Darf der Auftraggeber zur Eignungsprüfung Bescheinigungen von Referenz-Auftraggebern verlangen? (VK Nordbayern, Beschl. v. 07.11.2019 – RMF-SG21-3194-4-48)

EntscheidungBei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen darf der Auftraggeber keine Referenzbescheinigungen von früheren Auftraggebern vom Bieter verlangen, sondern lediglich eine Auflistung der geeigneten Referenzen.

§ 122 GWB, § 46 VgV

Leitsatz

Eine Vergabestelle kann zur Beurteilung der Eignung eines Bieters die in § 122 GWB, §§ 42 ff. VgV vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Gemäß § 46 Abs. 3 VgV kann zur Prüfung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ausschließlich die Vorlage der dort genannten Unterlagen von den Bietern verlangt werden, unter anderem gem. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV die Angabe von geeigneten Referenzen in Form einer Liste. Nicht hingegen ist es der Vergabestelle gestattet, die Vorlage von Referenzbescheinigungen, ausgestellt durch die jeweiligen Auftraggeber, zu verlangen, da derartige Unterlagen nicht im Katalog des § 46 Abs. 3 VgV genannt sind.

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Lieferung von Lastkraftwagen im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Unter III.1.3 (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) der Auftragsbekanntmachung war ein Link gesetzt, der auf ein Formblatt verwies, in dem die Bieter drei vergleichbare Referenzleistungen zu benennen hatten. In diesem Formblatt befand sich u.a. folgender Passus:  „Falls mein(e)/unser(e) Bewerbung/Angebot in die engere Wahl kommt, werde(n) ich/wir für die oben genannten Leistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis auf gesondertes Verlangen vorlegen.“ Bieter A gab darauf ein Angebot ab und benannte im Formblatt drei Referenzen als sog. Eigenerklärungen. Der AG forderte den A daraufhin auf, Referenzbescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung der angegebenen Leistungen vorzulegen. Darauf rügte A, dass eine Referenzbescheinigung nicht unbedingt gefordert werden dürfe, weil eine solche Bescheinigung nicht in jedem Fall beigebracht werden könne und zwar aus Gründen, die der Bieter nicht zu vertreten habe. Denn trotz intensiver Bemühungen sei es ihm nicht gelungen, von allen in der Eigenerklärung benannten Referenzgebern Bescheinigungen zu erlangen. Allein die Tatsache, dass ein Referenzgeber keine Bescheinigungen ausstelle, dürfe aber nicht zum Ausschluss des Angebotes führen. Da der AG der Rüge des A nicht abhalf, beantragte dieser Nachprüfung des Verfahrens bei der Vergabekammer.

Die Entscheidung

Die VK gibt dem Bieter A Recht, soweit dieser die Feststellung beantragt, dass der AG die Vorlage von Referenzbescheinigungen nicht zwingend verlangen kann bzw. die Nichtvorlage der Bescheinigungen als Ausschlussgrund heranziehen darf.

Rechtliche Würdigung

Wie die VK ausführt, kann eine Vergabestelle zur Beurteilung der Eignung eines Bieters die in §§ 122 GWB, 42 ff. VgV vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Gemäß § 46 Abs. 3 VgV kann zur Prüfung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ausschließlich die Vorlage der dort genannten Unterlagen von den Bietern verlangt werden, unter anderem gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV die Angabe von geeigneten Referenzen in Form einer Liste.
Dagegen ist es dem Auftraggeber nicht gestattet, die Vorlage von Referenzbescheinigungen, ausgestellt durch die jeweiligen Auftraggeber, zu fordern, da derartige Unterlagen nicht im Katalog des § 46 Abs. 3 VgV genannt sind. Die Vergabekammer erkennt deshalb die Verpflichtung zur Vorlage von Referenzbescheinigungen Dritter bei der Vergabe von Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen durch die Bieter an sich bereits als vergaberechtswidrig, so dass das Fehlen einer Vorlage der Referenzbescheinigungen auf Nachforderung hin nicht als Ausschlussgrund gem. § 57 Abs.1 Nr. 2 VgV tauglich ist. Belegt wird diese Auffassung durch Anhang XII, Teil 2 a ii) der Europäischen Richtlinie 2014/24/EU vom 26.02.2014. Hier wird nur von „Verzeichnissen“ ausgegangen, die der Bieter als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit vorlegen muss. Bei Bauleistungen gem. Anhang XII, Teil 2 a i) RL 2014/24/EU können hingegen für die „wichtigsten Bauleistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis“ verlangt werden. Bei Bauaufträgen kann der Auftraggeber die Vorlage einer Referenzbescheinigung verlangen, bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ist dagegen die verpflichtende Vorlage von Referenzbescheinigungen nicht zulässig, zumindest darf die Vergabestelle nicht ein Angebot gem. § 57 Abs.1 Nr. 2 VgV ausschließen, wenn die angeforderten Referenzbescheinigungen nicht (fristgerecht) vorgelegt werden.

Davon unberührt verbleibt einer Vergabestelle aber die Möglichkeit, die Eignung des jeweiligen Bieters aufgrund der in der Eigenerklärung gemachten Angaben durch eigene Recherche weiter zu überprüfen. Gegebenenfalls kann sich der Auftraggeber vom Bieter auch Ansprechpartner zur Prüfung der Referenzen benennen lassen.

Dem Auftraggeber bzw. der Vergabestelle ist es erlaubt, im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung mittels einer Prognoseentscheidung ein Angebot wegen fehlender technischer und beruflicher Leistungsfähigkeit auszuschließen, wenn sich im Rahmen der Aufklärung herausstellt, dass die vorgelegten Referenzen nicht zur Zufriedenheit des damaligen Auftraggebers ausgeführt worden sind und die Vergabestelle eine Prognose aufstellt, dass deshalb die technische und berufliche Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist. „Bei der materiellen Eignungsprüfung muss der Auftraggeber alle bekanntgemachten Eignungskriterien (aber auch nur diese) und die vorgelegten Unterlagen berücksichtigen. Sie endet dann mit einer positiven oder negativen Eignungsprognose (nach dem Motto: „Der kann’s“ oder „Der kann’s nicht“), die der Auftraggeber in eigener Verantwortung zu treffen hat.

Praxistipp

Bei der Forderung nach vergleichbaren, früher erbrachten Leistungen (Referenzen) zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eines Bieters gilt wie die Entscheidung der VK Nordbayern zeigt – regelmäßig folgende Unterscheidung:

Bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen nach der VgV dürfen Auftraggeber Referenzen über früher ausgeführte Aufträge nur in Form einer Liste der in den letzten 3 bis 5 Jahren erbrachten Leistungen mit Angabe des Werts, des Liefer- bzw. Erbringungszeitpunkts sowie des öffentlichen oder privaten Empfängers fordern (siehe § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV). Möglich ist dabei aber, sich zur Prüfung dieser Angaben z.B. die Kontaktdaten der früheren Auftraggeber angeben zu lassen.

Bei der Vergabe von Bauleistungen nach der EU VOB/A ist dies anders. Dort ist der AG berechtigt, für Referenzleistungen von allen Bietern unmittelbar Nachweise in Form von Bescheinigungen oder anderen von Dritten ausgestellten Dokumenten zu verlangen. Allerdings kann er auch hier Referenzen über früher erbrachte Bauleistungen in Form von Eigenerklärungen zulassen, wobei er dann aber verpflichtet ist, von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, eine Bestätigung der zuständigen Stellen abzufordern (siehe § 6b Abs. 1 Nr. 2 EU VOB/A).