BAK: Die Anpassung der HOAI auf der Zielgeraden
Im Rahmen des 4. Deutschen Bauvergabetags digital am 16.09.2020 wird die jüngere Geschichte und die nun bevorstehende Zukunft der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) eine zentrale Rolle einnehmen. Der nachfolgende Blogbeitrag von Dr. Schnepel zeigt anknüpfend an einen Beitrag aus Januar diesen Jahres auf (siehe ), dass nach Auffassung der Bundesarchitektenkammer (BAK) auch in Zukunft das Honorarrecht als wichtigster Maßstab für angemessene Planerhonorare erhalten bleibt – trotz EuGH-Urteil vom 4.7.2019 (vgl. ).
Im Januar des Jahres hat der Verfasser die seinerzeitigen Überlegungen zur Anpassung der HOAI an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dargelegt (siehe ), in dem dieser festgestellt hatte, dass die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze gegen Europarecht verstößt. Seitdem ist viel passiert. Das von den Planerorganisationen ursprünglich vorgeschlagene Modell wird es in dieser Form nicht geben. Die jetzt angesteuerte gesetzgeberische Lösung ist aber im Grundsatz ebenfalls gut vertretbar. Ob es sich auch in der Praxis um ein aus Planersicht taugliches Model handelt, wird sich allerdings erst in einigen Jahren zeigen. Sollten die Planerhonorare nach dem Wegfall der verbindlichen Mindestsätze dramatisch absinken, wäre dies nicht nur ein Misserfolg der angepassten HOAI, sondern schädlich für qualitativ hochwertiges und nachhaltiges Planen und Bauen, den Verbraucherschutz und die Baukultur.
Denn man kann es nicht oft genug wiederholen: Der EuGH sieht, anders als offenbar die EU-Kommission, den Verfall der Planerhonorare als große Gefahr für die genannten Rechtsgüter an. Und er hat dies mit dem Vorwurf bekräftigt, dass in Deutschland Planungsleistungen im Grundsatz auch von hierfür nicht nachgewiesenermaßen qualifizierten Personen erbracht werden dürfen. Dies zu korrigieren, ist nicht einfach und schon gar nicht auf die Schnelle möglich. Ein anzustrebendes Ziel sollte es aber bleiben. Unabhängig davon muss alles dafür getan werden, dass das Honorarniveau für Planungsleistungen nicht einbricht: im Sinne des EuGH-Urteils und zum Wohle aller Beteiligten, nicht zuletzt der öffentlichen Auftraggeber.
Ursprüngliches Konzept: Vollständige Übertragung der Struktur der Steuerberatervergütungsverordnung auf die HOAI
Der Kerngedanke zur Überarbeitung der HOAI bestand zunächst der Übernahme der Struktur, wie sie in die Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) eingeführt worden ist. Danach sind die außergerichtlichen Honorare des Steuerberaters frei vereinbar, müssen aber „angemessen“ sein. Wird keine Honorarvereinbarung getroffen, gilt die gesetzliche Vergütung. Des Weiteren besteht die Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten auf die Möglichkeit einer freien Vereinbarung hinzuweisen.
Neues Konzept: Honorartafeln der HOAI als staatliche Preisorientierung
Während die beiden letztgenannten Punkte im Grundsatz beibehalten werden, sieht das aktuelle Konzept zur Anpassung der HOAI zur Ausgestaltung der freien Honorarvereinbarung etwas anderes vor. Die Honorartafeln, die unverändert beibehalten werden, sollen künftig qua Verordnung eine wichtige Orientierung zur Ermittlung des angemessenen Honorars im Einzelfall bieten.
4. Bau-Vergabetag digital
Der 4. Bau-Vergabetag digital des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) liefert am 16. September 2020 Informationen aus erster Hand, Diskussion und Hilfestellungen. Einen Schwerpunkt des diesjährigen Bau-Vergabetags nimmt die jüngere Vergangenheit und bevorstehende Zukunft der HOAI ein. Im 1.Fachpanel des Tages wird Joachim Brennecke, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer, zu dem Thema: „Das EuGH-Urteil zur HOAI – eine Bewertung“ referieren. Im Anschluss wird Frau Dr. Bettina Krug, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), eine Stellungnahme des BMWi zur Zukunft der HOAI abgeben.
Weitere Informationen zum 4. Bau-Vergabetag digital sowie eine Anmeldemöglichkeit finden Sie unter www.bau-vergabetag.de.
Stand des Verfahrens zur Anpassung der HOAI
Am 5.6.2020 hat das BMWi zunächst einen Referentenentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLGÄndG) vorgelegt. Der Regierungsentwurf des Bundeskabinetts vom 2.7.2020 befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Das ArchLG ist Grundlage für die HOAI, einer Rechtsverordnung der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Zugleich werden mit dem ArchLGÄndG einige Anpassungen in der Vergabeverordnung vorgenommen.
