100 Milliarden Sondervermögen: Transparency International erkennt Gefahren in der Lockerung des Vergaberechts

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. kritisiert das geplante Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung der Beschaffung im Kontext des Sondervermögens der Bundeswehr, dass voraussichtlich bereits in der kommenden Woche verabschiedet werden soll (siehe ). Transparency International Deutschland hat hierzu die folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

„Aus dem vorliegenden Entwurf eines Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetzes (BwBBG) geht hervor, dass verschiedene „Erleichterungen“ für die Dauer von drei Jahren vorgesehen sind.

Die Beschleunigung von Vergabeverfahren ist durchaus ein wünschenswertes Ziel, dabei darf die Korruptionsprävention jedoch nicht auf der Strecke bleiben. Sollte der Bundestag einer Beschleunigung zustimmen wollen, so muss zugleich die Grundlage für eine wirksame Ex-post-Kontrolle geschaffen werden.

Dazu Dr. Christian Lantermann, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland: „Wir halten es für problematisch, dass die Bundesregierung auf die gesteigerten Anforderungen, die das 100-Milliarden-Beschaffungsprogramm der Bundeswehr mit sich bringt, mit reduzierten vergaberechtlichen Vorgaben reagieren will. Es besteht die Gefahr, dass Verantwortlichkeiten für mögliche Versäumnisse oder Fehlentscheidungen durch ein abgespecktes Vergaberecht und weniger Transparenz ermöglicht und anschließend kaschiert werden. In der Vergangenheit haben Vereinfachungen des Vergaberechts und Beschleunigungen von Verfahren erwiesenermaßen zu kostspieligen und qualitativ schlechten Beschaffungen geführt, ohne dass der Prozess tatsächlich schneller über die Bühne ging. Das darf sich hier nicht wiederholen.”

Die Ursachen für die hinlänglich bekannten Probleme bei der Beschaffung im Verteidigungsbereich liegen aus Sicht von Transparency Deutschland nicht im Vergaberecht, sondern vor allem in der politischen Steuerung sowie der unzureichenden Vorbereitung und Durchführung der Vergabeprozesse. Die dadurch geschaffenen Probleme werden durch die Vorgaben der Vergabeverfahren und den dort eingeräumten Rechtsschutz sichtbar. Es ist zu befürchten, dass mit der Beschneidung des Rechtsschutzes die Vorbereitung qualitativ leidet und auch dessen Kontrollfunktion beseitigt wird.

Dr. Christian Lantermann erklärt: „Auch in beschleunigten Verfahren müssen die Bedarfsermittlung, die Entscheidungsvorbereitung und auch die Entscheidung über den Zuschlag selbst in jedem Fall nachvollziehbar und nachprüfbar dokumentiert werden. Nur so lassen sich Skandale wie in der jüngsten Vergangenheit vermeiden. Durch Transparenz und saubere Prozesse wird das öffentliche Vertrauen in eine bestmögliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten und einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern gestärkt.“

Zudem müssen die Beschaffungsprozesse frei von politischen Vorgaben und Einflüssen durchgeführt werden. Die qualifizierte Bedarfsermittlung wie auch die eigentliche Vergabeentscheidung müssen marktgerecht und wettbewerbskonform vorgenommen werden. Das ist auch im Verteidigungsbereich mit seinen besonderen Bedingungen, etwa einem relativ kleinen Kreis von Marktteilnehmern und den Anforderungen der Geheimhaltung sicherheitstechnischer Belange, möglich und notwendig. Für das Beschaffungsamt in Koblenz ist es nun wichtig, für schnelle, aber gleichzeitig transparente und nachvollziehbare Beschaffungsprozesse zu sorgen.

Hintergrund

Auf Initiative der Bundesregierung soll in Art. 87a des Grundgesetzes das Sondervermögen Bundeswehr eingefügt werden. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seinem Bericht vom 01.06.2022 (Drs. 20/2091) dem entsprechenden Gesetzesentwurf zugestimmt und die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, „das Beschaffungswesen insgesamt durch eine Straffung der Prozesse, eine verstärkte Abstützung auf Rahmenverträge und marktverfügbare Lösungen, deutliche Vereinfachungen des Vergaberechts (u. a. geplantes Gesetz zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr – Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz) (…) zu entlasten.“

Quelle: Transparency International Deutschland e.V.