Barnier: Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich stecken fest

Die siebte Verhandlungsrunde über die künftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich hat laut dem EU-Chefunterhändler Michael Barnier in der vergangenen Woche keine nennenswerten Fortschritte gebracht. Er sei „enttäuscht und besorgt“, sagte Barnier vergangenen Freitag in Brüssel. „Ich bin auch ein wenig überrascht, da Premierminister Boris Johnson uns im Juni gesagt hatte, er wolle unsere Arbeit im Laufe des Sommers beschleunigen. Auch in dieser Woche haben die britischen Unterhändler – genau wie in der Juli-Runde – wieder einmal keine Bereitschaft gezeigt, in Fragen von grundlegender Bedeutung für die Europäische Union Fortschritte zu erzielen.“

Obwohl die Zeit drängt, bestehen vor allem in Grundsatzfragen nach wie vor Differenzen. „Wir haben nur noch sehr wenig Zeit, um die Verhandlungen abzuschließen. Damit ein Abkommen tatsächlich am 1. Januar 2021 – in vier Monaten und zehn Tagen – in Kraft treten kann, muss bis spätestens Ende Oktober ein vollständiger Rechtstext vorliegen, um sowohl dem Rat als auch dem Europäischen Parlament die nötige Zeit zur Stellungnahme zu geben.“

Trotz der geringen verbleibenden Zeit kann sich Barnier eine Einigung noch vorstellen. „Dazu müssen unsere britischen Partner jedoch endlich bereit sein, uns in der nächsten Runde – die vom 7. bis 11. September in London stattfinden wird – konkrete und konstruktive Vorschläge zu unterbreiten.“

Barnier kritisierte die fehlende Bereitschaft des Vereinigten Königreichs, die europäischen Prioritäten zu verstehen, obwohl diese seit 2017 bekannt sind. Demnach muss das Handelsabkommen mit Standards des fairen Wettbewerbs einhergehen und eine faire und nachhaltige langfristige Lösung für die europäischen Fischer garantieren. Außerdem bekräftigte Barnier, dass das Vereinigte Königreich nicht erwarten kann, einen besonderen Zugang zum Binnenmarkt zu erhalten, wenn es nicht bereit ist, die gemeinsamen Regeln dieses Marktes zu akzeptieren.

Die Europäische Union erwartet von Premierminister Boris Johnson, dass er sich an die gemeinsame politische Erklärung aus dem vergangenen Jahr hält, zu der er sich zusammen mit den 27 Staats- und Regierungschefs der EU verpflichtet hat. In Absatz 77 heißt es unter anderem, dass das künftige Abkommen robuste Verpflichtungen zur Verhinderung von Handelsverzerrungen und unfairen Wettbewerbsvorteilen enthalten und gemeinsame hohen Standards aufrechterhalten sollte.

Abgesehen von Fragen der Handelspolitik und der Fischerei mahnte Barnier auch in Fragen der Überwachung des Abkommens, Mobilität und Koordination von sozialer Sicherheit Fortschritte in den Verhandlungen an. Bewegung gab es diese Woche hingegen in Fragen der Zusammenarbeit in der Energiepolitik, der Teilnahme an Programmen der Union und der Geldwäschebekämpfung.

Parallel zu den schwierigen Verhandlungen bekräftigte Barnier, dass das Vereinigte Königreich Schritte unternehmen müsse, um die gemeinsame Wirtschaft auf der irischen Insel zu erhalten, die Integrität des Binnenmarktes zu schützen und vor allem Frieden und Stabilität auf der irischen Insel zu sichern.

Darüber hinaus verwies Barnier in seiner Erklärung auch auf das, was er im Juli nach der sechsten Verhandlungsrunde gesagt hatte: „Heute, zum jetzigen Zeitpunkt, scheint eine Einigung zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union unwahrscheinlich. Ich verstehe einfach nicht, warum wir wertvolle Zeit verstreichen lassen.“

Hintergrund

Das Vereinigte Königreich hat die Europäische Union am 31. Januar 2020 verlassen.

Das zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geschlossene Austrittsabkommen hat für einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs gesorgt und Rechtssicherheit in wichtigen Bereichen geschaffen, darunter Bürgerrechte, die Finanzregelung und die Vermeidung einer harten Grenze auf der Insel Irland.

Im Austrittsabkommen ist ein Übergangszeitraum vorgesehen, der gewährleistet, dass das EU-Recht für das Vereinigte Königreich vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 weiter gilt. Am Ende des Übergangszeitraums verlässt das Vereinigte Königreich den Binnenmarkt und die Zollunion und beendet damit den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr.

Das Vereinigte Königreich wird weder am MwSt- und Verbrauchsteuerraum der EU noch an Maßnahmen und Programmen der EU teilnehmen und auch nicht mehr von den internationalen Übereinkünften der EU profitieren. Die Änderungen werden beide Seiten betreffen und unabhängig davon eintreten, ob ein Abkommen über die künftige Partnerschaft zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zustande kommt oder nicht.

Die EU und das Vereinigte Königreich verhandeln derzeit über ein Abkommen über eine künftige neue Partnerschaft. Doch selbst wenn ein solches Abkommen geschlossen wird, werden sich die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich erheblich von den derzeitigen unterscheiden, auch weil es keinen reibungslosen Handel mehr geben wird.

Es werden unweigerlich Hindernisse für den Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie für die grenzüberschreitende Mobilität und den grenzüberschreitenden Austausch auftreten. Öffentliche Verwaltungen, Unternehmen, Bürger und Interessenträger auf beiden Seiten werden davon betroffen sein und müssen sich deshalb vorbereiten.

Quelle: EU Kommission