Den Referentenentwurf für eine Änderung der HOAI hat das BMWi am 7.8.2020 vorgelegt. Sowohl das Gesetzgebungsverfahren für das ArchLG als auch das Verfahren zur Anpassung der HOAI werden voraussichtlich im Herbst, jedenfalls bis Ende 2020 abgeschlossen sein. Die HOAI-ÄnderungsVO sieht vor, dass die neue HOAI für alle Verträge gilt, die ab dem 1.1.2021 abgeschlossen werden.
Wesentliche Kernpunkte für die BAK
Zu allen Entwürfen hat die Bundesarchitektenkammer gemeinsam mit der Bundesingenieurkammer und dem AHO eingehende Stellungnahmen abgegeben, in Anhörungen sowie Gesprächen mit Vertretern der Bundesregierung, Parlamentariern und sonstigen politischen Entscheidungsträgern die Belange der planenden Berufe vorgetragen und wird dies auch im weiteren Verfahren tun.
Drei Kernpunkte standen und stehen hierbei im Vordergrund:
– Sowohl im ArchLG als auch in der HOAI muss möglichst deutlich hervorgehoben werden, dass die HOAI einschließlich der weiterhin bestehenden Tafelwerte auch nach dem Wegfall der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der Ermittlung angemessener Honorare dienen soll und die Honorartafeln diese Angemessenheit widerspiegeln.
– Die bisherigen Bezugnahmen auf die HOAI in der VgV sind so weit wie möglich zu erhalten. Alle von der Bundesregierung im Vertragsverletzungsverfahren vorgetragenen und vom EuGH bestätigten Argumente für verbindliche Mindestsätze bei Planerleistungen behalten weiterhin ihre Gültigkeit. Dies sollte dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass die HOAI bei Vergabeverfahren auch in der Zukunft zu berücksichtigen ist und hierdurch der gesetzlich vorgeschriebene Grundsatz des Leistungswettbewerbs zumindest nicht abgeschwächt wird.
– Der in der VgV explizit genannte Grundsatz des Leistungswettbewerbs bei Planungsleistungen muss auch im Bereich der Unterschwellenvergabe stärker verankert werden, um einem unkontrollierten Preiswettbewerb entgegenzuwirken.
Zwischenfazit
Es muss nicht noch einmal besonders betont werden, dass die Abschaffung der Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze als Folge des EuGH-Urteils vom 4.7.2019 zu bedauern ist. Das jetzt vorgesehene Grundkonzept, die derzeitigen Honorartafeln als staatliche Preisorientierung beizubehalten, ist vor diesem Hintergrund aber zu befürworten und unterstreicht die Bemühungen nicht zuletzt der BAK, die HOAI als solche so weit wie möglich zu erhalten. Mitgetragen wird auch die vorgesehene Regelung, wonach bei fehlender oder nicht wirksamer Honorarvereinbarung der untere Honorarsatz als vereinbart gilt. Dies entspricht quasi der jetzigen Mindestsatzfiktion in
§ 7 Abs. 5 HOAI.
Noch wesentlich zu schwach kommt insbesondere im Entwurf der HOAI-ÄnderungsVO allerdings zum Ausdruck, dass die Honorartafeln das widerspiegeln, was der Verordnungsgeber als angemessene Honorarhöhe ansieht. Insbesondere hier sind Nachbesserungen erforderlich, nachdem dies beim ArchLG bereits erreicht werden konnte. Idealerweise sollte die HOAI selbst oder zumindest die Begründung auch eine Aussage enthalten, dass das Gesamthonorar angemessen sein muss.
Norbert Portz, Leiter des Dezernats für Städtebau und Vergabe bei Deutschen Städte- und Gemeindebund, hat in einem Beitrag für das Deutsche Architektenblatt betont: „Der Grundsatz „Wer billig plant, baut teuer“ ist auch den Kommunen bekannt. Daher wird und kann der Preis auch künftig nicht allein über den Zuschlag bei Planungsleistungen entscheiden. Im Übrigen legen speziell Kommunen auf eine leistungsorientierte und mittelstandsfreundliche Vergabe von Planungsleistungen Wert.“
Würde diese Aussage zur allgemeinen Maxime und dem Grundsatz des Leistungswettbewerbs zudem in möglichst vielen Fällen durch Planungswettbewerbe Geltung verschafft, wäre die vielfach geäußerte Befürchtung eines künftigen allgemeinen Preis- und Qualitätsverfalls bei Planungsleistungen unbegründet. Angesichts bereits jetzt zu beobachtender Tendenzen gerade auch bei öffentlichen Auftraggebern, mehr auf den Preis- als auf den Leistungswettbewerb zu setzen, ist ein ungetrübt optimistischer Blick in die Zukunft aber leider nicht möglich.