausmaß des Vertrauensschadens sei u.a. auch durch den Strafrahmen des Delikts zu beurteilen. Von den Vorschriften des BayDG sei der ASt auch nicht aufgrund seiner Eigenschaft als kommunaler Wahlbeamter ausgeschlossen. Etwas gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Verfassung. Auch begründe das in der Kommunalverfassung vorgesehene Abwahlverfahren keine besondere Suspendierungsschranke, die eine Dienstenthebung verhindern würde. Diese kommunalpolitische Handlungsoption verdränge das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren nicht. Zudem halte die vorläufige Dienstenthebung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.
Rechtliche Würdigung
Den Ausführungen des VG Regensburg ist uneingeschränkt zuzustimmen.
Zuwendungsrechtlich wird der Widerruf der Subvention vom VG nicht in Frage gestellt. Die Auflagen des Bewilligungsbescheids sind zwingend einzuhalten. Fordern diese wie im Regelfall die Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften, sind diese zu wahren. Dem steht weder das Fehlen eines Vergabestrafrechts noch andere Einwände entgegen. Zutreffend wir unter Randnummer 29 vom VG ausgeführt: Soweit der vorliegende Antrag u.a. auch damit begründet wird, dass sich der Antragsteller nicht strafbar gemacht habe, da es ein Vergabestrafrecht nicht gebe, weist das Gericht darauf hin, dass der summarische Charakter des Verfahrens gemäß Art. 61 BayDG die umfassende rechtliche Beurteilung schwieriger und umstrittener strafrechtlicher Probleme ausschließt. Die Klärung der streitigen Rechtsfragen im Bereich der Vergaberechts ist dem Disziplinarklageverfahren vorbehalten. Deutlich zeigt das VG damit, dass es eines Vergabestrafrechts zur wirksamen Rechtsverfolgung auch nicht Bedarf.
Richtigererweise wird zwischen dem strafrechtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht, dem beamtenrechtliche Disziplinarverfahren und gegenständlichem verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgegrenzt und deren Verzahnung aufgezeigt. Hinsichtlich der vermeintlichen Differenzierung zwischen Berufsbeamten und kommunalen Wahlbeamten stellt das VG Folgendes fest: Weder das Demokratieprinzip noch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gebieten es, die kommunalen Wahlbeamten von einer solchen Rechtskontrolle freizustellen und es allein dem Wähler zu überlassen, durch Abwahl oder Wiederwahl über ihre bisherige Amtstätigkeit zu entscheiden. Gegenteiliges würde kommunale Beamte in ungerechtfertigter Art und Weise von Disziplinarmaßnahmen gegenüber Berufsbeamten bevorzugen. Zu erwägen ist eher, ob nicht gerade kommunale Wahlbeamten aufgrund ihrer demokratischen Legitimation in besonderer Art und Weise Sorgfalts- und Vertrauenspflichten gegenüber der Allgemeinheit trifft. Insbesondere die Einwände des ASt, ein Schaden sei nicht ersichtlich und das Handeln gänzlich uneigennützig zum Wohle der Gemeinde erfolgt, kann kein Gehör finden. Oder wie das VG zutreffend ausführt: der (gute) Zweck kann die Mittel nicht heiligen.
Praxistipp
Auflagen im Zuwendungsbescheid sind ernst zu nehmen und zwingend umzusetzen. Sie stellen keine bloße Empfehlung an den Zuwendungsempfänger dar. Auch ohne Vergabestrafrecht sollten alle Akteure die Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen im vergaberechtlichen Verfahren vor Augen haben und nicht wie immer noch in der Praxis häufig anzutreffen allzu locker als eher lästig abtun. Zwar sollte es allgemein bekannt sein, jedoch kann nur wiederholt werden, dass Preisabsprachen und Manipulationen vergaberechtswidrig sind und nicht nur vergabe- und zuwendungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Das wie es das VG in aller Deutlichkeit sagt Vergabeverfahren nur zum Schein durchgeführt werden, ebenso. Entsprechende Konsequenzen bei vergabe-, zuwendungs- und strafrechtlichen Verstößen sind dann inklusive.