Berateraffäre: „Bei beachtlicher Aufbauleistung sind auch Fehler passiert“
Die frühere Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen hat vor dem Untersuchungsausschuss zur sogenannten Berateraffäre einen besonderen Bedarf an Beratung und Unterstützung durch externe Firmen in ihrer Amtszeit geltend gemacht. Sie verwies in der Sitzung am Donnerstag, 13. Februar 2020, auf einen „sicherheitspolitischen Umbruch“. Die Sicherheitslage habe verlangt, dass Deutschland seinen Beitrag leiste. Ungeklärte Fragen zum Afghanistan-Einsatz, die Annexion der Krim, der Krieg in der Ukraine, das Aufkommen des IS im Irak und in Syrien und eine Serie schwerer Terroranschläge seien seit ihrem Amtsantritt Ende 2013 als Herausforderungen auf die Bundeswehr zugekommen, sagte von der Leyen.
Bis dahin aber hätten die Streitkräfte in einer Phase des Schrumpfens gesteckt. So sei zehn Jahre lang kein Zivilpersonal eingestellt worden. Standorte seien geschlossen und der Etat heruntergefahren worden. Die heutige EU-Kommissionspräsidentin sprach in der Sitzung des Untersuchungsausschusses des Verteidigungsausschusses unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD) von einer „schrumpfenden Bundeswehr, die wieder mehr leisten musste“. In ihren gut fünf Jahren im Ministerium sei „viel, viel Gutes geleistet“ worden: „Aber bei der beachtlichen Aufbauleistung sind auch Fehler passiert.“
„Ohne Hilfe von außen nicht zu bewerkstelligen“
Dem Ausschuss ging es denn auch bei seinen gut 40 Zeugenvernehmungen – zuletzt von der Leyen – darum, Rechts- und Regelverstößen bei der Vergabe von Aufträgen an externe Unternehmen nachzuspüren. Dabei standen Berichte des Bundesrechnungshofs im Mittelpunkt, der zahlreiche Vergabevorgänge gerügt hatte.
Ein 2014 vorgelegtes Rüstungsgutachten habe Schwierigkeiten und Defizite aufgezeigt, meinte von der Leyen. Es habe gehapert an Risikomanagement, Projektmanagement und Vertragsmanagement. Zweites großes Thema sei die Digitalisierung gewesen. Beispielhaft verwies sie darauf, dass in den Anfängen ihrer Amtszeit Landbilder von Waffensystemen „noch händisch“ erstellt worden seien. Insbesondere der Ausbau des IT-Bereichs sei „ohne Hilfe von außen nicht zu bewerkstelligen gewesen“. Und sie merkte wiederum an: „Bedauerlich, dass dabei Fehler gemacht wurden.“ Der Bundesrechnungshof habe dies zu Recht kritisiert, gestand sie ein.
„Sehr offen mit Kennverhältnissen umgegangen“
Als gelungener Coup war damals empfunden worden, dass sie Mitte 2014 die Top-Beraterin Dr. Katrin Suder als beamtete Staatssekretärin ins Ministerium holte. Suder leitete damals das Berliner Büro des Beratungsunternehmens McKinsey. Den Ausschlag, so von der Leyen, habe gegeben, dass sie als Arbeitsministerin schätzen gelernt habe, wie Suder die Digitalisierung der Bundesagentur für Arbeit betrieben habe.
Eingehend ging der Ausschuss auch in seiner letzten Sitzung der Beweisaufnahme der Frage nach, ob „Kennverhältnisse“ einen Einfluss darauf gehabt haben könnten, dass Aufträge an Firmen mit Personen gingen, die Suder aus ihrer Zeit bei McKinsey kannte. Suder sei „von Tag eins sehr offen, sehr transparent“ mit den Kennverhältnissen umgegangen, versicherte von der Leyen.
Zwei Generälen die Beförderung verweigert
Die damalige Staatssekretärin war mit Timo Noetzel (ehedem auch McKinsey) befreundet, der für seine Firma Accenture in einer der gerügten Vergaben einen Auftrag zur Beratung und Unterstützung bekommen hatte. Zum Freundeskreis, der sich unter anderem bei einer Taufe der Noetzel-Kinder traf, gehörte auch der damalige Abteilungsleiter Planung des Verteidigungsministeriums.
Ihm und einem anderen General verweigerte von der Leyen nach Abschluss interner Untersuchungen des Ministeriums die vorgesehene Beförderung. Das sei sehr viel milder als eine Disziplinarmaßnahme gewesen. Sie habe beiden erklärt, es sei ein schlechtes Zeichen, wenn sie nach Untersuchung der Vorgänge auch noch befördert würden.
„Suder hat ihre Arbeit mit großer Bravour gemeistert“
Sie habe die strategische Richtung vorgegeben, die Staatssekretäre und deren untergeordnete Abteilungen seien für die Umsetzung zuständig gewesen, sagte von der Leyen. Ihren Darstellungen war zu entnehmen, dass sie sich weitgehend aus personellen Entscheidungen herausgehalten habe. Sie lobte Suder, die „mit großer Bravour“ ihre Arbeit gemeistert habe.
Für Aufregung hatte zur Jahreswende die Nachricht gesorgt, dass die Daten auf den zwei Diensthandys von der Leyens in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin gelöscht worden waren, obwohl sie dem Ausschuss als Beweismittel zur Verfügung stehen sollten. Sie habe ihre Chats regelmäßig gelöscht, erklärte sie den Abgeordneten. Sie versicherte, sie habe beim letzten Scrollen keine Themen gefunden, die im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand des Ausschusses stünden.
„Das hätte auch andersherum entschieden werden können“
Die Aufarbeitung der Berateraffäre hatte der Verteidigungsausschuss Ende letzten Jahres begonnen. Suder weigerte sich seinerzeit, einer Einladung nachzukommen und wollte Fragen nur schriftlich beantworten. Das war der letzte Anstoß dafür, dass sich der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss einsetzte und damit eine Zeugenaussage erzwingen konnte. „Das hätte auch andersherum entschieden werden können“, meinte von der Leyen zum Verhalten Suders.
Die schied als Staatssekretärin im Mai 2018 auf eigenen Wunsch mit Blick auf ihre Familie, wie sie bei ihrer Aussage gesagt hatte, wieder aus den Diensten des Ministeriums aus. Ins Auge gefasst hatte sie diesen Schritt offenbar schon einige Monate länger. Jedenfalls war der damalige General Benedikt Zimmer unter dem Siegel der Verschwiegenheit gefragt worden, ob er als Staatssekretär Suders Nachfolge antreten wolle. Dies hatte er als vorletzter Zeuge kurz vor der Befragung von der Leyens bekundet – eben als Staatssekretär.
Liste der geladenen Zeugen
• Benedikt Zimmer, Staatssekretär, Bundesministerium der Verteidigung
• Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung a. D., Präsidentin der Europäischen Kommission
Quelle: Bundestag