Haushaltsvergaberecht für Flutgebiete in Rheinland-Pfalz befristet ausgesetzt – Praktische Auswirkungen  

Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt hat für die von den verheerenden Hochwasserschäden betroffenen Kommunen das Haushaltsvergaberecht (s. § 55 LHO RLP, VOL/A-1.Abschnitt) zunächst bis zum Jahresende ausgesetzt (siehe auch ). Auch für EU-weite Vergabeverfahren können Vereinfachungen gelten.

Mit Rundschreiben vom 19.07.2021 (.pdf) hat das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz Vereinfachung von Vergabeverfahren in Folge der Flutkatastrophe in Kraft gesetzt. Die Regelungen, insbesondere die Aussetzung des Haushaltsvergaberechts, gelten für die betroffenen Landkreise Ahrweiler, Mayen-Koblenz, Bernkastel-Wittlich, Eifelkreis Bitburg-Prüm, Trier-Saarburg, Vulkaneifel und die kreisfreie Stadt Trier.

Für Beschaffungen mit Auftragswerten unterhalb der EU-Schwellenwerte (214.000 € für Liefer-/Dienstleistungen – 5.350.000 € für Bauleistungen) müssen bis zum Jahresende keine förmlichen Vergabeverfahren durchgeführt werden. Erfasst sind jedoch nur solche Liefer-, Dienst- und Bauleistungen, die unmittelbar oder mittelbar zur Bewältigung der Flutkatastrophe beitragen. Die Kommunen sind demnach nicht vollständig vom Haushaltsvergaberecht befreit. Für die auch in den betroffenen Gebieten von der Flutkatastrophe nicht tangierte Auftragsvergabe bleibt es beim Haushaltsvergaberecht.

Auslegungshinweise für die Oberschwellenvergabe tätigt das Ministerium nicht, sondern verweist auf das Corona-Rundschreiben des Bundes vom 19.03.2020 (Blatt 2 bis 5, .pdf). Für Aufträge oberhalb der Schwellenwerte bleibt es bei der Anwendbarkeit des Vergaberechts. Zulässige Erleichterungen können aber insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Dringlichkeitsvergabe vorliegen. Öffentliche Aufträge können deshalb mittels Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden, soweit sie der unmittelbaren und dringenden Bewältigung der Flutfolgen dienen. Angebote, ggf. auch nur eines Anbieters, können also ohne Veröffentlichung unmittelbar und ohne Beachtung konkreter Fristvorgaben eingeholt werden. Gegen Ende des Kalenderjahres 2021, also mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu den Starkregenereignissen, werden Vergabeentscheidungen unter dem Gesichtspunkt der Dringlichkeit oberhalb der Schwellenwerte indes voraussichtlich nur noch schwer zu begründen sein.

Unabhängig von den beiden vorgenannte Erleichterungen bleiben die Kommunen an die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden. Auch bei Verzicht auf ein formales Vergabeverfahren zwingt das Haushaltsrecht die Kommunen dazu, auf ein ausgewogenes Verhältnis von Preis und Leistung zu achten. Der erforderliche Ausgleich zwischen diesen Belangen stellt für die betroffenen Kommunen aktuell die wohl größte rechtliche Herausforderung dar. Werden Kommunen übervorteilt und gezwungen, Aufträge zu unangemessen hohen Preisen zu schließen, können diese unter Umständen mittels des öffentlichen Preisrechts korrigiert werden. Unangemessen hohe Vergütungsvereinbarungen können nach den Grundsätzen des öffentlichen Preisrechts zu einer Unwirksamkeit der Preisvereinbarung führen, die dann durch eine preisrechtlich zulässige und angemessene Vergütung ersetzt wird. Die Voraussetzungen dafür dürfen können aber nicht leichtfertig angenommen werden, weil die Vergütung für Liefer-, Bau- und Dienstleistungen, die in kurzer Frist im Katastrophengebiet unter schwierigen Voraussetzungen erbracht werden müssen, nicht mit der Vergütung für vergleichbare Leistungen unter regulären Voraussetzungen gleichgesetzt werden kann.

Eine wesentliche Erleichterung enthält das Rundschreiben des MWVLW schließlich für Zuwendungsmaßnahmen. Die Aussetzung des Haushaltsvergaberechts für Unterschwellenvergaben gilt auch für Zuwendungsempfänger (§§ 23, 44 LHO). Diese werden bis Ende des Jahres nicht länger über die Nebenbestimmungen ihrer Zuwendungsbescheide an das Haushaltsvergaberecht gebunden. Aus dem Erlass des Landes geht an dieser Stelle allerdings nicht eindeutig hervor, ob diese Erleichterung neben den genannten kommunalen Zuwendungsempfängern auch private Zuwendungsempfänger in den betroffenen Landkreisen betrifft. Privaten Zuwendungsempfängern ist deshalb zu empfehlen, sich bei ihrem jeweiligen Zuwendungsgeber zu versichern, ob und welche vergaberechtlichen Bindungen für sie bestehen.