PKW Maut: Die Rolle von Toll Collect

Im Lauf des Jahres 2018 gab es erste Überlegungen, die für die Lkw-Maut zuständige Toll Collect GmbH in die Erhebung der Pkw-Maut einzubeziehen. Konkrete Gespräche zwischen Bundesverkehrsministerium und Toll Collect fanden dann im September und November 2018 statt. Dies ging aus der Befragung des Zeugen Stefan S. im 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“) am vergangenen Donnerstag hervor. S. war seit 2010 im Bundesverkehrsministerium für Mautfragen (zunächst die Lkw-Maut) zuständig. 2015 wurde er Projektleiter für die Pkw-Maut, und 2017 avancierte er zum stellvertretenden Leiter des Maut-Referats. Am 1. Oktober 2018 wechselte er für fünf Monate in die Geschäftsführung der (kurz zuvor verstaatlichten) Toll Collect, wobei er nach eigenen Angaben als „Aufpasser des Bundes“ fungierte. Seit seinem Ausscheiden bei Toll Collect ist er als Referatsleiter im Verkehrsministerium tätig.

Durch die Verstaatlichung von Toll Collect hätten sich neue Handlungsoptionen ergeben, sagte der Zeuge. Statt eines Betreibermodells sei nun auch die Eigenrealisierung der Pkw-Maut durch den Bund möglich gewesen. In seiner Zeit als Geschäftsführer habe er es zunächst als sinnvoll erachtet, dass Toll Collect diese zusätzliche Aufgabe übernehmen würde. Allerdings sei die aus vier Personen bestehende Geschäftsführung zu dem Schluss gekommen, Toll Collect könne die Pkw-Maut nicht mehr in dieser Legislaturperiode, sondern frühestens 2021 erheben, da sie als bundeseigene Gesellschaft an das Vergaberecht gebunden sei.

Der Zeuge war – damals noch als Vertreter des Bundesverkehrsministeriums – bei einem Treffen zwischen Toll Collect und Verkehrsministerium am 13. September anwesend. Dabei sei es darum gegangen, herauszufinden, ob Toll Collect die Erhebung der Pkw-Maut oder wenigstens einzelne Leistungen übernehmen könne, sagte der Zeuge. Die Vergabestelle des Ministeriums sei an diesem Gespräch nicht beteiligt gewesen. „Das hatte mit dem Vergabeverfahren nichts zu tun“, begründete dies S.; es sei ja um die Eigenrealisierung gegangen.

An einem zweiten Treffen am 19. November 2018 habe er – inzwischen als Geschäftsführer von Toll Collect – nicht teilgenommen, um Interessenkonflikten aus dem Weg zu gehen. Im Nachgang zu diesem Treffen äußerte sich einer von Stadlers Co-Geschäftsführern in einer im Ausschuss vorgelesenen E-Mail äußerst ungehalten über den wiederholt vorgetragenen Wunsch des Bundesverkehrsministeriums, Toll Collect solle noch in dieser Legislaturperiode die Pkw-Maut umsetzen.

Am 6. Dezember 2018 kam es zu einem weiteren Treffen. Dabei handelte es sich dem Zeugen zufolge um ein Unterauftragnehmergespräch. In der Folge wurde dem letzten verbliebenen Bieterkonsortium aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim die Nutzung der Zahlstellenterminals von Toll Collect zugesichert. Das trug wesentlich dazu bei, die vom Bieterkonsortium verlangte Summe um rund ein Drittel auf die zwei Milliarden Euro zu reduzieren, die der Bundestag für das Projekt bewilligt hatte.

Ob mit diesem Vorgehen die anderen Bieter benachteiligt worden seien, da ihnen diese Mitnutzung der Toll-Collect-Terminals nicht angeboten worden sei, könne er nicht beurteilen, da er kein Jurist sei, erklärte der Zeuge. Zudem sei er damals bei Toll Collect tätig gewesen; die vergaberechtliche Prüfung sei Aufgabe des Verkehrsministeriums gewesen. Weitere Fragen, die sich auf die Schadenersatzforderungen des Betreiberkonsortiums nach Kündigung der Verträge bezogen, wollte der Zeuge nur in nicht öffentlicher Sitzung beantworten.

Vor der Öffentlichkeit äußerte sich der Mautexperte zum Verhältnis zu externen Beratern. Dabei widersprach er der Aussage eines Zeugen in einer vorangegangenen Sitzung, wonach auf drei Ministeriumsmitarbeiter 30 Berater gekommen seien. „Diese Zahlen kann ich nicht nachvollziehen“, sagte er. Zwar sei es nötig gewesen, für die „sehr komplexe Materie“ Spezialwissen beizuziehen. Er habe aber aufgrund seiner Erfahrung „sehr viel Input selber einspeisen können“. Ohnehin gelte: „Am Ende entscheidet der Auftraggeber.“

Quelle: Bundestag